„Flinke Frauenhände“ – Diskriminierung bei Jobausschreibung
Rechtliche Einordnung
Im Bewerbungsverfahren ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu beachten. Eine Benachteiligung eines Bewerbers oder einer Bewerberin durch den Arbeitgeber aus Gründen der „Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ ist nach § 7 Abs. 3 AGG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 AGG eine Verletzung (vor-) vertraglicher Pflichten. Von den vorbezeichneten Diskriminierungsgründen ist insbesondere das Verbot der Benachteiligung wegen des Geschlechts in der Praxiswie auch die Diskriminierung wegen Alters häufig Gegenstand von Entscheidungen der Gerichte. Bezogen auf die Begründung des Arbeitsverhältnisses bedeutet das geschlechtsbezogene Benachteiligungsverbot, dass ein Bewerber nicht abgelehnt werden darf, weil er eine Frau oder ein Mann ist oder keiner dieser beiden geschlechtlichen Identitäten (3. Geschlecht) zuzuordnen ist.
Beim Vorliegen von Indizien über einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot sieht das AGG zugunsten der benachteiligten Person eine Beweislastumkehr vor, §22 AGG.
Sachverhalt
Die Arbeitgeberin produziert und vertreibt unterschiedliche Modellfahrzeuge im Maßstab 1:87 mit 100 bis 150 Einzelteilen. Sie schrieb bei der Bundesagentur für Arbeit eine Vollzeitstelle zum Bestücken einer Digitaldruckmaschine aus. Die Einzelteile, mit denen die Digitaldruckmaschine bestückt wird, sind sehr klein und müssen teilweise mit Hilfe von Pinzetten positioniert werden.
Die Arbeitgeberin lehnte einen männlichen Bewerber ab. Sie begründete die Absage damit, dass „die sehr kleinen, filigranen Teile“… „eher etwas für flinke Frauenhände“ wären. Der Bewerber klagte auf eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Er ist der Meinung, dass er wegen seines Geschlechts diskriminiert worden sei. Die Arbeitgeberin sieht das anders. Bei der Formulierung „flinke Frauenhände“ für die „kleinen, filigranen Teile“ sei es schlicht um die Größe der Hände gegangen. Die Arbeitgeberin beschäftige schließlich auch Männer (mit kleineren Händen). Zudem sei man im Internet auf Bilder des Bewerbers gestoßen, auf denen man seine großen Hände habe erkennen können.
Das Arbeitsgericht Nürnberg gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung.
Entscheidung
Das LAG teilte die Ansicht des Arbeitsgerichts weitestgehend und änderte lediglich die Höhe der Entschädigungszahlung.
Die Beklagte habe den Gegenbeweis nicht führen können, mit der Absage den Bewerber nicht unzulässig wegen des Geschlechts benachteiligt zu haben. Die Prokuristin der Beklagten habe dem Kläger auf Grund ihrer Lebenserfahrung, dass regelmäßig Frauen mit der kleinteiligen Arbeit bei der Beklagten eher zurechtkommen als Männer, abgesagt. Der Kläger wurde mithin im Bewerbungsverfahren wegen seines Geschlechtes benachteiligt. Die Gelegenheit, mittels Probearbeit nachzuweisen, dass er zu der kleinteiligen Arbeit bei der Beklagten willens und in der Lage sei, wurde ihm nicht gegeben, weil er ein Mann war. Dieses Verhalten sei unmittelbar benachteiligend nach § 3 Abs. 1 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmales und verstoße damit gegen § 7 Abs. 1 AGG i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG.
Die Geltendmachung einer Entschädigung durch den Kläger sei zudem nicht rechtsmissbräuchlich. Rechtsmissbrauch sei anzunehmen, sofern der Bewerber sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm darum ging, nur den formalen Status als Bewerber i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung und/oder Schadensersatz geltend zu machen. Dafür habe die darlegungspflichtige Beklagte keine Anhaltspunkte vorgetragen.
Das LAG hielt eine Entschädigung in Höhe von EUR 2.500, was dem 1,5-fachen des auf der ausgeschriebenen Stelle erzielbaren Bruttogehalts entspricht, für angemessen. Der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG komme eine Doppelfunktion zu. Sie diene einerseits der vollen Schadenskompensation und andererseits der Prävention, wobei jeweils der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müsse die Härte der Sanktionen der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber gewährleiste, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt. Sie müsse auf jeden Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen.
Bedeutung für die Praxis
Ob es um den Vorwurf einer Benachteiligung wegen des Alters, wegen des Geschlechts oder auch wegen einer Behinderung geht – immer wieder nehmen Arbeitsgerichte Stellenausschreibungen oder abgelehnte Bewerbungen unter die Lupe. Zwar begründet ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot keinen Anspruch auf Einstellung in dem Betrieb oder Unternehmen, kann aber insbesondere zu einem Anspruch auf Entschädigung führen, wie die obige Entscheidung aufzeigt. Was an dem Sachverhalt erstaunt ist eher, dass ein Arbeitgeber in der Ablehnung einer Bewerbung eine Begründung abgibt. In der Regel gilt hier – um das Risiko einen Entschädigungsanspruch zu vermeiden – „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“.
Artikel als PDF speichern