Schlechtreden ehemaliger Mitarbeiter - erlaubt?
Einordnung
Arbeitszeugnisse haben in der Regel eine begrenzte Aussagekraft über das Verhalten und die Leistungen des Arbeitnehmers. Oftmals werden sie mit einer entsprechend guten Benotung als Gefälligkeit ausgestellt oder als Verhandlungsmasse im Rahmen rechtlicher Auseinandersetzungen erstritten. Nicht selten greifen einstellende Arbeitgeber deshalb zum Telefon, um sich bei dem Vor-Arbeitgeber eines Bewerbers über dessen Leistung zu erkundigen. Es begegnet keine Bedenken, wenn ein solches Gespräch mit dem Einverständnis des Bewerbers geführt wird. Liegt ein solches nicht vor, ist der Vorarbeitgeber bei solchen Gesprächen gut beraten, Vorsicht walten zu lassen, da die Auskünfte – eventuell über das Zeugnis hinaus – unzulässig in das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers eingreifen können. Umso mehr gilt dies, wenn ehemalige Arbeitgeber sich gezielt beim neuen Arbeitgeber eines Mitarbeiters melden, um ungefragt Informationen zu übermitteln, z.B. weil das bisherige Arbeitsverhältnis im Streit geendet ist, der Mitarbeiter ggf. „schlecht geredet“ werden soll.
Im Rahmen dieser informellen telefonischen Gespräche machen sich die Beteiligten wenig Gedanken zu der Frage, ob sie eigentlich Auskünfte über ehemalige Mitarbeiter erteilen dürfen?
Hierzu hatte das LAG in der hier berichteten Entscheidung Stellung zu beziehen.
Sachverhalt
Die klagende ehemalige Mitarbeiterin war in der Zeit von Februar bis Mai 2021 als "Leitende Fachkraft Gesundheitswesen" für den "Geschäftsbereich Alltagspaten" bei der beklagten Pflegeeinrichtung beschäftigt. Nachdem sie zum 31. Mai 2021 gekündigt hatte, kam es zu Auseinandersetzungen in finanziellen Fragen mit der Beklagten und einer nachträglichen Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen angeblicher Täuschung mittels nicht zutreffender Bewerbungsunterlagen.
Bereits am 1. Juni 2021, dem ersten Arbeitstag, rief der Geschäftsführer der Beklagten bei der neuen Arbeitgeberin der Klägerin an und erklärte, der Lebenslauf der Klägerin habe bei der Anbahnung des Arbeitsverhältnisses der Parteien eine unwahre Angabe über ihren Beschäftigungsstatus ab dem 30. September 2020 enthalten. Des Weiteren wurde erklärt, die Klägerin sei nicht fähig gewesen, selbst einen Dienstplan zu erstellen und habe dabei fremder Hilfe durch ihren Ehemann bedurft, wobei sie einen schwerwiegenden Datenschutzverstoß begangen habe, indem sie vertrauliche Daten an einen Dritten übersandt habe. Zudem gab er an, die Klägerin habe andere Mitarbeiterinnen angewiesen, Pflegeleistungen im rechtlichen Sinne zu erbringen, wozu diese mangels Qualifikation nicht berechtigt waren. Schließlich sei die Klägerin mehrere Nachmittage unentschuldigt von der Arbeit ferngeblieben und habe sich privaten Angelegenheiten gewidmet. Das Arbeitsgericht Kaiserslautern gab der daraufhin von der Klägerin erhobenen Unterlassungsklage weitestgehend statt.
Entscheidung
Wie schon die Vorinstanz bestätigte das LAG den Unterlassungsanspruch der Klägerin.
Die Klage sei begründet, da der Klägerin ein Unterlassungsanspruch nach §§ 1004, 823 Absatz 1 BGB in Verbindung mit Artikel 1, 2 GG zustehe.
Zwar seien Arbeitgeber nicht grundsätzlich daran gehindert, Auskünfte über die Leistung und das Verhalten der Beschäftigten während des Arbeitsverhältnisses zu erteilen. Dies könne auch unabhängig von einem Einverständnis des ausgeschiedenen Mitarbeitenden gelten, vorausgesetzt es gehe darum, andere Arbeitgeber in ihrer berechtigten Interessenswahrung zu unterstützen. Vor einer Weitergabe müsse jedoch immer eine Abwägung im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters erfolgen. Dieses umfasse auch den Schutz vor der Offenlegung personenbezogener Daten, auch wenn der Arbeitgeber von ihnen in zulässiger Weise Kenntnis erlangt habe. Das LAG attestierte dem früheren Arbeitgeber ein „erweitertes Verantwortungsverständnis“ und erklärte das hier an den Tag gelegte Verhalten für unzulässig.
Die Beklagte habe das Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Auch wenn man unterstelle, dass die Vorwürfe richtig seien, habe sie kein überwiegendes Interesse an der Weitergabe der Informationen gehabt. Denn die angeblich falschen Angaben im Lebenslauf seien gerade keine Auskünfte über Leistung oder Verhalten im Arbeitsverhältnis. Die Vorwürfe wegen Datenverstoß und unentschuldigtem Fehlen seien während des Arbeitsverhältnisses nie zur Sprache gekommen oder abgemahnt worden. Insofern müsse davon ausgegangen werden, dass die Weitergabe insbesondere deshalb erfolgte, um der Klägerin einen Schaden zuzufügen. Dafür spräche auch der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Ende des Arbeitsverhältnisses und den Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten am ersten Arbeitstag bei der neuen Arbeitgeberin.
Praxishinweis
Die Entscheidung des LAG macht deutlich, dass Arbeitgeber grundsätzlich nicht berechtigt sind, uneingeschränkt Informationen über ehemalige Mitarbeiter zu erteilen, zumal nicht unaufgefordert und in der erkennbaren Absicht, den vormaligen Mitarbeiter zu schädigen.
Das berechtigte Interesse an der Weitergabe erstreckt sich üblicherweise auf Informationen über die Leistung und das Verhalten des in Rede stehenden Arbeitnehmers während des Arbeitsverhältnisses. Dabei hat sich der Arbeitgeber an zeugnisrechtliche Grundsätze zu halten. Die Herausgabe von Arbeitsbedingungen oder das Teilen der Personalakte ist nicht gestattet. Neben Unterlassungsansprüchen – wie im vorliegend vom LAG entschiedenen Fall – können auch Schadensersatzansprüche gerechtfertigt sein, wenn der ehemalige Arbeitgeber unberechtigterweise Informationen über ehemalige Mitarbeiter preisgibt – insbesondere diese sogar inhaltlich zutreffend sind und der Mitarbeiter daraufhin seine Arbeit verliert oder die Bewerbung deswegen keinen Erfolg hat.
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