„Mein Briefkasten war leer" – Beweisfragen bei per Einschreiben übermittelten Kündigungen
Hintergrund
Gerade in der „Home-Office"-geprägten Pandemiezeit werden Kündigungen häufig nicht persönlich übergeben, sondern über den Postweg zugestellt.
Unzweifelhaft damit einher geht das arbeitgeberseitige Risiko, dass es beim Zustellungsvorgang zu Fehlern kommen kann und die Kündigung dementsprechend dem Arbeitnehmer nicht zugeht.
Für einen Zugang der Kündigung i.S.d. §130 Abs. 1 BGB reicht es grundsätzlich aus, dass sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt und für diesen unter gewöhnlichen Umständen die Möglichkeit besteht, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist.
Wird der Zugang einer Kündigung jedoch in einem Rechtsstreit bestritten, so muss sich die Entscheidung nach den prozessualen Grundsätzen des Beweisrechts richten.
In arbeitsgerichtlichen Verfahren trägt der Arbeitgeber regelmäßig die Darlegungs- und Beweislast nicht nur für die Umstände, die die Kündigung begründen, sondern auch für deren Zugang. In dem zuvor angesprochenen Verfahren hatte das Arbeitsgericht Gera zu beurteilen, ob der beklagte Arbeitgeber insoweit von einer Beweiserleichterung profitieren konnte, da sich die Zustellung per Einwurfeinschreiben nach typischen, der Lebenserfahrung nach zu erwartenden Geschehensabläufen vollzog (sog. „Anscheinsbeweis" oder Beweis des ersten Anscheins).
Sachverhalt
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 20. April 2020 als Personalreferent beschäftigt. Die Parteien vereinbarten eine Probezeit von sechs Wochen und im Anschluss hieran eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende.
Der Kläger war in der Zeit vom 15. Juni 2020 bis zum 29. Juli 2020 arbeitsunfähig erkrankt. Im Anschluss daran nahm der Kläger die Arbeit nicht wieder auf. Mit Schreiben vom 16.September 2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Oktober 2020.
Hiergegen richtet sich die vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage. Der Kläger behauptete, das Original der Kündigung niemals erhalten zu haben und meint, die streitgegenständliche Kündigung sei im Übrigen sozialwidrig. Zwar sei er während des Arbeitsverhältnisses umgezogen, doch habe er sämtliche sonstige Post erhalten.
Die Entscheidung
Das Arbeitsgericht Gera hielt den Zugang der Kündigung für schlüssig dargelegt und wies die Klage ab. Der Arbeitgeber habe den Vollbeweis des Zugangs einer Kündigung unter Abwesenden zu führen.
Aufgrund der vorgelegten Dokumente zum Einwurf-Einschreiben sei jedoch davon auszugehen, dass der von der Post übernommene Auftrag des beklagten Arbeitgebers, dem Kläger die Sendung als Einwurf-Einschreiben zuzustellen, ordnungsgemäß durchgeführt worden sei.
So seien auf dem Einlieferungsbeleg Einlieferungsdatum und -uhrzeit vermerkt. Auf dem Auslieferungsbeleg sei dieselbe Sendungsnummer wie auf dem Einlieferungsbeleg verzeichnet. Zudem habe der Bedienstete der Post dort handschriftlich unterzeichnet. Ohne Anhaltspunkte dafür, dass es bei der Auslieferung zu einem Fehler oder einem Fehlverhalten des Zustellers gekommen sei, gebe es auch keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, dass die Sendung tatsächlich ausgeliefert worden sei. Der bloße Hinweis des Klägers, eine Kündigung nicht erhalten zu haben, sei unerheblich.
Der Kläger habe den Anscheinsbeweis auch nicht erschüttert, da er sich nicht näher dazu eingelassen habe, warum das streitgegenständliche Schreiben nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei.
Praxishinweis
Der Zugang von Kündigungen wird durch Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess regelmäßig bestritten. Arbeitgeber müssen insoweit aufpassen, da ein diesbezüglich unzureichender Vortrag oder fehlender Beweisantritt ein klagestattgebendes Urteil nach sich ziehen kann.
Mit der Vorlage eines Einlieferungsbelegs und der Reproduktion eines Auslieferungsbelegs - so das Arbeitsgericht Gera – könne jedoch auf die ordnungsgemäße Durchführung des Zustellungsverfahrens geschlossen werden. Der Arbeitnehmer könne sodann den Zugang nicht einfach bestreiten.
Mit der Entscheidung scheint sich ein Trend in der Rechtsprechung fortzusetzen, wonach ein Anscheinsbeweis für den Zugang bei Verwendung eines Einwurf-Einschreibens zunehmend bejaht wird.
Arbeitgeber sind jedoch weiterhin gut beraten, zumindest vorsorglich über die Vorlage der Zustellbelege umfangreich und detailliert vorzutragen sowie entsprechende Beweise anzubieten. Dazu gehört auch, dass Mitarbeiter als Zeugen das Einlegen des Kündigungsschreibens in den Umschlag bestätigen können.
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