Erpressung des Arbeitgebers kann zum Ausschluss aus dem Betriebsrat führen
Allgemein bekannt ist, dass Betriebsratsmitglieder besonderen Schutz vor für sie nachteilhaften personellen Maßnahmen genießen. Eine ordentliche Kündigung ist beispielsweise regelmäßig ausgeschlossen. Bei arbeitsrechtlichen Sanktionen muss stets zwischen Pflichtverletzungen aus dem Arbeitsverhältnis und Amtspflichtverletzungen des Betriebsratsmitglieds unterschieden werden. Die reine Verletzung von Amtspflichten kann nur zum Ausschluss aus dem Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) führen. Ein solcher Ausschluss ist beim zuständigen Arbeitsgericht zu beantragen. Den entsprechenden Antrag kann insbesondere auch der Arbeitgeber stellen.
Über einen Fall, in dem der Betriebsratsvorsitzende seine Amtspflichten erst dann erfüllen wollte, wenn ein persönliches Anliegen vom Arbeitgeber geregelt wurde, hatte das Landesarbeitsgericht München mit Beschluss vom 17. Januar 2017, Az. 6 TaBV 97/16, zu entscheiden.
Sachverhalt
Der Betriebsratsvorsitzende machte seit längerer Zeit Ansprüche auf Zahlung verschiedener Arbeitsentgelte geltend, die die Geschäftsleitung ablehnte. Der Vorsitzende äußerte sodann während eines Gesprächs mit der Geschäftsleitung sinngemäß, er könne sich um die betrieblich an ihn herangetragenen Themen erst dann kümmern, wenn über seine persönliche Forderung entschieden werde. Er könne die Themen konstruktiv vorantreiben oder auch Steine in den Weg legen. Der Vorsitzende drohte insbesondere, er werde die Verhandlung zwischen der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat wegen Ausdehnung eines Schichtmodells am Wochenende boykottieren. Auch hat der Vorsitzende im Rahmen eines anderen Gesprächs zur Überzeugung des LAG gedroht, den Mitarbeitern des Betriebes mitzuteilen, dass sie ab sofort am Wochenende nicht mehr kommen müssten.
Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich beantragt, den Vorsitzenden aus dem Betriebsrat auszuschließen. Das Arbeitsgericht wies den Antrag ab. Gegen diesen Beschluss hat die Arbeitgeberin beim Landesarbeitsgericht Beschwerde eingelegt.
Entscheidung
Das LAG München war der Ansicht, dass der Vorsitzenden seine gesetzlichen Pflichten als Betriebsratsmitglied grob verletzt habe, was seinen Ausschluss aus dem Betriebsratsgremium rechtfertige.
Ein den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat rechtfertigender grober Verstoß gegen gesetzliche Pflichten sei dann anzunehmen, wenn eine Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist. § 23 Absatz 1 BetrVG stelle dabei keine Sanktion wegen der Amtspflichtverletzung dar, sondern wolle künftige Amtspflichtverletzungen durch das betreffende Betriebsratsmitglied ausschließen.
Auch unter Berücksichtigung aller Umstände sei die vertrauensvolle Zusammenarbeit im vorliegenden Fall mit dem Arbeitgeber nicht mehr zu erwarten. Der Betriebsratsvorsitzende habe mit seinen Äußerungen zu erkennen gegeben, dass er bereit sei, seine Betriebsratstätigkeit einzustellen und dass es ihm in erster Linie um die Erfüllung seiner vermeintlichen persönlichen Ansprüche gehe. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber sei daher in der Zukunft nicht mehr zu erwarten.
Das LAG München hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen.
Praxishinweis
Das Fall zeigt, dass Arbeitgeber sich nicht alles gefallen lassen müssen. Auch ein Betriebsratsvorsitzender darf sich in seiner Position nicht zu sicher fühlen und insbesondere seine Position für sachfremde Ziele missbrauchen. Der Ausschluss aus dem Betriebsrat hat zur Folge, dass das ehemalige Betriebsratsmitglied nach Rechtskraft der Entscheidung seinen besonderen und nachwirkenden Kündigungsschutz verliert. Daher kann das ausgeschlossene Betriebsratsmitglied auch ordentlich gekündigt werden.
Im vorliegenden Fall waren neben Amtspflichten auch arbeitsvertragliche Pflichten verletzt, da der durch den Vorsitzenden angestrebte Entgeltausgleich und die „Erpressung" das Arbeitsverhältnis an sich betrafen. Daher war auch eine außerordentliche Kündigung des Vorsitzenden noch während der Amtszeit denkbar. Der Ausschlussantrag bei Gericht kann daher regelmäßig auch mit einem Antrag nach § 103 Abs. 1 BetrVG beim Betriebsrat auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung verbunden werden. Wird die Zustimmung verweigert, kann das Zustimmungsersetzungsverfahren vor Arbeitsgericht nach § 103 Abs. 2 BetrVG betrieben werden. Bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen für eine einstweilige Verfügung kann auch die vorläufige Amtsenthebung bis zur rechtskräftigen Entscheidung durchgesetzt werden.
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