BAG zum Betriebsrisiko bei Corona-bedingten Betriebsschließungen
Rechtlicher Hintergrund
Im Falle des Annahmeverzugs des Arbeitgebers hat der Arbeitnehmer Anspruch auf die vereinbarte Vergütung, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Eine Ausnahme bezüglich der Vergütungspflicht gilt jedoch, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers annehmen möchte, aber nicht annehmen kann („Annahmeunmöglichkeit“). In den Fällen, in denen dem Arbeitgeber die Annahme der Arbeitsleistung wegen einer selbst gesetzten Ursache nicht möglich ist, trägt er das Risiko des Arbeitsausfalls und bleibt dem arbeitsfähigen und arbeitswilligen Arbeitnehmer im Falle der Annahmeunmöglichkeit zur Vergütung verpflichtet.
Sachverhalt
Die Parteien stritten über die Vergütung der klagenden Arbeitnehmerin für 12 Tage im April 2020, die in einen allgemeinen „Lockdown“ fiel. Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 1. April 2016 als „Servicekraft für Spielstätten“ in Wuppertal beschäftigt. Ihre durchschnittliche Bruttomonatsvergütung betrug EUR 2.000. Zur Bekämpfung der Corona-Pandemie erließ die Stadt Wuppertal am 16. März 2020 eine Allgemeinverfügung, um durch Maßnahmen der Kontaktreduzierung eine weitere Verbreitung des Virus abzuwenden. Ende März traten verschiedene Verordnungen des Landes Nordrhein-Westfalen in Kraft, die jeweils ein Verbot des Betriebs von Spielhallen enthielten. In der Folge musste die Beklagte ihre Spielstätten schließen und die Klägerin konnte nicht beschäftigt werden. Die Klägerin blieb auf Anordnung der Beklagten der Arbeit fern.
Die Beklagte zahlte in der Folge für April 2020 keine Vergütung. Die Klägerin war ausweislich des Dienstplans für April 2020 ursprünglich für sieben Tage zwischen dem 1. und dem 12. April 2020 zur Arbeitsleistung eingeteilt, wofür ihr – der Höhe nach unstreitig – als Vergütung EUR 666 zugestanden hätte. Die anderen Mitarbeiter der Beklagten befanden sich in diesem streitgegenständlichen Zeitraum in Kurzarbeit und bezogen Kurzarbeitergeld, während mit der Klägerin, die ihr Arbeitsverhältnis bereits fristgerecht zum 30. April 2020 gekündigt hatte, keine Kurzarbeit vereinbart werden konnte.
Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin die Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom 1. bis zum 12. April 2020. Damit hatte die Arbeitnehmerin in den ersten beiden Instanzen Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht beschränkt zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren im Rahmen der Zulassung weiter.
Die Entscheidung
Die Revision der Arbeitgeberin vor dem BAG hatte schließlich Erfolg. Die Vorinstanzen hatten der Klage nach Ansicht des BAG zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Vergütung für die Zeit vom 1. bis zum 12. April 2020.
Ob zu dem vom Arbeitgeber zu tragenden Betriebsrisiko auch eine im Rahmen der Bekämpfung einer Pandemie hoheitlich angeordnete (vorübergehende) Betriebsschließung gehört, bedürfe der Differenzierung. Nehme der Arbeitgeber die Pandemie zum Anlass, aus eigener Entscheidung den Betrieb (vorübergehend) zu schließen – etwa, weil ein Teil der Belegschaft in Quarantäne ist, es infolge der Pandemie an erforderlichen Materialien oder Rohstoffen fehlt, der Absatz stark zurückgeht oder die Kunden ausbleiben – treffe ihn, grundsätzlich das Betriebsrisiko, denn es sei seine autonome Entscheidung, die zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung führt. Im Rahmen einer öffentlich-rechtlich verfügten Betriebsschließung sei dann eine weitere Differenzierung angebracht. Hier richte sich die Frage des Entgeltrisikos nach dem Zweck der Maßnahme und somit danach, ob diese an die Arbeits- oder Produktionsbedingungen des betroffenen Betriebs und bzw. oder ein hieraus resultierendes konkretes Infektionsgeschehen in diesem Betrieb anknüpfe.
Zielt eine behördliche Maßnahme also darauf, einem im Betrieb des Arbeitgebers angelegten besonderen Risiko zu begegnen, treffe ihn das Risiko des Arbeitsausfalls und er bleibt zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Anders läge der Fall, wenn die behördlich verfügte Betriebsschließung im Rahmen allgemeiner Maßnahmen staatlicher Stellen zur Pandemiebekämpfung erfolge und – betriebsübergreifend – zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen und nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen würden.
In einem solchen Fall realisiere sich gerade nicht ein in einem bestimmten Betrieb aufgrund seiner konkreten Produktions- und Arbeitsbedingungen angelegtes Risiko. Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung sei vielmehr Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage, die der einzelne Arbeitgeber nicht verursacht und zu verantworten habe. Dieses „allgemeine Risiko“, das Folge letztlich politischer Entscheidungen zur Eindämmung des die Allgemeinheit insgesamt treffenden Infektionsrisikos sei, müsse der Arbeitgeber nicht tragen.
Praxishinweis
Das BAG stellt erneut klar, dass die Arbeitgeber aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen „Lockdowns“ nicht das Risiko eines Arbeitsausfalls tragen. Damit bleibt es seiner Linie treu. Schon im Oktober 2021 hatte das BAG so in einem ähnlich gelagerten Fall entschieden (Urteil vom 13. Oktober 2021, Az. 5 AZR 211/21). In dem dortigen Fall ging es um eine geringfügig Beschäftigte, die als solche keinen Zugang zum Kurzarbeitergeld hatte. Dort stellte das BAG klar, dass dies nicht zu Lasten des Arbeitgebers gehen kann. Es sei grundsätzlich Sache des Staates, gegebenenfalls für einen adäquaten Ausgleich der den Beschäftigten durch den hoheitlichen Eingriff entstehenden finanziellen Nachteile zu sorgen. Soweit ein solcher nicht gewährleistet sei, beruhe dies auf Lücken in dem sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem. Daraus lasse sich keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers herleiten. Das Risiko der Vergütungszahlung trägt im Ergebnis also der Arbeitnehmer.
Zu beachten ist aber, dass grundsätzlich der Arbeitgeber dieses Betriebsrisiko zu tragen hat, wenn er den Betrieb auf Grund eigener Entscheidung schließt oder wenn sich die angeordnete Schließung gerade aus dem im Betrieb angelegtem Risiko ergibt.
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