Kündigung wegen Betriebsstilllegung: Beschäftigung während des Laufs der Kündigungsfrist?
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts („BAG") gehört die Stilllegung des gesamten Betriebes zu den „dringenden betrieblichen Erfordernissen", die einen Grund für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung darstellen.
Bei einer geplanten Betriebsstillegung kann indes der Zeitpunkt, zu dem die Kündigungen ausgesprochen werden können, fraglich sein. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein Arbeitgeber, der seinen Betrieb endgültig stilllegen will, nicht verpflichtet ist, mit dem Ausspruch der Kündigung zu warten, bis er die betrieblichen Tätigkeiten endgültig stillgelegt hat. Dies hieße, er wäre gezwungen, Mitarbeiter zu bezahlen, ohne sie beschäftigen zu können. Wenn er im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst hat, den Betrieb still zu legen, so ist die Kündigung zu dem beabsichtigten Zeitpunkt zulässig.
In der nachfolgend besprochenen Entscheidung hatte das LAG Rheinland-Pfalz (nachfolgend „LAG", Urteil vom 12. Januar 2017 – 5 SA 51/16) u.a. diese Frage zu prüfen.
Sachverhalt
Die Beklagte – aus dem Bereich der Bauindustrie – beschäftigte 61 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat bestand nicht. Da die Beklagte seit Jahren keinen Gewinn mehre erwirtschaftete, fasste der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten – der inzwischen 72 Jahre alt war und sich bereits seit längerer Zeit vergeblich um einen Nachfolger bemüht hatte – am 22. April 2014 den Entschluss, seinen Betrieb stillzulegen und das operative Geschäft zum 30. April 2014 einzustellen. Danach sollten nur noch Altaufträge sowie Garantiefälle abgearbeitet werden. Diesen Entschluss dokumentierte er in einem entsprechenden Gesellschafterbeschluss. Die Beklagte erstattete die erforderliche Massenentlassungsanzeige und informierte die Belegschaft über die geplante Stilllegung. Ferner veröffentlichte sie gleichzeitig eine entsprechende Information für ihre Kunden auf ihrer Internetseite.
Mit Schreiben vom 28. April 2014 wurden sämtliche Arbeitsverhältnisse wegen der geplanten Betriebsstilllegung gekündigt.
Der Kläger wandte sich gegen die Kündigung, da der vorgelegte Gesellschafterbeschluss nach seiner Auffassung keine Entscheidung getroffen habe, die zum Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses führe. Ferner hätte die Betriebsstilllegung keine greifbaren Formen angenommen. Vielmehr sprächen zahlreiche Anhaltspunkte für eine Fortführung des Geschäftsbetriebes. Insbesondere habe die Beklagte nach Ausspruch der Kündigung noch einen Auftrag zur Lieferung von Fenstern angenommen.
Nachdem die Klage in der ersten Instanz abgewiesen worden war, wandte sich der Kläger hiergegen mit der Berufung.
Entscheidung
Die Berufung blieb erfolglos.
Das LAG sah es als erwiesen an, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ein endgültiger Beschluss der Beklagten zur Stilllegung ihres Betriebes vorgelegen habe, da sich dringende betriebliche Gründe für eine Stilllegung abgezeichnet hätten. Der Alleingesellschafter und Geschäftsführer hatte den Entschluss aus wirtschaftlichen Erwägungen sowie aus Altersgründen gefasst. Hinzu kam, dass er diese Absicht durch den schriftlichen Beschluss, die Massenentlassungsanzeige sowie die Information gegenüber den Mitarbeitern, Lieferanten, Kunden usw. nach außen kundgetan hatte.
Dem stand nach Auffassung des LAG auch nicht entgegen, dass die Beklagte Arbeitnehmer im Rahmen ihrer Kündigungsfrist noch eingesetzt hatte, um vorhandene Aufträge oder Garantiefälle abzuarbeiten, da die Beklagte dadurch nur der ihr obliegenden Beschäftigungspflicht nachgekommen sei. Selbst die Annahme neuer Aufträge, die bis zum Ende der Kündigungsfrist der Arbeitnehmer noch abgearbeitet werden konnten, sprach nach Auffassung des LAG nicht gegen die Stilllegungsabsicht. Erforderlich sei lediglich, dass bis zum Ende der Kündigungsfristen keine Tätigkeiten mehr ausgeführt werden.
Ferner betonte das LAG, dass vor Zugang der Kündigung noch nicht mit der Verwirklichung der Stilllegungsentscheidung begonnen worden sein müsse. Es genüge vielmehr, dass die Beklagte berechtigterweise annehmen durfte, die laufende Kündigungsfrist biete ihr hierfür ausreichend Zeit.
Fazit
Die Entscheidung des LAG reiht sich in die Rechtsprechung des BAG ein und ist zu begrüßen. Denn aufgrund von zum Teil langen Kündigungsfristen sowie der Dauer, die die Abwicklung eines Geschäftsbetriebes nach dem Entschluss den Betrieb stillzulegen in Anspruch nimmt, schiene es unverhältnismäßig, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsverhältnisse erst nach der endgültigen Stilllegung kündigen dürfte. In diesem Fall hätte der Arbeitgeber keine Beschäftigungsmöglichkeiten mehr, müsste aber noch für mehrere Monate – bis zum Auslaufen der Kündigungsfristen – die Gehälter fortzahlen.
Dennoch wird gerade bei einer lediglich geplanten Stilllegung jeweils im Einzelfall genau zu prüfen sein, ob sich diese Absicht auch zeitnah – bis zum Auslaufen der Kündigungsfristen – realisiert und im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung hinreichend konkretisiert hat. Erst dann sollten die Kündigungen ausgesprochen werden, um deren Unwirksamkeit zu vermeiden. Dem stehen Restarbeiten, Bearbeiten von Garantiefällen oder sogar auch noch abarbeitbare Neuaufträge nicht entgegen. Daneben verdeutlicht die Entscheidung erneut, wie wichtig die Dokumentation der Unternehmerentscheidung (schriftlicher Beschluss) im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung ist. Ferner misst das LAG auch der Kundgabe der Entscheidung nach außen eine entscheidende Bedeutung zu.
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