Erreichbarkeit bei Arbeitsunfähigkeit
Das Bundesarbeitsgericht hatte in seinem Urteil vom 2. November 2016 (10 AZR 596/15) über einen Fall zu entscheiden, in dem es um die Frage ging, inwiefern ein Arbeitnehmer während seiner Arbeitsunfähigkeit erreichbar sein muss.
Sachverhalt
Ein Krankenpfleger war längere Zeit wegen eines Unfalls arbeitsunfähig erkrankt. Zuletzt war er als medizinischer Dokumentationsassistent eingesetzt, wobei diese Tätigkeit bis Ende 2013 befristet war. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte bis in den Februar 2014 hinein. Infolgedessen wollte der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer die künftigen Arbeitsaufgaben planen und besprechen. Der Arbeitgeber lud den Arbeitnehmer zweimal zum Personalgespräch in die Betriebsräume für Termine im Januar und Februar 2014 ein. Bei der Einladung für den zweiten Termin wies er auf die Notwendigkeit eines ärztlichen Attestes hin, für den Fall, dass gesundheitliche Hinderungsgründe für die Teilnahme vorlägen. Der Arbeitnehmer sagte die Personalgespräche aufgrund seiner Krankschreibung ab. Der Arbeitgeber erteilte dem Arbeitnehmer nach der zweiten Ablehnung eine Abmahnung. Der Arbeitnehmer klagte auf die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Die Vorinstanzen gaben der Klage statt und auch die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers umfasst die Pflicht, auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb an Gesprächen teilzunehmen, bei denen es um Inhalt, Ort und Zeit der zu erbringenden Arbeitsleistung geht. Erkrankte Arbeitnehmer müssen aber während der Arbeitsunfähigkeit nicht arbeiten und damit auch nicht im Betrieb erscheinen. Sie müssen auch keine Nebenpflicht erfüllen. Allerdings ist es dem Arbeitgeber nicht verboten, während der Arbeitsunfähigkeit mit dem Arbeitnehmer in einem zeitlich angemessenen Umfang in Kontakt zu treten, um mit diesem den Arbeitseinsatz nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit zu besprechen. Eine solche frühzeitige Besprechung der Arbeitsaufgaben bedarf ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers. Zulässig ist somit eine Kontaktaufnahme per Anruf, Brief oder E-Mail. Er muss jedoch – während der Krankschreibung – auf Anweisung des Arbeitgebers nicht persönlich im Betrieb erscheinen. Ausnahmsweise ist dies jedoch geboten, soweit spezielle und wichtige Gründe vorliegen und der Arbeitnehmer dazu gesundheitlich auch in der Lage ist. Im konkreten Fall wurden solche Gründe durch den Arbeitgeber nicht ausreichend dargetan, so dass die Ablehnung des Erscheinens während der Arbeitsunfähigkeit den Arbeitgeber nicht zu einer Abmahnung berechtigte.
Fazit
Während der Arbeitsunfähigkeit gibt es kein generelles Verbot für Arbeitgeber, an einen krankgeschriebenen Arbeitnehmer heranzutreten und mit ihm zu sprechen. Grundsätzlich müssen Arbeitnehmer aber während einer Krankheit Personalgespräche nicht im Betrieb führen. Lediglich in Ausnahmefällen, deren Gründe der Arbeitgeber darzulegen hat, ist eine solche Vorgabe des Arbeitgebers zulässig, sofern dies unverzichtbar ist. Da die Entscheidungsgründe nur als Pressemitteilung vorliegen, bleibt abzuwarten, ob die Urteilsgründe Hinweise geben, wann das Erscheinen „unverzichtbar" sein kann.
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