Widerstreitende vertragliche Regelungen zur Kündigungsfrist in der Probezeit – die ausdrückliche Regelung gilt!
Das Bundesarbeitsgericht entschied am 23. März 2017 in einem Fall (Az.: 6 AZR 705/15), in dem im Arbeitsvertrag widersprüchliche Kündigungsfristen festgelegt waren. Der Widerspruch war für den juristischen Laien kaum zu erkennen und das Gericht entschied zu Gunsten des Arbeitnehmers, dass die längere Kündigungsfrist gelten solle.
Sachverhalt
Die Arbeitgeberin betreibt gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung und schloss im März 2014 einen Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer. Der Vertrag sah u.a. die Geltung des Manteltarifvertrags für die Zeitarbeit („MTV") und daneben eine Probezeit von sechs Monaten und eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende vor. Im Vertrag heißt es zur Kündigungsfrist ausschließlich:
„Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gilt eine Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Monatsende. Die nach den gesetzlichen Bestimmungen für den Arbeitgeber geltenden längeren Kündigungsfristen gelten auch für eine Kündigung durch den Mitarbeiter. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor Arbeitsantritt ist ausgeschlossen."
Mit Schreiben vom 5. September 2014, das dem Arbeitnehmer am selben Tag zuging, kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit zum 20. September 2014, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Der Arbeitnehmer klagt gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 20. September 2014. Er ist der Ansicht, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung vom 5. September 2014 erst zum 31. Oktober 2014 beendet worden. Er argumentiert, die reguläre Kündigungsfrist betrage auch in der Probezeit sechs Wochen zum Monatsende. Die Arbeitgeberin ist hingegen der Meinung, dass eine Kündigungsfrist von zwei Wochen anzuwenden ist. So sähen es sowohl der MTV als auch die gesetzliche Regelung vor.
Entscheidungsgründe
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Kündigung des Arbeitgebers mit zweiwöchiger Frist unwirksam war. Grundsätzlich kann ein Arbeitsverhältnis zwar während der Probezeit ohne weitere Vereinbarung von beiden Seiten mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. So bestimmt es die gesetzliche Regelung. Ist jedoch in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag eine längere Kündigungsfrist festgelegt, so gilt regelmäßig die längere Frist auch schon während der Probezeit. Für den Fall, dass eine kürzere Frist während der Probezeit gelten soll, muss dies ausdrücklich im Vertrag festgelegt sein.
Das Gericht legte seiner Entscheidung die Überlegung zugrunde, dass ein vorformulierter Vertrag so wie Allgemeine Geschäftsbedingungen zu behandeln ist. Bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Bei Arbeitsverträgen der geregelten Art ist der Arbeitnehmer typischerweise nicht rechtskundig. Ein solcher Arbeitnehmer, so die Überlegung des Gerichts weiter, wird zurecht die einzige ausdrückliche Regelung zur Kündigungsfrist auf alle Fälle anwenden – so auch auf die Probezeit.
Eine komplexere Vertragsauslegung, wie sie hier notwendig gewesen wäre, kann ihm nicht zugemutet werden. Um den Kern des Problems im vorliegenden Fall zu lösen, hätte der Arbeitnehmer nämlich zunächst wissen müssen, dass für die Probezeit eine besondere gesetzliche Kündigungsfrist von zwei Wochen gilt und dass diese im Widerspruch zur vertraglichen Regelung steht. Des Weiteren hätte er sehen müssen, dass daraus die Notwendigkeit folgt, die widerstreitenden Regelungen gegeneinander abzuwägen und diese Abwägung vornehmen müssen.
Fazit/Praxishinweise
Soll die Kündigungsfrist nach dem vom Arbeitgeber vorgelegten Vertrag in der Probezeit zwei Wochen betragen und erst danach länger als die gesetzliche Kündigungsfrist sein, dann muss dies in den Arbeitsvertrag mit aufgenommen werden. Dazu dürfte ein Verweis auf die gesetzlichen Regeln in den meisten Fällen genügen. Bereits wenige Worte im Vertragstext hätten dem Arbeitgeber vier Wochen Gehaltszahlungen erspart.
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