Unbillige Weisung – was nun?
Grundsätzlich – dies kennzeichnet das Arbeitsverhältnis – hat der Arbeitgeber das Recht, im Hinblick auf die Ausführung der geschuldeten Arbeitsleistung im Rahmen der für das Arbeitsverhältnis geltenden Bestimmungen, wie z.B. den Arbeitsvertrag, Weisungen hinsichtlich des Orts, der Zeit und der Aufgabe an sich zu erteilen. Diese Weisungen dürfen aber nicht – z.B. aus Rechtsgründen – „nichtig" sein noch dürfen sie „unbillig", d.h. zwar rechtmäßig, aber gleichwohl „unangemessen" sein. Erhält der Arbeitnehmer eine zwar rechtlich wirksame Weisung, die jedoch unbillig ist, so ist diese nicht nichtig, sondern „unverbindlich". Aber wie soll der Arbeitnehmer reagieren? Soll er die Weisung ignorieren oder soll er sie befolgen und die gerichtliche Klärung einleiten? Befolgt er sie nicht, so riskiert er die Abmahnung oder Kündigung. Reicht er Klage ein, so muss er die unbillige Weisung bis zur finalen gerichtlichen Klärung erdulden. Dieser letztere Weg ist für den Arbeitnehmer besonders belastend, wie auch der hier geschilderte Fall zeigt. Befolgt er die Weisung hingegen nicht, so riskiert er die Kündigung, die – wenn die Weisung nicht „unbillig" war – gerechtfertigt ist.
Nach bisheriger Rechtsprechung hat der Arbeitnehmer die unbillige Weisung zu befolgen und kann sich erst weigern, wenn die Unbilligkeit gerichtlich festgestellt wurde – so der Fünfte Senat des BAG. Dies bringt den Arbeitnehmer in eine schwierige Position, die oftmals zu einer solchen Härte führen mag, dass der Arbeitnehmer aufgibt und kündigt, z.B. wenn er im Rahmen des örtlichen Weisungsrechts seine Arbeit an einem anderen Ort ausführen muss. Grundsätzlich, dies kommt hinzu, ist das Weisungsrecht nicht an Fristen – wie Kündigungsfristen – oder vorherige Anhörung des Arbeitnehmers gebunden. Die Härten, die diese Rechtsauffassung mit sich bringen, sind Anlass für die Ablehnung dieser Rechtsprechung durch die überwiegende Literatur.
Der Zehnte Senat des BAG (Beschluss vom 14. Juni 2017, 10 AZR 330/16) will nun einen neuen Weg gehen, in dem er die Rechtsprechung des 5. Senats ablehnt und anfragt, ob der Fünfte Senat an seiner Rechtsauffassung festhält. Um eine einheitliche Rechtsprechung zu sichern, sind die Senate des BAG gehalten, wenn sie von einer gefestigten Rechtsprechung eines anderen Senats abweichen wollen, bei diesem anzufragen.
Sachverhalt und Hintergrund
Der Arbeitnehmer war zuletzt als Immobilienkaufmann am Standort Dortmund eingesetzt. Nachdem sich Kollegen über ihn beschwerten, ja die Zusammenarbeit ablehnten, der Betriebsrat sogar versuchte, aber vergeblich, zu vermitteln, versetzte ihn der Arbeitgeber für ein halbes Jahr an den Standort Berlin. Zur Begründung hieß es, außerhalb des bisherigen Teams bestehe keine Beschäftigungsmöglichkeit in Dortmund. Der Arbeitnehmer weigerte sich, seine Arbeit in Berlin aufzunehmen. Daraufhin mahnte ihn der Arbeitgeber zweimal ab und kündigte dem Arbeitnehmer schließlich fristlos. Die Klage war auf Feststellung der Unbilligkeit der Weisung, der Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte sowie gegen die Kündigung gerichtet.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben zunächst festgestellt, dass die Weisung unbillig war, somit auch die Kündigung für unwirksam erklärt, da eine Weigerung, einer solchen Weisung zu folgen, nicht als Pflichtverletzung angesehen werden könne. Problematisch ist jedoch die Frage, welche Auswirkungen die Unbilligkeit hat, insbesondere ob sich der Arbeitnehmer weigern darf, der Weisung nachzukommen. Hier wurde die oben genannte Frage virulent. Beide Vorinstanzen wollten – das LAG mit ausführlicher Begründung – dem 5. Senat das BAG nicht folgen. Sie wollen die „unbillige" Weisung, die unverbindlich ist, wie eine nichtige Weisung behandeln. Der 10. Senat des BAG, der für die seitens des Arbeitgebers eingelegte Revision zuständig war, will ebenfalls so entscheiden und legte daher die Frage dem 5. Senat vor.
Aussicht
Bis zur gerichtlichen Klärung der Unbilligkeit einer Weisung liegt das Risiko bisher beim Arbeitnehmer, denn er ist gezwungen, unbillige Weisungen zunächst zu befolgen. Neben der Arbeit „unter unbilligen Umständen" muss der Arbeitnehmer also auch die Klageinitiative zur Klärung der Unbilligkeit auf sich nehmen. Bei einer Versetzung – wie hier für sechs Monate – würde der Rechtschutz leer laufen, da diese Entscheidung erst nach Ablauf der Versetzung erging. Sollte der 5. Senat des BAG sich anschließen, müssten künftig die Arbeitgeber auf eine gerichtliche Feststellung der Wirksamkeit hinwirken. Beim Arbeitnehmer verbliebe weiterhin das Kündigungsrisiko im Falle der Verweigerung, nämlich dann, wenn sich die Weisung später als zulässig herausstellt.
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