Höchstbetrag bei Sozialplanabfindung
Funktion des Sozialplans
Sozialpläne werden zwischen den Betriebsparteien regelmäßig dann vereinbart bzw. festgesetzt, wenn in einem Betrieb Änderungen eintreten, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können. Nicht selten geht es dabei um Maßnahmen, die den Verlust des Arbeitsplatzes für eine Vielzahl von Mitarbeitern bewirken. Betroffene Mitarbeiter erhalten dann Abfindungen nach Maßgabe eines Sozialplans, dessen Vereinbarung das Bestehen eines Betriebsrats voraussetzt.
Sozialpläne haben typischerweise eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Arbeitnehmer sollen in der Phase bis zum Finden eines neuen Arbeitsplatzes wirtschaftlich zusätzlich gesichert werden. Auch der Verlust ihres sogenannten Besitzstandes soll ausgeglichen werden. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen, im Wesentlichen Abfindungen, sind kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste, also keinen Treuebonus o. ä..
In der Regel enthalten Sozialpläne Regelungen, die für eine Abfindung des Arbeitnehmers einen Höchstbetrag vorsehen. Ziel solcher Regelungen ist es regelmäßig, ein gerade in der wirtschaftlichen Krise begrenzt zur Verfügung stehendes Sozialplanvolumen angemessen auf alle Betroffenen zu verteilen (Verteilungsgerechtigkeit). Typischerweise ist es so, dass die für eine Abfindung zu Grunde zu legende Formel die Jahre der Betriebszugehörigkeit sowie das Lebensalter berücksichtigt. Je älter und je länger der Mitarbeiter im Betrieb ist, desto höher die Abfindung. Dies kann, gerade wenn ein Höchstbetrag nicht vereinbart ist, – zu Lasten von „betriebsjüngeren“ Mitarbeitern – zu Leistungen führen, die über das hinausgehen, was für eine „Überbrückung“ notwendig ist.
Bei der Ausgestaltung solcher Regelungen, also gerade bei den Bemessungskriterien für Abfindungen, haben die Betriebsparteien die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu beachten, insbesondere den Grundsatz der Gleichbehandlung. Eine Benachteiligung wegen des Lebensalters muss damit durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein.
Sachverhalt
Um die Frage der Höhe einer Sozialplanabfindung im Zuge einer Betriebsstillegung ging es unter dem Aspekt der Gleichbehandlung in diesem Rechtsstreit.
Der 1972 geborene, zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtete Arbeitnehmer, war vom 1. August 1994 bis 31. Juli 2019 beim Arbeitgeber beschäftigt. Seine Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt EUR 7.795. Der auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhende Sozialplan vom 4. Januar 2019 sah u.a. vor, dass alle anspruchsberechtigten Arbeitnehmer eine Grundabfindung nach der Formel „Bruttomonatsentgelt x Betriebszugehörigkeit x 1,45“ sowie einen Steigerungsbetrag für unterhaltsberechtigte Kinder erhalten.
Der Gesamtbetrag der Grundabfindung pro Arbeitnehmer war nach dem Sozialplan auf EUR 230.000 brutto begrenzt. Der Arbeitgeber zahlte dem Arbeitnehmer eine Abfindung von insgesamt EUR 238.000, bestehend aus dem Höchstbetrag der Grundabfindung sowie einem Zusatzbeitrag für zwei Kinder und einer Zahlung aus einem Härtefallfonds. Die Grundabfindung des Klägers war durch den Höchstbetrag gekappt. Nach der Formel – ohne Kappung – hätte er einen erheblich höheren Betrag erhalten. Von der Kappung waren Zusatzbeträge für Kinder nicht betroffen.
Nachdem der Arbeitnehmer außergerichtlich eine nicht nach der Höhe begrenzte Sozialplanabfindung gefordert hatte, erhob die Arbeitgeberin Klage, um feststellen zu lassen, dass ein derartiger Anspruch nicht besteht. Das Arbeitsgericht Darmstadt gab der Klage statt. Vor dem Landesarbeitsgericht Hessen blieb der Arbeitnehmer erfolglos, so dass er vor dem BAG sein Zahlungsbegehren weiter verfolgte.
Die Entscheidung
Das BAG schloss sich den Vorinstanzen an und wies die Klage bezüglich höherer Abfindungszahlungen zurück.
Die Höchstbetragsregelung im Sozialplan verstoße nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG. Die Vorschrift knüpfe an kein bestimmtes Alter an und könne daher auch keine unmittelbare Diskriminierung älterer Arbeitnehmer darstellen.
Eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters sei jedoch gegeben, da hier typischerweise ältere Mitarbeiter mit längerer Betriebszugehörigkeit höhere Abfindungen erhielten, die der Kappung unterlagen. Die Begrenzung der Grundabfindung im Sozialplan sei jedoch gerechtfertigt. Mit Festlegung einer Höchstabfindung solle ersichtlich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die für den Sozialplan zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel limitiert seien. Die Regelung bezwecke daher, Verteilungsgerechtigkeit herzustellen, damit möglichst allen vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmern eine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe gewährt werden kann. Das Volumen soll auch nicht jüngere Mitarbeiter benachteiligen.
Die Höchstbetragsregelung sei zudem auch geeignet, erforderlich und angemessen, das Ziel der Verteilungsgerechtigkeit zu erreichen. Die Unangemessenheit der Höchstbetragsregelung folge auch nicht daraus, dass sich eine längere Betriebszugehörigkeit bei höherem Bruttomonatsgehalt schon zu einem früheren Zeitpunkt nicht mehr abfindungserhöhend auswirke als bei einem geringeren Einkommen. Die Einigungsstelle könne bei der Festsetzung der Beträge eine pauschalierende und typisierende Bewertung vornehmen und dabei auch berücksichtigen, dass ein höheres Einkommen mehr Möglichkeiten zur Eigenvorsorge für den Fall einer Arbeitslosigkeit biete.
Praxishinweis
Die Entscheidung des Senats bestätigte die bisherige Rechtsprechung zu Höchstbetragsregelungen. Solche sind zulässig, wenn die verbleibende Abfindung die mit dem Verlust des Arbeitsplatzes einhergehenden Nachteile substantiell mildern kann. Nicht erforderlich ist, dass ältere Arbeitnehmer mit der Abfindung den Zeitraum bis zum Renteneintritt überbrücken können. Von der Kappungsgrenze sollten nicht Steigerungsbeträge wie für Kinder erfasst sein.
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