Grobe Beleidigung kann fristlose Kündigung rechtfertigen
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschied am 24. Januar 2017 in einem Fall (Az.: 3 Sa 244/16) der Beleidigung des Geschäftsführers über eine fristlose Kündigung. Diese kann in einem familiengeführten Betrieb auch bei langjähriger Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers und ohne Abmahnung gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seinen Chef als „soziales Arschloch" bezeichnet.
Sachverhalt
Der Kläger, 1954 geboren, arbeitete als Installateur bei der Beklagten, einem kleinen, familiengeführten Betrieb mit insgesamt vier Mitarbeitern. Er war bei Aussprache der Kündigung über zwanzig Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Am 16. Februar 2016 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten bzgl. der Ausführung eines Arbeitsauftrages. Dieser Auseinandersetzung war ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem Seniorgeschäftsführer, dem Vater des Geschäftsführers, voraus gegangen. Dabei fühlte sich der Kläger ungerecht und herablassend behandelt.
Der Kläger sprach den Geschäftsführer am nächsten Tag auf das Gespräch an und sagte, der Seniorgeschäftsführer habe ihn „wie ein Arsch behandelt". Es entbrannte daraufhin eine hitzige Diskussion. In deren Verlauf sagte der Kläger: „Dann kündigt mich doch". Der Geschäftsführer erwiderte: „Damit wir dann als soziale Arschlöcher dastehen". Woraufhin der Kläger sagte: „Das seid ihr doch sowieso schon." Nach dieser Äußerung beendete der Geschäftsführer das Gespräch und der Kläger nahm seine Arbeit auf. Noch am Abend desselben Tages wurde der Kläger telefonisch zum Abbau von Arbeitszeitguthaben für drei Tage freigestellt. Anschließend wurde ihm bis zum 24. Februar 2016 Urlaub gewährt. Zu einer Entschuldigung seitens des Arbeitnehmers kam es in dieser Zeit nicht. Schließlich sprach die Beklagte mit Schreiben vom 19. Februar 2016, zugegangen am 23. Februar 2016, die fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung aus. Zum Zeitpunkt der Kündigung war der Kläger 62 Jahre alt und arbeitete bereits 23 Jahre im Betrieb. Aus seiner Sicht waren es die Provokationen des Seniorgeschäftsführers, die ihn zu seinen unbedachten und aus seiner Sicht affektbedingten Äußerungen brachten.
Entscheidungsgründe
Das Gericht entschied, dass die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund wirksam war. Denn es war den Geschäftsführern nicht mehr zumutbar, auch unter Abwägung der Interessen beider Seiten, weiter mit dem Kläger – insbesondere auch nicht bis zum Auslaufen der siebenmonatigen Kündigungsfrist – zusammen zu arbeiten.
Zunächst wurde das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch die verbale Entgleisung schwer beschädigt. Dieser Schaden wurde im Nachhinein vertieft, da der Kläger sich nicht ernsthaft entschuldigte. Er war bis zum Schluss der Ansicht, dass er das nicht hätte tun müssen. Mit dieser Uneinsichtigkeit und dem nachhallenden Vorwurf „soziale Arschlöcher" zu sein, wären der Geschäftsführer, dessen Vater und die ebenfalls im Betrieb tätige Mutter während der langen Kündigungsfrist permanent konfrontiert gewesen. Sie hätten der Konfrontation auch nicht ausweichen können, da es sich um einen kleinen Familienbetrieb handelt.
Auch das fortgeschrittene Alter des Klägers, seine bald bevor stehende Rente und die lange Betriebszugehörigkeit von über zwanzig Jahren konnten im Interessenabgleich nicht überwiegen.
Fazit
Nicht die Beleidigung allein bedingt den Grund für die außerordentliche Kündigung, sondern im Besonderen auch das Verhalten nach der Beleidigung und die Tatsache, dass es sich um einen kleinen, familiengeführten Betrieb handelt. Die Frage der Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung ist gerade auch in Folge verbaler Auseinandersetzung ist immer wieder Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen. Da diese Frage anhand der Abwägung von Umstände des Einzelfalls abhängig ist, ist der Ausgang eines gesetzlichen Verfahrens schwer vorhersehbar. Die Größe des Betriebes (der Arbeitnehmer ist nicht an anderer Stelle einsetzbar) und die Inhaberstellung des „Angegriffenen" sind dabei wichtige Gesichtspunkte, wie auch der Umstand nicht gezeigter Einsicht. Gerade in letzter Zeit haben Entscheidungen gezeigt, dass durch eine zeitnahe ernsthafte „Entschuldigung" so manche fristlose Kündigung noch abwendbar ist.
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