ArbG Berlin: Änderungskündigung trotz Home-Office-Möglichkeit
Mit der Corona-Pandemie waren viele Arbeitgeber gezwungen, Möglichkeiten der Telearbeit aus dem Home-Office einzurichten. Diese Entwicklung ist auch im Hinblick auf Kündigungen bei Standortschließungen zu berücksichtigen. Das Arbeitsgericht Berlin hatte einen Fall zu entscheiden, in dem einer Arbeitnehmerin nach der Schließung der Berliner Niederlassung eine Weiterbeschäftigung am Wuppertaler Hauptstandort angeboten worden war, die Klägerin aber geltend machte, ihre Tätigkeit auch aus dem Home-Office erbringen zu können.
Der Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer gegenüber der Arbeitnehmerin ausgesprochenen Änderungskündigung, die diese nicht unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung angenommen hat.
Die Arbeitnehmerin war seit 1992 in der Berliner Niederlassung der in Wuppertal ansässigen Arbeitgeberin als Vertriebsassistentin beschäftigt. Ende 2019 erklärte die Arbeitgeberin die Kündigung des Arbeitsverhältnis und bot der Arbeitnehmerin gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit Arbeitsort in Wuppertal an, sprach also eine Änderungskündigung bzgl. des Arbeitsortes aus. Hintergrund war, dass die Arbeitgeberin die Berliner Niederlassung zum Ende des Jahres 2019 schließen und ihre Geschäftstätigkeit am Hauptsitz in Wuppertal konzentrieren wollte.
Da die Arbeitnehmerin bereits zuvor teilweise im Home-Office tätig war und die Telearbeit generell bei der Arbeitgeberin durch eine Rahmenvereinbarung akzeptiert und die technischen Voraussetzungen hierfür vollständig im Hause der Klägerin eingerichtet waren, macht sie geltend, dass die Änderungskündigung gerade angesichts der Beschäftigungsdauer von gut 27 Jahren unverhältnismäßig gewesen sei. Hinzu kam, dass der Ehemann der Klägerin in anderer Funktion bei der Arbeitgeberin ebenfalls im Home-Office beschäftigt war.
Die Arbeitgeberin wandte hiergegen ein, dass das Home-Office nur Mitarbeitern im Außendienst eröffnet sei und die Arbeitnehmerin ihre vertraglich geschuldete Leistung daher nicht von Zuhause aus erbringen könne.
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts
Das Arbeitsgericht stellte zunächst fest, dass die unternehmerische Entscheidung zur Schließung der Niederlassung nicht vom Gericht zu überprüfen ist – die Arbeitgeberin sich aber bei der Änderung der Arbeitsbedingungen auf das unabdingbare Maß beschränken muss.
Im konkreten Fall bedeutete dies, dass die Arbeitnehmerin ihre Tätigkeit von zu Hause hätte erbringen können. Die Arbeitgeberin habe jedenfalls nicht dargelegt, weshalb die Anwesenheit am Standort in Wuppertal erforderlich sei. Die Arbeitnehmerin war bereits mit der entsprechenden technischen Infrastruktur ausgestattet und die Telearbeit im Haus der Arbeitgeberin bereits durchaus üblich und in einer Kollektivvereinbarung festgehalten. Auch wenn die Arbeitnehmerin keinen generellen Anspruch auf Telearbeit habe, so erscheine die Vorgabe der Arbeitgeberin die Telearbeit auf bestimmte Bereiche zu beschränken, gerade im Hinblick auf die Entwicklungen der Corona-Krise als willkürlich.
Fazit und Anmerkungen
Es zeigt sich, dass die Corona-Pandemie und die daraus entstandenen Möglichkeiten der Tele-arbeit weitreichenden Einfluss auf die Weiterbeschäftigung nach Standortschließungen haben können, wobei aber auch die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Hier lag die Besonderheit darin, dass die Arbeitnehmerin schon vor der Pandemie über die technische Möglichkeit der Telearbeit verfügte.
Generell lässt sich aus dieser Entscheidung ableiten, dass vor einer Änderungskündigung von langzeitig Beschäftigten immer die Alternative der Telearbeit aus dem Home-Office zu berücksichtigen sein wird, gerade wenn solche Möglichkeiten im Unternehmen angeboten oder gar im konkreten Fall eingerichtet sind. Da viele Unternehmen in der Pandemie ihre Unternehmen diesbezüglich umgestellt haben, sind hier weitere Entscheidungen zu erwarten, die die Voraussetzungen für eine Weiterbeschäftigung evtl. erleichtern.
Schon jetzt empfiehlt sich, diese Rechtsprechung und das damit verbundene Risiko beim Ausspruch von Kündigungen im Vorfeld einer geplanten Standortschließung zu berücksichtigen.
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