Kein endloses Widerspruchsrecht nach Betriebsübergang
Wenn ein Betrieb oder ein Betriebsteil – im Wege eines Asset Deals – auf einen anderen Inhaber übergeht (Betriebsübergang) haben die Arbeitnehmer das Recht, Widerspruch einzulegen, da niemandem ein neuer Vertragsarbeitgeber „aufgezwungen" werden kann. Folge ist, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht übergeht, sondern mit dem bisherigen Arbeitgeber fortbesteht. Dieser Widerspruch ist innerhalb einer Frist von einem Monat ab Zugang der Unterrichtung über den Betriebsübergang zu erheben.
Die Unterrichtung über den Betriebsübergang erfolgt durch den ehemaligen Arbeitgeber oder durch den Übernehmer. Ihr Inhalt muss den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB, insbesondere den hohen Anforderungen, die die Rechtsprechung an sie stellt, entsprechen. Ist die Unterrichtung unrichtig oder unvollständig, beginnt die Widerspruchsfrist nicht zu laufen. Kann dann das Widerspruchsrecht „ewig" bestehen?
Allerdings kann das Recht der Arbeitnehmer zum Widerspruch verwirken. Eine Verwirkung liegt nach Rechtsprechung des BAG dann vor, wenn der Betriebsübergang schon lange Zeit zurück liegt (Zeitmoment) und wenn der Arbeitnehmer dem Übernehmer und/oder dem alten Arbeitgeber signalisiert hat, dass er nicht mehr zum alten Arbeitgeber zurückkehren möchte (Umstandsmoment).
Wie es sich verhält, wenn ein Arbeitnehmer keine klaren Dispositionen über sein Arbeitsverhältnis getroffen hat, hingegen erst acht Jahre und zehn Monate nach dem Betriebsübergang diesem widerspricht, beschäftigte das LAG Hamburg, Urteil vom 7. Oktober 2016, Az. 6 Sa 21/16.
Sachverhalt
Der Kläger war zunächst bei der Beklagten beschäftigt. Durch einen Teilbetriebsübergang zum 1. Januar 2006 trat der Übernehmer fortan als Arbeitgeber in das Arbeitsverhältnis ein. Vor dem Betriebsübergang wurden die Arbeitnehmer des Betriebes durch ein Informationsschreiben über den bevorstehenden Betriebsübergang unterrichtet. Das Informationsschreiben enthielt weder Angaben zu Sitz, Anschrift, Registergericht und Registernummer der übernehmenden Gesellschaft noch zu den haftungsrechtlichen Folgen des Betriebsübergangs, war von daher lückenhaft.
Der Kläger arbeitete in dem Betrieb der Übernehmerin und wurde zwischenzeitlich an einem anderen Standort der Übernehmerin versetzt. Nach Ablauf von acht Jahren und zehn Monaten legte der Kläger Widerspruch gegen den Betriebsübergang ein und erhob gegenüber seinem (ehemaligen) Arbeitgeber Klage auf Feststellung des Fortbestandes ihres Arbeitsverhältnisses.
Das Arbeitsgericht Hamburg gab der Klage statt, denn es hielt das Informationsschreiben für unvollständig und war der Ansicht, dass das Widerspruchsrecht nicht verwirkt sei, da der Kläger nicht signalisiert habe, nicht zu seinem alten Arbeitgeber zurückkehren zu wollen, es also an dem Umstandsmoment fehle.
Entscheidungsgründe
Das LAG Hamburg hingegen entschied auf Berufung der Beklagten, dass die Widerspruchsfrist zwar nicht in Gang gesetzt worden sei, da nur die vollständige und richtige Unterrichtung die Widerspruchsfrist in Gang setzte.
Doch hatte der Kläger sein Widerspruchsrecht zum Zeitpunkt der Ausübung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwirkt. Indem so viel Zeit seit dem Betriebsübergang verstrichen sei, seien die Anforderungen an das Umstandsmoment gesunken. Das LAG ließ genügen, dass der Kläger einer Versetzung Folge leistete, die für den Kläger mit einem Umzug verbunden war. Indem der Kläger seine gesamten persönlichen Lebensumstände verändert hatte, um das Arbeitsverhältnis mit der Übernehmerin fortzusetzen, habe er sich in nach außen sichtbarer Weise zu diesem Arbeitsverhältnis bekannt, so das LAG. Wegen dieses Verhaltens durfte die Übernehmerin darauf vertrauen, dass der Kläger keinen Widerspruch gegen den Betriebsübergang mehr erklären würde.
Der Kläger hat gegen das Urteil des LAG Hamburg Revision eingelegt, sodass die Entscheidung des BAG abzuwarten bleibt.
Praxistipp
Auch wenn das LAG vorliegend zu Gunsten des ehemaligen Arbeitgebers entschieden hat, verdeutlicht der Sachverhalt, dass im Falle eines Betriebsübergangs unbedingt die durch die Rechtsprechung entwickelten Vorgaben hinsichtlich der Unterrichtung der Arbeitnehmer zu beachten sind. Gerade in komplexeren Zusammenhängen, die Fortbestand von Kollektivvereinbarungen, Altersversorgungen u.Ä. betreffen, ist die Abfassung eines solchen Schreibens kaum ohne fachliche Unterstützung möglich.
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