Der Betrieb im Betrieb am Wochenende
Was ist als Arbeitgeber zu tun, wenn die vertraglichen Lieferfristen des Betriebes voraussichtlich nicht durch die Stammbelegschaft innerhalb der üblichen Arbeitszeit erfüllbar sind und ein Verzug mit hohen Schadensersatzzahlungen droht? Naheliegend ist die vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit durch Samstags- und Sonntagsarbeit, um damit im Wege der Mehrarbeit die Lieferfristen einzuhalten.
Eine solche (auch nur vorübergehende) Arbeitszeitänderung und -verlängerung ist nicht ohne die Mitbestimmung des Betriebsrats möglich. Oder etwa doch?
Eine Arbeitgeberin aus dem Sauerland fand einen Weg, der – zumindest in diesem Sachverhalt – einen Stillstand der Betriebsanlagen ohne Beteiligung und Zustimmung des Betriebsrats vermied.
Sachverhalt
Der Betriebsrat eines Arbeitgebers im sauerländischen Plettenberg mit ca. 880 Arbeitnehmern gab der Arbeitgeberin nicht die erforderliche Zustimmung zur Mehrarbeit am Wochenende, obwohl diese für den Arbeitgeber, zur Einhaltung seiner Lieferfristen, kurzfristig vorübergehend geboten war.
Die Arbeitgeberin ließ daraufhin kurzerhand 300 Arbeitnehmer ihrer Konzerntochter aus Portugal einfliegen, die an dem Betriebssitz Plettenberg Wochenendarbeit für die kommenden zwei Monate auf Werkvertragsbasis leisten sollten. Der Betriebsrat sah in dem Verhalten des Arbeitgebers zum einen eine unzulässige Umgehung seines Mitbestimmungsrechts zur Mehrarbeit am Wochenende und zum anderen eine zustimmungspflichtige Einstellung der portugiesischen Arbeitskräfte.
Der Betriebsrat stellte beim Arbeitsgericht einen Antrag auf einstweilige Verfügung zur Verhinderung des Einsatzes der aus Portugal eingeflogenen Arbeitskräfte. Das Arbeitsgericht wies den Antrag ab. Auch die hiergegen eingelegte Beschwerde durch den Betriebsrat wurde durch das LAG Hamm (Beschluss vom 14. Oktober 2016, Az. 13 TaBVGa 8/16) zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Das LAG erkannte, dass es im vorliegenden Fall um die Auslegung des § 99 BetrVG (die Mitbestimmung des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen) ging. Falls nämlich der Einsatz der eingeflogenen Arbeitskräfte rechtlich als „Einstellung" einzustufen wäre, wäre eine Zustimmung des Betriebsrats für ihren Einsatz notwendig.
Unterscheidet sich nun äußerlich die Tätigkeit der Erfüllungsgehilfen in keiner Weise mehr von der Tätigkeit der Arbeitnehmer des Betriebes, kann im Einzelfall eine Einstellung vorliegen. Hierfür müssen die Erfüllungsgehilfen jedoch in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert sein, so dass der Arbeitgeber die für ein Arbeitsverhältnis typischen Entscheidungen über den Einsatz der Fremdarbeitnehmer auch nach Zeit und Ort trifft, er also die Personalhoheit über diese Personen innehat.
Das LAG stellte für den vorliegenden Fall hingegen fest, dass durch den Einsatz der aus Portugal eingeflogenen Arbeitnehmer keine derartige Eingliederung in den Betrieb und somit keine „Einstellung" i.S.d. §95 BetrVG vorlag, mit der Folge, dass eine Zustimmung des Betriebsrats nicht erforderlich war.
Der Arbeitgeber hatte die Betriebseinrichtungen dem portugiesischen Unternehmen auf Basis eines Werkvertrags überlassen, so dass es diesem Unternehmen oblag – also nicht der örtlichen Betriebsleitung – die eingesetzten Arbeitnehmer zur Erreichung der im Werkvertrag vereinbarten Zeit zu leiten.
Indem die portugiesischen Arbeitskräfte außerhalb der Betriebsöffnungszeiten eingesetzt und von Führungskräften des portugiesischen Werkunternehmens geleitet wurden, oblag die Personalhoheit vollständig der portugiesischen Firma, nicht der örtlichen Betriebsleitung. Durch die unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers, die Betriebsanlagen am Wochenende durch Mitarbeiter einer Konzerntochter auf Werkvertragsbasis nutzen zu lassen, entsteht ein neuer Betrieb mit anderen Arbeitnehmern, für die der gewählte Betriebsrat nicht zuständig ist.
Der beklagte Arbeitgeber hat demnach eine nachvollziehbare und damit rechtlich hinzunehmende Unternehmerentscheidung getroffen, so das LAG.
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