Bundesgerichtshof erklärt Bankenbearbeitungsentgelte in AGB für Darlehen auch im B2B-Bereich für unwirksam – hohe Rückforderungsansprüche möglich
2. Begründung des BGH
Mit seinen aktuellen Urteilen vom 4. Juli 2017 (Az. XI ZR 562/15 und XI ZR 233/16), hat der BGH also klargestellt, dass auch bei Darlehensverträgen zwischen Kreditinstituten und Unternehmern kein laufzeitunabhängiges Bearbeitungsentgelt formularmäßig vereinbart werden darf und entsprechende Klauseln unwirksam sind.
Laut der beiden jüngsten BGH Urteile ist das entscheidende Argument, wie auch schon in den älteren Urteilen im Zusammenhang mit Verbraucherdarlehen, dass Kosten für ein Darlehen nach dem gesetzlichen Leitbild nur laufzeitabhängig erhoben werden dürfen, wie Zinsen. Ein Bearbeitungsentgelt in Form einer einmaligen, laufzeitunabhängigen Pauschalzahlung widerspricht diesem Leitbild. Nach dem BGH müssen Banken daher ihre Kosten für die Kreditbearbeitung und -auszahlung mit dem laufzeitabhängigen Zins decken und können daneben grundsätzlich nicht auch noch formularmäßig ein laufzeitunabhängiges Bearbeitungsentgelt verlangen. Nach den Ausführungen des BGH sind Unternehmer vor einer einseitigen Gestaltungsmacht seitens der Banken genauso schutzbedürftig wie Verbraucher.
3. Unter welchen Umständen dürfen jetzt noch Gebühren erhoben werden?
Neben dem Zins dürfen zusätzliche Gebühren, Entgelte o.ä. Leistungen, unabhängig von ihrer Bezeichnung, den Darlehensnehmern gemäß der Rechtsprechung des BGH künftig nur dann abverlangt werden, wenn sie entweder im Einzelfall ausgehandelt sind oder wenn sie im Rahmen von AGB neben der Kreditgewährung eine echte, separate Sonderleistung der Bank abdecken. Keine echten Sonderleistungen in diesem Sinne sind z.B. all solche Leistungen, die
- die Bank von Gesetz wegen ohnehin zu erbringen hat;
- die Bank aus einer vertraglichen Nebenpflicht schuldet (insb. laufende Verwaltung); oder die
- überwiegend im eigenen Interesse der Bank liegen.
Ein Entgelt darf die Bank daher beispielsweise wohl für die vom Kunden gewünschte Erklärung eines Rangrücktritts bei Grundpfandrechten fordern. Das ist sachlich gerechtfertigt, weil die Bank mit dem Rangrücktritt eine echte Sonderleistung erbringt. Auch für den Austausch von Kreditsicherheiten darf die Bank auch nach der jüngsten BGH-Rechtsprechung wohl ein Entgelt verlangen.
4. Rückforderungsansprüche und Verjährung
Vor dem Hintergrund der neuen Rechtsprechung werden Unternehmen prüfen, ob sie in der Vergangenheit gezahlte Bearbeitungsentgelte von ihrer Bank zurückfordern können. Hierbei wird insbesondere die Verjährung etwaiger Rückforderungsansprüche zu berücksichtigen sein. Bezüglich der Verjährung stellt der BGH klar, dass die Rückforderungsansprüche für gezahlte Bearbeitungsentgelte auch im B2B-Bereich der Regelverjährung von drei Jahren unterliegen. Die Regelverjährung beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem die Zahlung des Bearbeitungsentgeltes erfolgte.
