Mindestlohn ist Berechnungsgrundlage auch für Nachtzuschläge sowie Urlaubs- und Feiertage
Sachverhalt
Die Klägerin ist seit 1990 bei der Beklagten als Montagekraft beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Nachwirkung der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Sächsischen Metall- und Elektroindustrie in der Fassung vom 24. Februar 2004 (MTV) Anwendung. Aus den tariflichen Regelungen ergibt sich für die Klägerin ein Stundenlohn i.H.v. EUR 7,00 brutto. Weiterhin sieht der MTV einen Nachtzuschlag i.H.v. 25 % des tatsächlichen Stundenverdienstes sowie ein "Urlaubsentgelt" iHd. 1,5-fachen durchschnittlichen Arbeitsvergütung vor, die der Arbeitnehmer in den letzten drei Monaten vor dem Urlaub erhalten hat.
Um dem gesetzlich geregelten Mindestlohn gerecht zu werden, zahlte die Beklagte für Januar 2015 neben dem vertraglichen Bruttolohn i.H.v. EUR 7,00 eine „Zulage" nach MiLoG, die Differenz zwischen Stundenlohn nach Tarifvertrag und MiLoG-Ausgleich. Bei der Vergütung für einen Feier- und einen Urlaubstag sowie den Nachtarbeitszuschlag legte sie allerdings nicht den gesetzlichen Mindestlohn zu Grunde, sondern die niedrigere tarifvertragliche Stundenvergütung.
Darüber hinaus rechnete sie ein gezahltes "Urlaubsgeld" auf Mindestlohnansprüche der Klägerin an.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Vergütung aller im Januar 2015 abgerechneten Arbeits-, Urlaubs- und Feiertagsstunden sowie die Berechnung des Nachtarbeitszuschlags auf Basis des Mindestlohnes. Auch wollte sie festgestellt wissen, dass das Urlaubsgeld nicht auf ihren Mindestlohnanspruch angerechnet werden kann.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Das BAG wies die Revision der Beklagten im Wesentlichen mit seinem Urteil vom 20. September 2017, Az. 10AZR 171/16 zurück.
Entscheidungsgründe
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Vergütung aller Arbeits-, Urlaubs- und Feiertagsstunden auf Basis des Mindestlohnes nach dem MiLoG.
Der Mindestlohnanspruch aus dem MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- und tarifvertraglichen Ansprüchen für geleistete Arbeit entsteht. Soweit die Entgeltvereinbarungen und Entgelttarifverträge den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten, greift das MiLoG ein. Da die Beklagte den Arbeitslohn nicht auf Basis des Mindestlohns berechnete, sondern auf Basis des tariflich geringeren Anspruchs, hat die Klägerin gegen sie einen Differenzanspruch. Dieser Anspruch kann allerdings durch alle im zur Arbeitsleistung „im Synallagma" stehenden Entgeltleistungen durch den Arbeitgeber durch Anrechnung erfüllt werden. Dabei handelt es sich um solche Leistungen, die unmittelbar die Vergütung für die jeweilige Arbeitsstunde betreffen, also in „unmittelbarer Wechselbeziehung" stehen.
Die Zahlungen von Urlaubsentgelt für Feiertage und von Urlaubsgeld für den Erholungsurlaub können somit nicht auf den Anspruch auf Zahlung von Mindestlohn angerechnet werden, da sie keine zur geleisteten Arbeit in unmittelbarer Wechselbeziehung stehende Entgelte darstellen und einen arbeitsleistungsunabhängigen Zweck verfolgen. Sie sollen zum Beispiel Urlaubsaufwand kompensieren, so dass ihnen keine Erfüllungswirkung bzgl. des Anspruchs auf Zahlung von Mindestlohn zukommt.
Zudem sieht der MTV neben dem MiLoG einen eigenen Anspruch auf Urlaubsentgelt für Feiertage vor. Da die Beklagte bei der Berechnung des Urlaubsentgelts nicht den Mindestlohn zu Grunde legte und ihn vielmehr bei der Zahlung unterschritt, besteht diesbezüglich auch ein Differenzanspruch der Klägerin. Zwar gewährt das MiLoG nur Ansprüche für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden. Nach § 2 Abs. 1 EFZG hat der Arbeitgeber aber für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Von diesem Entgeltfortzahlungsprinzip darf nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Es verlangt, den Mindestlohn bei der Berechnung des Urlaubsentgelts für Feiertage heranzuziehen, soweit kein höherer Vergütungsanspruch besteht.
Auch der Nachtarbeitszuschlag ist nach den Bestimmungen des MTV auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns zu berechnen, da dieser den "tatsächlichen Stundenverdienst" im Sinne des MTV darstellt.
Fazit
Das BAG hat somit deutlich gemacht – wie auch in anderen Urteilen – dass sämtliche Leistungen, die eine unmittelbare Kompensation der geleisteten Arbeit bezwecken, dem Mindestlohn entsprechend zu haben, Zuschläge für die geleistete Arbeit auf diesen Grundlagen zu berechnen sind und ferner „andere Leistungen", die nicht der unmittelbaren Kompensation der Arbeitsleistung dienen, nicht angerechnet werden dürfen. Dies gilt auch für den Kalendermonat, in dem sie zur Auszahlung kommen. Damit dürften nunmehr viele Zweifelfragen „um den Mindestlohn" geklärt sein.
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