Streikbruchprämien können zulässiges Kampfmittel des Arbeitgebers sein
Sachverhalt
Der Kläger, Verkäufer bei einem Unternehmen im Einzelhandel mit einem Bruttomonatsverdienst i.H.v. EUR 1.480 (bei einer 30 Std.-Woche), war in einem Betrieb eingesetzt, der in den Jahren 2015 und 2016 mehrfach – nach Aufruf der ver.di – bestreikt wurde. Ver.di wollte mittels Streik Druck beim Unternehmen aufbauen, einen neuen Tarifvertrag abzuschließen. Vor Streikbeginn sagte der Arbeitgeber jenen Mitarbeitern, welche sich nicht am Streik beteiligen, eine sogenannte Streikbruchprämie i.H.v. zunächst EUR 200, später dann reduziert auf EUR 100 pro Streiktag, zu.
Der Kläger folgte dem Streikaufruf, verlangte anschließend jedoch per Klage die Zahlung der Prämien (i.H.v. insgesamt EUR 1.200) unter Berufung auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Weder in den Vorinstanzen, noch in der Revision vor dem BAG hatte der Kläger Erfolg.
Hintergrund
Der Kläger, seinerzeit Betriebsratsvorsitzender, nahm an einem der Streiktage an einer innerbetrieblich vorgesehenen Schulung teil. Er erhielt hierfür seine reguläre Vergütung, nicht jedoch die Streikbruchprämie. Diese machte er geltend, da er der Meinung war, seiner regulären Tätigkeit nachgegangen zu sein. Dies sah das zuständige Arbeitsgericht und die folgenden Instanzen anders – die Schulungsteilnahme gehöre nicht zu seiner regulären Tätigkeit.
Das Bundesarbeitsgericht sah – wie die Vorinstanzen – die Zahlungszusage rechtlich als Gesamtzusage an. Sie sei an bestimmte Voraussetzungen gebunden, nämlich die Ausübung der regulären, seitens des Arbeitnehmers geschuldeten, Tätigkeit. Um diese Leistungen zu verdienen reiche es nicht aus, am Streik nicht teilzunehmen, es müsse die reguläre Tätigkeit ausgeübt werden. Auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz könne der Kläger für die Tage, an denen er sich am Streik beteiligt hat, die Vergütung nicht verlangen.
Auch der Höhe nach war die Prämie nicht zu beanstanden, denn auch wenn diese mit zunächst EUR 200 pro Tag fast das Vierfache des durchschnittlichen Tagesverdienstes eines Mitarbeiters beträgt, so erfülle sie auch eine Anreizfunktion. Zudem sei mit einem erhöhten administrativen Aufwand zu rechnen und die Kosten für Leiharbeitnehmer wären vergleichbar.
Die Zahlung einer solchen Prämie ist auch keine gegen die Koalitionsfreiheit gerichtete Maßnahme, wenn sie allen Mitarbeitern – unabhängig von einer Gewerkschafts- zugehörigkeit – angeboten wird.
Die Zusage einer Prämienzahlung für nicht streikende Mitarbeiter sei aus arbeitskampfrechtlichen Gründen gerechtfertigt, so das BAG. Die gewählten Mittel müssen sich zwar am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientieren und auch wenn die Prämie mitunter den Tagessatz eines Mitarbeiters um ein Vielfaches übersteige, so sei diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt, da der Arbeitgeber hierdurch betrieblichen Ablaufstörungen und dem Streikdruck entgegenwirke.
Bei einer Streikbruchprämie handele es sich zudem um ein zulässiges Arbeitskampfmittel, so das BAG. Die im Grundgesetz verankerte Koalitionsfreiheit überlässt den Parteien die Wahl der Mittel, die zur Herbeiführung des Tarif(vertrags)abschlusses geeignet sein.
Die Entscheidung des BAG der Zulässigkeit von Prämienzahlungen an Streikbrecher als Mittel im Arbeitskampf bestätigt auch die bislang herrschende Rechtsprechung, denn bereits 1993 hatte das BAG wie auch diverse Landesarbeitsgerichte / LAG entschieden, dass eine solche Zahlung erlaubt ist.
Fazit
Zahlt ein Arbeitgeber an seine Mitarbeiter also eine – von der Höhe nicht unangemessene – Prämie dafür, dass sie sich nicht an einem Streik beteiligen, so handelt er damit nicht rechtswidrig.
Autorin: Claudia Eichler
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