Abfindungszahlung bei Todesfall
Sachverhalt
Der verstorbene Ehemann (Herr K) der Klägerin war bei der Beklagten zwischen 2009 und 2020 als Projektleiter tätig. Ende 2019 verhandelte er über seinen Anwalt mit der Beklagten einen Aufhebungsvertrag. Der Vertreter der Beklagten übersandte dem Klägervertreter mit E-Mail vom 23. Dezember 2019 eine neue Fassung eines Vertragsentwurfs, der die vom Klägervertreter zuvor gewünschte Regelung aufgenommen hatte: „Des Weiteren bitte ich um Verständnis, dass in Anbetracht der Erkrankung unseres Auftraggebers mit aufgenommen werden sollte, dass der Abfindungsanspruch bereits jetzt entstanden und vererblich ist".
Mit Schreiben vom 16. Januar 2020 versandte der Klägervertreter dem Beklagtenvertreter die von Herrn K unterzeichneten Exemplare des Aufhebungsvertrags, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. Juni 2020 enden sollte. Am 25. Januar 2020 verstarb Herr K. Der Geschäftsführer der Beklagten unterschrieb den Aufhebungsvertrag am 27. Januar 2020; das Original ging dem Klägervertreter am 31. Januar 2020 zu.
Nach dem Inhalt des Aufhebungsvertrags sollte die Beklagte Herrn K für den Verlust des Arbeitsplatzes eine mit Abschluss entstandene und vererbliche Abfindung i.H.v. EUR 34.500 zahlen.
Die Beklagte war der Ansicht, der Vertrag sei Aufgrund des Todesfalls nicht wirksam zustande gekommen. Jedenfalls sei ihre Leistungspflicht entfallen.
Das Arbeitsgericht Ulm verurteilte die Beklagte in erster Instanz zur Zahlung der vereinbarten Abfindung an die erbschaftsberechtigte Klägerin.
Die Entscheidung
Das LAG Baden-Württemberg beurteilte dies anders und wies die Klage ab.
Wie auch das Arbeitsgericht zuvor, ging das LAG vom wirksamen Zustandekommen des Aufhebungsvertrags aus. Mit der Absendung des unterzeichneten Aufhebungsvertrags am 16. Januar 2020 sei ein wirksames Angebot i.S.d. § 145 BGB abgegeben. Dabei könne es dahinstehen, ob das Angebot auf Abschluss des Aufhebungsvertrags der Beklagten vor oder nach dem Tod von Herrn K am 25. Januar 2020 zugegangen sei, da der Tod des Erklärenden dem wirksamen Zugang der Erklärung gem. § 130 Abs. 2 BGB nicht entgegenstünde.
Das Angebot sei ferner am 27. Januar 2020 auch noch annahmefähig gewesen. Gemäß § 153 BGB verliere das Angebot die Annahmefähigkeit mit dem Tod oder der Geschäftsunfähigkeit des Antragenden nur dann, wenn ein anderer Wille des Antragenden anzunehmen sei. Eine solche Auslegung des mutmaßlichen Willen des Verstorbenen sei nicht festzustellen.
Vielmehr sei der Entstehungsgeschichte des vorliegenden Aufhebungsvertrags zu entnehmen, dass Herr K die schnellstmögliche Vererbbarkeit des Abfindungsanspruchs - wohl aufgrund seiner schon längeren (schweren) Erkrankung - wünschte. Auch aus der Sicht der Beklagten könne angesichts der Regelung im Aufhebungsvertrag nicht davon ausgegangen werden, dass Herr K an seinem Angebot nicht mehr festhalten wollte, sollte er vor dessen Annahme versterben.
Allerdings sei die Beklagte von der Verpflichtung zur Zahlung der Abfindung gem. § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB befreit worden, weil Herr K die von ihm geschuldete Leistung im Zeitpunkt des Zustandekommens des Aufhebungsvertrags am 31. Januar 2020 nicht mehr habe erbringen können. Die geschuldete Leistung des Arbeitnehmers sei die Aufgabe des Arbeitsplatzes. Dies sei weit zu fassen und umfasse nicht nur eine Handlung/Unterlassen, die Nichtausübung eines Rechts oder auch die Abgabe einer Willenserklärung, sondern „jedes Verhalten des Schuldners". Die von Herrn K bei Abschluss des Aufhebungsvertrags am 31. Januar 2020 geschuldete „Leistung", nämlich die Aufgabe des Arbeitsplatzes, sei zu diesem Zeitpunkt unmöglich i.S.d. § 275 Abs. 1 BGB gewesen, weil er bereits zuvor am 25. Januar 2020 verstorben war. Dies führe zu dem Ergebnis, dass die Erbin den Anspruch auf die als Gegenleistung vereinbarte Abfindung gem. § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB verliere.
Eine gegen die Entscheidung eingelegte Revision ist beim Bundesarbeitsgericht anhängig (Az: 5 AZR 17/22).
Bewertung und Praxishinweis
Auch im Arbeitsrecht spielen die Regelungen des allgemeinen Teils des BGB und der Schuldverhältnisse (hier: Vertragsschluss und Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung) immer wieder eine wesentliche Rolle.
Der Entscheidung des LAG ist im Ergebnis – trotz der nicht zu verkennenden sozialen Härte – zuzustimmen. Die Abfindung wird gezahlt als Gegenleistung für die Aufgabe des sozialen Besitzstands. Und dies ist eine Leistung i.S.d. § 275 Abs. 1 BGB.
Wird nichts Abweichendes vereinbart, werden Abfindungszahlungen grundsätzlich mit Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses fällig und sind ab dann vererbbar. Im vorliegenden Fall wurde vereinbart, dass dies bereits bei Vertragsschluss der Fall sein sollte. Wäre der Tod somit nach Vertragsschluss eingetreten, wäre die Beklagte zur Zahlung der Abfindung verpflichtet gewesen.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass klare und einzelfallgerechte Regelungen zur Fälligkeit und Vererbbarkeit in Aufhebungsverträgen von entscheidender Bedeutung sein können.
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