Versetzung ins Ausland
Der Sachverhalt
Der Kläger wurde seit Januar 2018 bei der Beklagten als Pilot auf deren Basis in Nürnberg beschäftigt. In seinem Arbeitsvertrag war die Geltung irischen Rechts und ein Jahresgehalt von EUR 75.325 vereinbart. Aufgrund eines von der Beklagten mit der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC), deren Mitglied der Kläger ist, geschlossenen Vergütungstarifvertrags verdiente er zuletzt EUR 11.726 monatlich. Stationierungsort des Klägers war die Basis von Ryan Air am Flughafen Nürnberg. Eine Stationierung an einen anderen Ort war jedoch arbeitsvertraglich möglich. Aufgrund der Entscheidung, die Basis am Flughafen Nürnberg Ende März 2020 aufzugeben, berief sich die Arbeitgeberin auf ihr Direktionsrecht und versetzte den Kläger mit Schreiben zum 30. April 2020 an ihre Basis am Flughafen Bologna. Vorsorglich sprach sie eine entsprechende Änderungskündigung aus, die der Kläger unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung annahm. Der Kläger hielt seine Versetzung nach Bologna für unwirksam und meinte im Wesentlichen, das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO erfasse eine Versetzung ins Ausland nicht. Für den Kläger bedeutete dies auch den Verlust seines höheren Tarifgehalts, da der Tarifvertrag in seiner Geltung auf das Inland begrenzt war, so dass sein Gehalt auf das arbeitsvertraglich geschuldete zurückfiel.
Die Entscheidung
Die Erfurter Richter gaben der Beklagten recht und wiesen die gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichtes Nürnberg eingelegte Revision des Klägers ab. Die Versetzung des Klägers an die Basis der Beklagten am Flughafen Bologna sei nach § 106 Satz 1 GewO wirksam.
Das Gericht führte zur Begründung aus, wobei derzeit nur eine Pressemitteilung vorliegt, dass wenn, wie im Streitfall, ein bestimmter inländischer Arbeitsort nicht fest vereinbart sei, sondern ausdrücklich eine unternehmensweite Versetzungsmöglichkeit vorgesehen sei, das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO auch die Versetzung an einen ausländischen Arbeitsort umfasse. In diesem Fall betrieb die Vertragsarbeitsgeberin des Klägers den Flugbetrieb an verschiedenen Flughäfen in Europa. Eine Begrenzung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die der Maßnahme zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung, die Homebase am Flughafen Nürnberg vollständig aufzugeben, halte einer Ermessenskontrolle stand. Die Möglichkeit, den Kläger dort zu stationieren, sei dadurch entfallen. Da die Beklagte auch nicht über weitere offenen Stellen an einem anderen inländischen Stationierungsort verfüge und überdies das Verfahren des mit der Gewerkschaft geschlossenen Tarifsozialplan eingehalten habe, sei die Maßnahme auch nicht zu beanstanden. Die sich daraus ergebende Konsequenz, dass der Kläger den Anspruch auf das höhere tarifliche Entgelt verliere, müsse er hinnehmen, da der Vergütungstarif auf die in Deutschland stationierten Piloten beschränkt sei. Zudem sehe der Tarifsozialplan vor, dass Piloten, die an einen ausländischen Stationierungsort verlegt werden, zu den dort geltenden Arbeitsbedingungen, insbesondere den dortigen Tarifgehältern, weiterbeschäftigt werden würden.
Auch weitere, sich aus der Versetzung ergebende Nachteile für den Kläger, wie eine fehlende Kompensation für die Aufgabe der Wohnung am Standort in Nürnberg, seien nicht unbillig, da dies im Sozialplan so vorgesehen sei.
Praxishinweis
Wie ist diese Entscheidung einzuschätzen? Droht nun Mitarbeitenden in international tätigen Unternehmen, falls ihr Arbeitsvertrag keinen Ausschluss oder Beschränkung des örtlichen Versetzungsrechts vorsieht, die kurzfristige Versetzung ins Ausland? Kann auf diesem Weg Druck auf Arbeitnehmer ausgeübt werden mit dem Ziel, diese zum Verlassen des Unternehmens zu „motivieren“? Dieser Rückschluss wäre vermutlich zu weitgehend. Zum einen ist für diesen Weg Voraussetzung, dass das Unternehmen, also der Vertragsarbeitgeber, einen Arbeitsplatz am Standort im Ausland hat. Ist der Arbeitgeber eine deutsche GmbH, die ausgewählte Arbeitsstätte eine solche einer italienischen Konzerngesellschaft, so ist diese Einheit kein Arbeitsplatz der GmbH, es sei denn der Arbeitnehmer wird zu dieser entsandt, wobei diese Entsendungsvereinbarung der Zustimmung bedarf, da sich nicht nur der Arbeitsort, sondern auch das fachliche Weisungsrecht auf den ausländischen Arbeitgeber verschieben wird. Zum anderen gibt es eine Missbrauchskontrolle. Wenn die Versetzung im Gesamtzusammenhang als „Maßregelung“ eines einzelnen Mitarbeiters im Umfeld eines Konflikts erscheint, liegt hier ein Missbrauch nicht ganz fern. Dies war hier nicht der Fall. Es handelte sich um eine Entscheidung, die alle Mitarbeiter der Basis gleichermaßen betraf und auch unternehmerisch umgesetzt wurde. Hinzu kam hier für den Arbeitnehmer, dass sein Gehalt in Deutschland in dieser Höhe nur wegen wechselseitiger Tarifbindung gezahlt wurde, also nicht individualvertraglich vereinbart war. Wäre das Gehalt auch individualvertraglich vereinbart gewesen, hätte der Vertrag nicht diese finanzielle Konsequenz gehabt.
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