Konzernweite Mitarbeiterbefragung unterliegt nicht der Mitbestimmung des örtlichen Betriebsrats
Sachverhalt
Ein Universitätsklinikum (Konzernobergesellschaft) beabsichtigte im Jahr 2015 zum wiederholten Male eine konzernweite anonymisierte Mitarbeiterbefragung zum Themen- komplex „Arbeitsbedingungen/ -umfeld" durchzuführen, nachdem bereits im Jahre 2012 eine – ebenfalls anonyme – Befragung der Mitarbeiter stattfand. Der Betriebsrat der 100%-igen Tochtergesellschaft, die ein Herzzentrum betrieb, proklamierte jedoch sein Mitbestimmungsrecht und erwirkte im Dezember 2014 beim Arbeitsgericht gegenüber dem Herzzentrum eine einstweilige Verfügung mit dem Inhalt, das Universitätsklinikum anzuweisen, die Befragung der Mitarbeiter des Herzzentrums zu unterlassen, solange der Betriebsrat dieser nicht zugestimmt habe (bzw. die Zustimmung im Zustimmungs- ersetzungsverfahren nicht ersetzt worden sei). Er verwies dabei auf § 94 BetrVG („Personalfragebogen") sowie auf § 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 bzw. §§ 3,5 ArbSchG („Arbeits- / Gesundheitsschutz").
Das Arbeitsgericht entsprach zunächst den Anträgen des Betriebsrats (des Herzzentrums) und wies die Anträge des Konzernbetriebsrats (des Universitätsklinikums) auf ein in seine Zuständigkeit fallendes Mitbestimmungsrecht ab. Die eingelegte Beschwerde des Konzernbetriebsrats vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg (LAG) wurde ebenfalls zurückgewiesen.
Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht entschied jedoch, dass das LAG die Beschwerde der Arbeitgeber zu Unrecht zurückgewiesen hat. Zum einen gebe es keinen mitbestimmungspflichtigen Anspruch des Betriebsrats gegenüber dem Unternehmen, den Konzern anzuweisen, die für den Gesamtkonzern durchgeführte Befragung – zumindest bezogen auf das Konzernunternehmen – zu unterlassen. Zum anderen unterläge die Mitarbeiterbefragung nicht der Mitbestimmung des örtlichen Betriebsrats.
Begründung
Der örtliche Betriebsrat wollte dem Herzzentrum auferlegen lassen, das Universitätsklinikum wiederum anzuweisen, die vorliegenden Beschäftigtendaten nicht zum Versenden der Fragebögen an die Mitarbeiter zu verwenden. Der Betriebsrat, so das BAG, habe jedoch keinen Anspruch auf diese „Anweisung zur Anweisung". Der Betriebsrat verkenne, dass er einen Anspruch gegenüber einer Instanz erhebt, die jedoch nicht der Maßnahmenträger ist. Der Betriebsrat richte seinen Unterlassungsanspruch gegen das Herzzentrum, die Befragung an sich sei jedoch eine Maßnahme der Konzern- obergesellschaft, des Universitätsklinikums. Die Gestaltung und Organisation der Mitarbeiterbefragung findet auf Konzernebene, und nicht Betriebsebene, statt. Die Mitbestimmung setzt – so sieht es das Betriebsverfassungsgesetz vor – auf der Ebene ein, auf der die Entscheidungskompetenz liegt.
Darüber hinaus handele es sich bei der angestrebten Mitarbeiterbefragung weder um eine Maßnahme zum Gesundheitsschutz (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG), noch um einen mitbestimmungspflichtigen Fragebogen (§ 94 BetrVG), also lägen auch keine mitbestimmungsrelevanten Umstände vor.
Es sei zwar grundsätzlich richtig, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei einer Gefährdungsbeurteilung (nach § 5 ArbSchG) hat, jedoch stelle die hier streitgegen- ständliche Mitarbeiterbefragung keine Gefährdungsbeurteilung i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG dar, da es hier nicht um die Analyse möglicher Gefährdungen und die Ermittlung von konkret einzuführenden Maßnahmen des Arbeitsschutzes geht. Dies sei alleine schon aufgrund der Freiwilligkeit und Anonymität der Befragung sowie der daraus resultierenden Unmöglichkeit der Zuordnung zu einzelnen Arbeitsbereichen und -plätzen nicht gegeben.
Auch ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 94 Abs. 1 S.1 BetrVG scheide aus, da ein anonymisierter Standardfragebogen Verwendung finden sollte und die Teilnahme auf freiwilliger Basis stattfinden sollte, die Arbeitnehmer somit selbst entscheiden konnten, ob und welche Daten sie preisgeben. Das Persönlichkeitsrecht würde hier also nicht durch Fragen zu persönlichen Verhältnissen und Eigenschaften berührt bzw. verletzt.
Auch sei der Betriebsrat als Antragsteller wegen des konzernweiten einheitlichen Charakters der Befragung nicht zuständig, ggf. bestehende Mitbestimmungsrechte auszuüben. Diese Kompetenz läge originär beim Konzernbetriebsrat, der Konzern steuere die Befragung. Das Konzernunternehmen bestimme hier nichts, so dass es auch nichts „mitzubestimmen" gebe.
Fazit
Der Betriebsrat hat also weder auf datenschutzrechtlicher, noch auf betriebsverfassungsrechtlicher Grundlage einen Anspruch auf die Vornahme der Anweisung des Herzzentrums gegenüber dem Universitätsklinikum, die Mitarbeiter- befragung zu unterlassen. Der Betriebsrat Das BAG betont ferner, dass das zuständige Mitbestimmungsorgan auf der Ebene anzusiedeln sei, auf der „bestimmt werde".
Autorin: Claudia Eichler, Claudia.Eichler@kallan-legal.de
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