ArbG Stuttgart: Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit
Die anhaltende Coronakrise stellt viele Unternehmen vor weitere Herausforderungen in Bezug auf ihre Liquidität. Dabei kann der Rückgriff auf Kurzarbeit für einige Betriebe überlebenswichtig sein und Unternehmen vor einer Insolvenz retten. Liegen die Voraussetzungen hierfür grundsätzlich vor, bedarf es einer Rechtsgrundlage, um die Kurzarbeit gegenüber den Arbeitnehmern einführen zu können. Wenn der Arbeitsvertrag hier keine Möglichkeit vorsieht, bleibt nur der Weg über eine Vereinbarung bzw. – erheblich schwerer durchzusetzen – eine Änderungskündigung. Unabhängig davon bedarf es, sofern ein solcher besteht, der Zustimmung des Betriebsrats im Rahmen einer Betriebsvereinbarung. Über die Voraussetzungen einer Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit hatte das Arbeitsgericht Stuttgart im folgenden Fall zu entscheiden.
Der Sachverhalt
Die Parteien stritten darüber, ob eine fristlose, hilfsweise fristgerechte Änderungskündigung mit dem Ziel der Ermöglichung von Kurzarbeit sozial gerechtfertigt war. Der Arbeitsvertrag sah die Einführung von Kurzarbeit nicht vor.
Die Arbeitnehmerin war seit 2011 als Personaldisponentin bei einer Leiharbeitsfirma beschäftigt. Am 9. April 2020 bat der Geschäftsführer der Arbeitgeberin die Klägerin telefonisch um die Unterzeichnung einer Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit. Dies lehnte die Arbeitnehmerin ab. Zuvor hatte die zuständige Behörde der Arbeitgeberin bereits ab dem 1. April 2020 die Einführung von Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld für die betroffenen Arbeitnehmer bewilligt.
Am 22. April 2020 sprach die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin gegenüber eine fristlose, hilfsweise fristgerechte Änderungskündigung aus. Sie bot ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der Möglichkeit der Einführung von Kurzarbeit an. Die Arbeitnehmerin nahm die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung der Sozialwidrigkeit der vorgenommenen Änderung an.
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts
Das Arbeitsgericht Stuttgart entschied hier (Urteil vom 22. Oktober 2020 – Az. 11 Ca 2950/20) , dass die fristlose Änderungskündigung in diesem Fall sozial gerechtfertigt sei. Die Einführung von Kurzarbeit in dieser wirtschaftlichen Lage stelle ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Rechtfertigung eines solchen Änderungsangebots dar. Dieses Änderungsangebot musste die Klägerin auch billigerweise hinnehmen, da es verhältnismäßig gewesen sei. Angesichts des auch unmittelbar eingetretenen Arbeitsausfalls bei der Beklagten war ein milderes Mittel als der Ausspruch der außerordentlichen Änderungskündigung nicht ersichtlich.
Da ein Betriebsrat bei der Beklagten nicht bestand und eine individualvertragliche Regelung über die Kurzarbeit wegen der Ablehnung der Klägerin ausschied, blieb nur noch die Möglichkeit einer Änderungskündigung. Hier war sogar eine außerordentliche Änderungskündigung gerechtfertigt, da nach Auffassung des Gerichts, dem Arbeitgeber ein Abwarten bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen sei. Dies gelte hier insbesondere, da die zeitliche Verzögerung durch die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zu einer nicht mehr möglichen sinnvollen Nutzung des Instruments der Kurzarbeit geführt hätte und mildere Mittel als die fristlose Änderungskündigung nicht ersichtlich gewesen seien.
Fazit und Anmerkungen
Die Entscheidung stellt potentiell eine große Entlastung für alle Arbeitgeber in der Coronakrise dar, um Kurzarbeit zu ermöglichen und den Bestand des Unternehmens zu sichern. Sie ist insbesondere für diejenigen Unternehmen relevant, die keinen Betriebsrat haben und die Kurzarbeit mangels einer tariflichen bzw. arbeitsvertraglichen Regelung nicht einseitig anordnen können.
Vorerst hat das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung die Voraussetzung für eine fristlose Änderungskündigung zur Ermöglichung von Kurzarbeit definiert. Der Arbeitgeber muss eine gewisse Ankündigungsfrist für die Einführung der Kurzarbeit einhalten, die sich hier auf drei Wochen belief; die persönlichen Voraussetzungen des Kurzarbeitergeldes nach §§ 95, 96 Sozialgesetzbuch (SGB III) müssen vorliegen; die Einführungsmöglichkeit von Kurzarbeit muss zeitlich begrenzt und alle anderen milderen Mittel müssen ausgeschöpft sein, insbesondere muss der Arbeitgeber zuvor versucht haben, Kurzarbeit durch einvernehmliche Regelung mit der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer einzuführen. Voraussetzung ist auch, dass der Arbeitgeber bei der Bundesagentur Kurzarbeit beantragt hat.
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