Ist der Kunde wirklich König? – Der Wunsch des Kunden auf Bedienung durch eine Mitarbeiterin ohne Kopftuch als Kündigungsgrund
Der Wille des Arbeitgebers, den Wünschen eines Kunden zu entsprechen, die Leistungen dieses Arbeitgebers nicht mehr von einer Arbeitnehmerin ausführen zu lassen, die ein Kopftuch trägt, ist keine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung, die eine Kündigung als diskriminierungsfrei rechtfertigen würde. Eine Kündigung aufgrund einer internen Vorschrift, die das Tragen jeglicher religiöser oder weltanschaulicher Zeichen untersagt, kann hingegen rechtmäßig sein, EuGH, Urteil vom 14. März 2017, Az. C-188/15.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Frau muslimischen Glaubens, war bei dem beklagten Unternehmen als Softwaredesignerin angestellt. Vor Beginn ihrer Tätigkeit wurde sie bereits von einem Vertreter des Unternehmens im Rahmen einer Studierendenmesse darauf hingewiesen, dass das Tragen eines Kopftuchs im Rahmen von Kundenkontakten Probleme bereiten könnte. Nach Absolvierung ihres Abschlusspraktikums im Betrieb der Beklagten, bei welchem sie durchgängig ein Kopftuch trug, wurde sie auf Grundlage eines unbefristeten Arbeitsvertrages eingestellt. Bei der Durchführung eines Auftrags für die Beklagte teilte ein Kunde der Beklagten mit, dass eine Reihe seiner Mitarbeiter am Kopftuch der Klägerin Anstoß genommen hätten und bat darum, dass der nächste Auftrag ohne Tragen eines Kopftuchs durchgeführt werde. In einem anschließenden Gespräch brachte die Klägerin auf Fragen der Beklagten zum Ausdruck, in Zukunft trotzdem nicht auf ihr Kopftuch verzichten zu wollen. Daraufhin wurde der Klägerin gekündigt. Die Beklagte führte als Begründung an, die Mitarbeiter seien im Interesse des Unternehmens wegen des Grundsatzes notwendiger Neutralität hinsichtlich der Äußerung ihrer persönlichen Einstellung zur Zurückhaltung gehalten. Die Klägerin erhob daraufhin erfolglos Klage. Der französische Kassationsgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
Der EuGH setzt seine Rechtsprechung hinsichtlich des Tragens religiöser Zeichen am Arbeitsplatz fort. Er sorgt in dieser Entscheidung vor allem für Klarstellung in Bezug auf die Voraussetzungen einer „wesentlichen und entscheidenden beruflichen Anforderung" im Sinne der Gleichbehandlungsrichtlinie, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen würde.
Die erste Instanz hatte entschieden, dass die Beschränkung der religiösen Freiheit der Beklagten, zu der auch das Tragen eines Kopftuchs gehört, durch ihren Kontakt mit den Kunden gerechtfertigt sei. Das von der Beklagten verfolgte Ziel, das Bild des Unternehmens zu wahren und die Überzeugungen ihrer Kunden nicht zu verletzen, stünde dazu nicht außer Verhältnis.
Diese Entscheidung wurde durch die zweite Instanz bestätigt, welche darüber hinaus ausführte, dass die Kündigung der Klägerin keine Diskriminierung aus religiösen Gründen darstelle, da die Klägerin ihre religiösen Überzeugungen innerhalb des Unternehmens weiterhin zum Ausdruck bringen dürfe.
Der vom französischen Kassationsgerichtshof angerufene EuGH hat sich den Einschätzungen der Vorinstanzen nicht angeschlossen. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber das Tragen religiöser Zeichen und Symbole durch eine allgemeine Anweisung verbieten. Dies entspricht der Rechtsprechung des EuGH, der in einem Urteil, welches am selben Tag ergangen ist (EuGH, Urteil vom 14. März 2017, Az.: C-157/15) ein Verbot des sichtbaren Tragens eines Kopftuchs für rechtmäßig erachtet hat. Der Arbeitgeber durfte seiner Arbeitnehmerin kündigen, als diese sich weigerte, ihr Kopftuch abzulegen, da der Arbeitgeber eine interne Regel erlassen hatte, die das sichtbare Tragen jedes politischen, religiösen oder philosophischen Zeichens am Arbeitsplatz untersagte. Eine solche neutrale Regel stellt keine Diskriminierung dar, sofern sie nicht tatsächlich dazu führt, dass Arbeitnehmer mit einer bestimmten Religion ohne Verfolgung eines rechtmäßigen Ziels mittelbar benachteiligt werden.
Fehlt es an einer solchen entsprechenden internen Regelung, ist hingegen zu prüfen, ob der Kündigungsgrund, hier der Wille des Arbeitgebers, dem Wunsch des Kunden nach einer Auftragsdurchführung durch eine Mitarbeiterin ohne Kopftuch zu entsprechen, eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt.
Dem hat der EuGH eine Absage erteilt. Der Wortlaut der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie verweise auf eine Anforderung, die von der Art der betreffenden beruflichen Tätigkeit oder den Bedingungen ihrer Ausübung objektiv vorgegeben ist. Er erstrecke sich hingegen nicht auf subjektive Erwägungen, wie den Willen des Arbeitgebers, den besonderen Wünschen seiner Kunden zu entsprechen.
Fazit
Das Urteil des EuGH verdeutlicht die Anforderungen, welche an ein rechtmäßiges Verbot des Tragens religiöser Zeichen zu stellen sind. Fußt das Verbot auf einer internen Vorschrift, die das Tragen jeglicher religiöser oder weltanschaulicher Zeichen verbietet, stellt dies keine Diskriminierung dar. Dies gilt nicht, soweit eine neutral formulierte Verpflichtung zu einer tatsächlichen Benachteiligung bestimmter Religionen oder Weltanschauungen führt. Subjektive Erwägungen, wie das Empfinden der Kunden des Arbeitgebers, können ein Verbot nicht rechtfertigen.
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