Das würde bedeuten, dass aktuell die ab einschließlich des Jahres 2014 bis heute gezahlten Bearbeitungsentgelte grundsätzlich bis Ende dieses Jahres zurückverlangt werden könnten. Rückforderungsansprüche, die Bearbeitungsentgelte betreffen, die vor dem Jahr 2014 gezahlt wurden, sind hingegen grundsätzlich verjährt. Jedoch: Mit verjährten Rückzahlungsansprüchen kann unter Umständen noch gegenüber Forderungen der Bank aufgerechnet werden, wenn (a) der Rückzahlungsanspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem der Darlehensnehmer gegen eine Forderung der Bank erstmals aufrechnen oder die Leistung an die Bank verweigern durfte und (b) die Forderung der Bank, gegen die aufgerechnet werden soll, auch heute noch erfüllbar ist.
5. Was gilt hinsichtlich Kontogebühren?
Eng mit der Thematik der Unzulässigkeit von Bearbeitungsentgelten verknüpft ist die Frage der Zulässigkeit von Kontogebühren. Eine Kontogebühr besteht aus wiederkehrenden Zahlungen des Kunden an die Bank während der Darlehenslaufzeit zur Abgeltung von Aufwand für die im Zusammenhang mit dem Darlehen stehende Verwaltungstätigkeit der Bank. Für Verbraucherdarlehen hat der BGH mit Urteil vom 9. Mai 2017 (Az. XI ZR 308/15) entschieden, dass formularmäßig vereinbarte Kontogebühren unwirksam sind. Auch hier führte das Gericht zur Begründung der Unzulässigkeit an, dass die relevante Verwaltungstätigkeit überwiegend im Interesse der Bank erbracht werde und die Kosten daher nicht auf die Bankkunden abgewälzt werden dürften. Dies verstoße gegen das gesetzliche Leitbild, wonach während der Darlehensphase als Gegenleistung des Darlehensnehmers (allein) die Zinsen geschuldet seien.
Vor dem Hintergrund der oben erörterten BGH-Urteile zum Bearbeitungsentgelt ist davon auszugehen, dass auch formularmäßig vereinbarte Kontogebühren bei Unternehmerdarlehensverträgen unzulässig sind und Gerichte dementsprechend etwaige AGB-Klauseln für unwirksam erklären werden. Gerichtlich geklärt ist diese Frage allerdings noch nicht. Dennoch empfiehlt es sich für Banken, solche Kontogebühren für Darlehenskonten zukünftig aus Formularverträgen herauszunehmen. Auch hier werden Unternehmen entsprechende Rückforderungsansprüche prüfen.
6. Fazit
Insgesamt ist festzuhalten, dass die in AGB-Form bestimmte, von einem Darlehensnehmer – Verbraucher wie Unternehmer – an die Bank zu zahlende Gegenleistung künftig grundsätzlich ausschließlich über die Zinsmarge zu berechnen ist. Daher werden auf Bankenseite nun voraussichtlich die laufzeitabhängig berechneten Zinsmargen erhöht werden müssen, um einen finanziellen Ausgleich für die entfallenden Bearbeitungsentgelte (und Kontogebühren) zu schaffen. Nur für echte Sonderleistungen im Interesse des Darlehensnehmers können Banken auch künftig formularmäßig weitere Zahlungen verlangen. Hiervon unabhängig dürfen Banken außerhalb von AGB grundsätzlich auch weiterhin im Einzelfall ausgehandelte Gegenleistungen verlangen. Denkbar ist auch, dass Banken künftig ihre Verträge im B2B-Bereich einer anderen Rechtswahl unterstellen, um den Folgen der jüngsten BGH-Rechtsprechung jedenfalls so lange zu entgehen, bis die Gerichte anderer Länder hier nachziehen.
Im Hinblick auf mögliche Rückforderungen werden Unternehmen prüfen (müssen), welche in der Vergangenheit an Banken gezahlten Leistungen rückforderungstauglich und noch nicht verjährt sind. Banken werden sich auf entsprechende Ansprüche ihrer Kunden vorbereiten und unter Umständen erhebliche Rückstellungen bilden müssen.
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Dr. Christina Griebeler, M.I.C.L.
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