„Trunkenheitsfahrt im Dienstwagen"
- Kündigung ohne vorherige Abmahnung unwirksam? -
- Kündigung ohne vorherige Abmahnung unwirksam? -
Sachverhalt
Der Mitarbeiter eines Chemieunternehmens, beschäftigt seit 1999, war als „Key-Account-Manager" im Wesentlichen damit betraut, Kunden – im gesamten Bundesgebiet – vor Ort zu besuchen und zu beraten. Gemäß des Stellen- und Anforderungsprofils ist eine gültige Fahrerlaubnis für die Tätigkeitsausübung erforderlich. Entsprechend wurde dem Mitarbeiter – auch für die private Nutzung – ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt. An einem Sonntag verursachte der Mitarbeiter mit dem Dienstwagen einen Verkehrsunfall, indem er unter Alkoholeinfluss (1,8 Promille) mit überhöhter Geschwindigkeit gegen einen Baum fuhr. Die Fahrerlaubnis wurde ihm entzogen und eine Sperrfrist von 12 Monaten verhängt.
In den bei der Arbeitgeberin geltenden Regelungen aus der derzeit gültigen „International Company Car Policy" heißt es: „Mitarbeiter dürfen niemals fahren, wenn sich Alkohol in ihrem Blut befindet. Das Unternehmen hat eine Nulltoleranzhaltung gegenüber dem Fahren unter Einfluss von Alkohol und illegaler Drogen."
Der Mitarbeiter bot seinem Arbeitgeber an, für die berufsbedingten Fahrten auf eigene Kosten ein von einem Fahrer geführtes Kfz oder öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.
Der Arbeitgeber stützte seine außerordentliche fristlose bzw. hilfsweise ordentliche Kündigung darauf, dass der Mitarbeiter wegen des Fahrerlaubnisentzugs die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung nicht erbringen könne.
Die Entscheidung
Die Kündigung war nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts unwirksam. Wegen der außerhalb der Dienstzeit durchgeführten Trunkenheitsfahrt kämen, so das Gericht, grundsätzlich personen- und verhaltensbedingte Kündigungsgründe in Betracht.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis stelle zwar einen Umstand dar, der an sich geeignet sein kann, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung aus personenbedingten Gründen zu rechtfertigen. Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei dies auch dann der Fall, wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis – wie vorliegend – auf einer außerhalb der Arbeitszeit durchgeführten Privatfahrt beruht. Dies gelte jedenfalls dann, wenn das Führen eines Kraftfahrzeugs eine wesentliche Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag darstelle, weil die Haupttätigkeit ohne Nutzung eines Fahrzeugs nicht ausgeübt werden kann.
Dies könne man beim Kläger jedoch nicht ohne weiteres annehmen. Jedenfalls habe die Beklagte nicht substantiiert darlegen können, dass der Kläger ohne Dienstwagen – z.B. bei alternativer Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel – seinen hauptvertraglichen Pflichten nicht mehr nachkommen könne.
Im Übrigen hätte die Beklagte das Angebot des Klägers, für die Wahrnehmung von berufsbedingten Fahrten auf eigene Kosten einen Fahrer zu beschäftigen, als milderes Mittel im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes berücksichtigen müssen. Ebenso wenig habe sie erwogen, dem Kläger eine (vorübergehende) anderweitige Beschäftigung zu geänderten Bedingungen anzubieten.
Auch unter dem Gesichtspunkt einer schuldhaften Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten habe die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst.
Das Führen eines Dienstwagens unter erheblichem Alkoholeinfluss stelle zwar eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar. Eine außerordentliche Kündigung komme jedoch nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Vorliegend sei dem Arbeitgeber eine vorherige Abmahnung jedoch zumutbar gewesen. Die Gefahr einer Wiederholung trotz Abmahnung sei gering. Dafür spräche die lange Betriebszugehörigkeit des Klägers, ohne dass Vergleichbares jemals vorgefallen sei. Im Übrigen habe sich der Kläger nach dem Vorfall mit psychologischer Unterstützung mit dem Problem und den Ursachen des eigenen Alkoholkonsums auseinandergesetzt.
Praxishinweis
Das Führen eines Dienstwagens unter erheblichem Alkoholeinfluss kann auch dann eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten darstellen, wenn dies außerhalb der Arbeitszeit geschieht. Eine verhaltensbedingte ordentliche, aber auch außerordentliche Kündigung wegen einer solchen Vertragspflichtverletzung setzten jedoch regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch durch eine Abmahnung nicht erreicht werden kann.
Auch eine personenbedingte Kündigung kommt grundsätzlich in Betracht, wenn wesentliche Voraussetzung für die Tätigkeitsausübung der Besitz einer Fahrerlaubnis ist, wie es sicherlich bei LKW Fahrern einer Spedition der Fall ist. Dies ist bei einem Außendienstmitarbeiter jedoch nicht ohne weiteres der Fall, wenn dieser die Kunden auch durch Bahn und Bus erreichen kann, oder der Mitarbeiter gar den Einsatz eines privaten Fahrers anbietet. Jedenfalls ohne eine Prüfung dieser Möglichkeit – und ob dann das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden kann – lässt sich eine personenbedingte Kündigung nicht rechtfertigen. Zu Gunsten eines Mitarbeiters ist – wie immer in diesen Fällen – natürlich auch die Länge der Beschäftigung zu berücksichtigen sowie der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis bisher „beanstandungsfrei" verlief.
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