Unwirksame Befristung im Falle der Krankheitsvertretung
Rechtlicher Hintergrund
Arbeitsverträge dürfen nur nach den Voraussetzungen des Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) befristet werden. Danach ist eine Befristung des Arbeitsvertrages insbesondere zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein solcher sachlicher Grund kann gegeben sein, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Ein so befristeter Vertrag endet mit Erreichen des Zwecks, aber frühestens zwei Wochen nach Unterrichtung des Arbeitnehmers über die Zweckerreichung. Ist die Befristung dagegen rechtsunwirksam, gilt der Arbeitsvertrag als unbestimmte Zeit geschlossen.
Sachverhalt
Die klagende Arbeitnehmerin wurde ab 1. August 2021 bei der Beklagten als teilzeitbeschäftigte Erzieherin „als Vertretungskraft für die im Krankenstand befindliche Beschäftigte Frau J.“ angestellt.
Im Oktober 2021 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass Frau J. am 25. Oktober 2021 ihre Arbeit wieder aufnehmen werde und damit die auflösende Bedingung des befristeten Arbeitsverhältnisses eintrete. Gleichzeitig wurde der Klägerin mitgeteilt, dass zwei Wochen nach Zugang des Schreibens ihr Arbeitsverhältnis ende. Das Schreiben ging der Klägerin am 23. Oktober 2021 zu. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses sollte damit zum 6. November 2021 eintreten.
Dagegen richtete sich die Klägerin mit ihrer Klage. Sie begehrte die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht beendet sei, sondern als unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 6. November hinaus fortbestehe. Dies begründete sie damit, dass die Beklagte bereits bei der Anstellung davon ausgegangen sei, dass eine Rückkehr von Frau J. nicht mehr abzusehen sei. Schließlich sei ihr bereits in einem Telefonat vor dem Vorstellungsgespräch mitgeteilt worden, dass Frau J. an einer Krebserkrankung leide und vermutlich ihre Tätigkeit nicht mehr aufnehmen werde. Außerdem vermutete die Klägerin eine „Absprache“ zwischen Frau J. und der Beklagten. Schließlich habe Frau J. initiiert durch die Beklagte ab dem 25. Oktober 2021 Urlaub genommen und dann zum 30. November 2021 wegen Renteneintritts gekündigt.
Die Entscheidung
Das ArbG Erfurt wies die Klage als unbegründet zurück. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien habe auf Grund der Zweckerreichung nach schriftlicher Unterrichtung der Klägerin am 6. November 2021 geendet.
Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses sei für die Vertretung eines arbeitsunfähig erkrankten Mitarbeiters grundsätzlich möglich. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sei die „Arbeitsunfähigkeits-Vertretung“ nur in „Extrem-Fällen“ rechtsunwirksam. Dabei nimmt das ArbG Erfurt Bezug auf die Urteile des BAG aus den Jahren 2001 und 2002. Nach diesen Urteilen könne der Arbeitgeber regelmäßig von einer Rückkehr des erkrankten Arbeitnehmers ausgehen. Dies könne er nur dann nicht, wenn er wisse, dass der Vertretene nicht auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren werde oder aufgrund besonderer Umstände daran erhebliche Zweifel bestünden.
Vorliegend hätten bei der Beklagten bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages keine positive Kenntnis oder erhebliche Zweifel im Hinblick auf die Rückkehr der Mitarbeiterin Frau J. festgestellt werden können. Etwaige Vermutungen seien mit einer positiven Kenntnis oder hohen Wahrscheinlichkeit der nicht erfolgenden Rückkehr der Mitarbeiterin nicht gleichzusetzen. Dementsprechend sei die Befristung des Arbeitsverhältnis rechtmäßig gewesen. Die Befristung sei somit nicht unwirksam und das Arbeitsverhältnis der befristet Beschäftigten habe sich nicht zu einem unbefristeten gewandelt. Im Ergebnis sei durch das Ende der Arbeitsunfähigkeit der Vertreterin der Sachgrund der Befristung, nämlich die Vertretung für die Dauer der Erkrankung weggefallen, sodass der Zweck erreicht und daher das Arbeitsverhältnis beendet sei.
Praxishinweis
Bei einer Befristung eines Arbeitsvertrags gibt es einiges zu beachten. Bei einer Zweckbefristung zur Krankheitsvertretung genügt es für die Zulässigkeit der Befristung, dass der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Befristung im Rahmen einer Prognoseentscheidung davon ausgehen kann, der erkrankte Arbeitnehmer werde zurückkehren. Bei dieser Prognoseentscheidung hat der Arbeitgeber jedoch alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dazu gehören nicht nur etwaige Erklärungen der zu vertretenden Stammkraft über ihre Rückkehrabsichten, sondern insbesondere auch die Planungs- und Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers. Außerdem besteht eine Vermutung dafür, dass die Prognoseentscheidung des Arbeitgebers auch tatsächlich richtig war, wenn der Stammarbeitnehmer später tatsächlich an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt. Vorliegend genügte dem ArbG Erfurt, dass die Arbeitsunfähigkeit von Frau J. tatsächlich endete und eine Eigenkündigung, also nicht Erwerbsunfähigkeit, für einen vorzeitigen Renteneintritt tatsächlich notwendig war.
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