Ungleichbehandlung eines behinderten Mitarbeiters – Anforderungen an die Vermutung einer Diskriminierung
Die Vermutung, dass eine Benachteiligung aus einem der im AGG genannten Gründen, sprich aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität erfolgt ist, darf nur angestellt werden, wenn dieser Umstand mit „überwiegender Wahrscheinlichkeit" ursächlich für die Schlechterstellung war. Denn nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes soll es nicht ausreichen, dass für die nötige Ursächlichkeit lediglich die theoretische Möglichkeit besteht (BAG, Urteil vom 26. Januar 2017, Az. 8 AZR 736/15).
Sachverhalt
Das beklagte Unternehmen greift für den Betrieb seines Transport-Services unter anderem auf Teilzeitkräfte als Kurierfahrer zurück. Auch der als schwerbehinderter Mensch anerkannte Kläger war an einem der Standorte des Arbeitgebers als Fahrer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 27,5 Stunden angestellt. An jenem Standort wurde dann mit mehreren teilzeitbeschäftigten Fahrern eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit vereinbart. Dabei wurden sämtliche Mitarbeiter berücksichtigt, die eine höhere Arbeitszeit wünschten – ausgenommen waren nur der Kläger und ein Mitarbeiter, der erst wenige Monate zuvor an diesen Standort gewechselt war. Der Kläger, der in der Vergangenheit mehrfach um eine Erhöhung seiner wöchentlichen Arbeitszeit gebeten hatte, erhob daraufhin Klage und berief sich auf die Diskriminierung seiner Person aufgrund seiner Behinderung. Das BAG widersprach in der Revision zunächst dem Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichtes Hessen, welches auf Schadensersatz erkannt hatte und verwies den Fall zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück.
Entscheidungsgründe
In seinem Urteil, dessen vollständige Begründung noch nicht vorliegt, sorgte das BAG vor allem für Klarstellung in Bezug auf die Voraussetzungen für die Annahme der Vermutung einer Diskriminierung im Sinne des AGG: So war es mit Blick auf den Sachverhalt unbestritten, dass der Kläger im Vergleich mit den übrigen nicht behinderten Arbeitnehmern schlechter gestellt worden war. Denn von der Vielzahl der zur Arbeitszeiterhöhung bereiten Kollegen und Kolleginnen war nur ihm und einem weiteren Mitarbeiter der Wunsch nach Erhöhung der Arbeitszeit verwehrt worden. Kern des Rechtsstreits war folglich, ob die Behinderung des Klägers der nach dem AGG untersagte Benachteiligungsgrund für die Ablehnung des Mehrarbeitswunsches war.
Die Vorinstanz hatte zur Beantwortung dieser Frage auf eine Vermutung zurückgegriffen und darauf basierend eine Diskriminierung bejaht. So stellte das LAG fest, dass ausreichend Indizien dafür sprächen, dass der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung unmittelbar benachteiligt worden sein könnte. Die Feststellung, dass eine Diskriminierung zu vermuten sei, wenn lediglich die „Möglichkeit" bestehen könnte, dass der Grund für die Benachteiligung die Behinderung des Arbeitnehmers sei, ließ das BAG jedoch nicht ausreichen. Vielmehr dürfe eine solche Vermutung nur angenommen werden, wenn mit „überwiegender Wahrscheinlichkeit" die Behinderung den Grund für die Schlechterstellung des Arbeitnehmers darstelle. Diese überwiegende Wahrscheinlichkeit wiederum müsse aus Indizien des konkreten Sachverhaltes hervorgehen und durch das Gericht festgestellt werden.
Entsprechend verwies das BAG den Rechtstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück, das nun für den konkreten Fall beurteilen muss, ob die vorgetragenen Indizien auch für die Annahme einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausreichen.
Fazit
Das Urteil des BAG verdeutlicht die Anforderungen, welche die Fachgerichte an die Vermutung einer verbotenen Diskriminierung am Arbeitsplatz stellen müssen. Lässt sich der Grund der Ungleichbehandlung nicht zweifelsfrei feststellen, ist auf Indizien zurückzugreifen, auf Basis derer aber nur von einer unerlaubten Benachteiligung ausgegangen werden kann, wenn jene Indizien darauf hindeuten, dass der vom AGG geschützte Umstand – hier die Behinderung – mit überwiegender Wahrscheinlichkeit der Grund für die Ungleichbehandlung gewesen ist.
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