Beweislast beim Zugang einer E-Mail
Der Sachverhalt
Gegenstand war hier ein Darlehen der Arbeitgeberin, der Lufthansa AG, an einen Mitarbeiter, der mittels des Darlehens seine Ausbildung zum Piloten finanzieren wollte. In dem Rechtsstreit stritten die Parteien über die Verpflichtung des Arbeitgebers, auf die weitere Rückzahlung eines dem Kläger gewährten Arbeitgeberdarlehens zu verzichten und die bereits seitens des Klägers geleisteten Darlehensraten zurückzuzahlen. In dem ursprünglich zur Finanzierung einer Ausbildung bei einer Tochtergesellschaft der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag vereinbarten die Parteien, dass die Beklagte auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet, wenn sie aus betrieblichen Gründen dem Kläger nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Ausbildung die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis anbietet. Die Frist zum Angebot eines Arbeitsvertrags endete am 26. Oktober 2018. Erstmals mit postalischem Schreiben vom 25. Oktober 2018 bot die Beklagte dem Kläger ein unbefristetes Arbeitsverhältnis als Pilot an, dass bei dem Kläger jedoch erst am 27. Oktober 2022 einging.
Ob der Kläger jedoch bereits vorher eine E-Mail der Beklagten mit einem Beschäftigungsangebot als Anlage am letzten Tag der Frist erhalten hatte, war zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte verwies auf ihr Postausgangs- und Posteingangskonto, wonach die E-Mail verschickt worden sei und sie daraufhin keine Meldung der Unzustellbarkeit bekommen habe. Laut Kläger ging eine solche E-Mail erst drei Tage später bei ihm ein. Unabhängig davon wurde der Kläger ab dem 1. Januar 2019 bei der Beklagten angestellt. In der Folgezeit behielt die Beklagte jedoch monatlich EUR 500 zur Darlehenstilgung vom Nettogehalt ein, wogegen sich der Kläger mit seiner Klage wandte.
Die Entscheidung
Der Kläger hatte mit seiner Klage auf Zahlung der einbehaltenen Bezüge in beiden Instanzen Erfolg. Er konnte die Auszahlung seiner vollen Vergütung beanspruchen, da die Beklagte den Beweis für den Zugang der E-Mail mit dem Einstellungsangebot vor dem vertraglich vereinbarten Stichtag nicht erbracht hatte. Das LAG Köln führte in seinem Urteil aus, dass der Zugang einer E-Mail vom Versender darzulegen und zu beweisen sei. Die Absendung der E-Mail begründe keinen Anscheinsbeweis für den Zugang beim Empfänger. Ob nach dem Versenden einer E-Mail die Nachricht auf dem Empfängerserver eingeht, sei nicht gewiss. Da der Versender die Art der Übermittlung der Willenserklärung auswähle, trage er auch das damit verbundene Risiko, dass die Nachricht nicht bei dem Empfänger ankomme. Es verwies auf die Möglichkeit, eine Lesebestätigung anzufordern. Die Beklagte könne nicht mit „Nichtwissen“ den Zugang bestreiten. Sie müsse den vollen Beweis des Zugangs erbringen.
Mit dieser Entscheidung wählte das LAG einen anderen Weg als unterinstanzlich andere Gerichte und folgte u. a. einer Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg.
Praxishinweis
Wenn es um den Zugang einer Willenserklärung geht, die „kritisch“ ist, sollte der Absender sich nicht alleine auf das E-Mail verlassen, da der Zugang so nur bewiesen werden kann, wenn der Empfänger eine Lesebestätigung abgibt. Wenn eine solche Bestätigung angefordert ist, stellen viele „Programme“ die Abgabe der Lesebestätigung in das Ermessen des Empfängers. Es kann daher auch wegen Unsicherheiten im Postlauf nur angeraten werden, bei Erheblichkeit des Zugangsdatums die Nachricht, sofern nicht ohnehin „Schriftform“ gilt, durch Boten zu überbringen. Dieser Übermittler kann den Zugang der Erklärung bezeugen, indem er sich vom Inhalt der überbrachten Erklärung überzeugt und deren Übergabe an den Empfänger oder den Einwurf in dessen Briefkasten bestätigt.
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