Fachkraft für Arbeitssicherheit: Abberufung auf Initiative des Betriebsrats? Antrag auf Einsetzung der Einigungsstelle möglich?
Nach § 100 Abs. 2 S. ArbGG kann der Antrag auf Einsetzung einer Einigungsstelle vom Arbeitsgericht nur zurückgewiesen werden, wenn eine Einigungsstelle „offensichtlich unzuständig" ist. Entscheidend für die Zuständigkeit der Einigungsstelle im Rahmen der „Zwangsschlichtung" zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ist, ob ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in dieser Sache besteht. Das LAG Berlin-Brandenburg hat in seinem Beschluss vom 5. November 2019, Az. 7 TaBV 1728/19, nun klargestellt, dass die Einigungsstelle nicht „offensichtlich unzuständig" ist, auch wenn das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats in Rechtsprechung und juristischer Literatur umstritten ist.
Der Sachverhalt
Arbeitgeber und Betriebsrat stritten im vorliegenden Fall über einen Antrag des Betriebsrats, eine Einigungsstelle mit dem Gegenstand „Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit" einzusetzen. Hintergrund hierfür war, dass der Betriebsrat dem Arbeitgeber vorwarf, nicht ausreichend für den Arbeitsschutz tätig zu werden. Er regte deswegen gegenüber der Arbeitgeberin an, den Mitarbeiter, der als Fachkraft für Arbeitssicherheit bestellt war, abzuberufen. Dieser wies dies jedoch als unbegründet zurück. Mit der folgenden Anrufung der Einigungsstelle betrat der Betriebsrat juristisch umstrittenes Gebiet. Es ist streitig, ob er überhaupt ein Initiativrecht hat, die Fachkraft abberufen zu lassen. Kann dann überhaupt eine Einigungsstelle eingesetzt werden?
Das ArbG Berlin entsprach dem Antrag des Betriebsrats und setzte eine Einigungsstelle mit dem Gegenstand „Abberufung einer Fachkraft für Arbeitssicherheit" ein.
Hiergegen wandte sich der Arbeitgeber in einer Beschwerde an das LAG Berlin-Brandenburg. Er rügte u.a., dass die Einigungsstelle für den Gegenstand „offensichtlich unzuständig" sei, da dem Betriebsrat hier ein Initiativrecht nicht zustehe.
Die Entscheidung des LAG
Das LAG Berlin-Brandenburg wies die Beschwerde des Arbeitgebers zurück. Den Antrag zur Einleitung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens durch den Betriebsrat befand es als rechtmäßig. In allen Fragen der sogenannten „zwingenden betrieblichen Mitbestimmung" können Betriebsparteien die Einigungsstelle anrufen, sollten die Parteien sich nicht einigen. Ein Antrag wird durch das Gericht nur abgewiesen, wenn die Einigungsstelle „offensichtlich unzuständig" ist. Dies ist nur in wenigen Konstellationen der Fall, so dass solchen Anträgen der Betriebsparteien überwiegend Erfolg beschieden sein wird. Das Gericht prüft eben nicht die Zuständigkeit an sich, sondern die „offensichtliche Unzuständigkeit".
Auch sei, so das LAG, die Einigungsstelle hier „nicht offensichtlich" unzuständig, sodass der Antrag des Betriebsrats nicht zurückzuweisen sei. Dies sei erst dann anzunehmen, wenn das Gericht sofort erkennen kann, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt infrage kommt. Ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht und fehlt es an einer Klärung des Bundesarbeitsgerichts, könne keine „offensichtliche Unzuständigkeit" vorliegen. So lag es nach Einschätzung des LAG auch in diesem Fall. Das LAG kam zu dieser Entscheidung, obwohl es meinte, dass der Gesetzeswortlaut gegen ein Initiativrecht des Betriebsrats bei der Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit und damit gegen eine Zuständigkeit der Einigungsstelle spreche.
Das LAG stellte jedoch auch fest, dass in der juristischen Literatur die Auffassung vertreten wird, dass dem Betriebsrat in dieser Frage ein volles Mitbestimmungs- und Initiativrecht zusteht. Auch wurde diese Frage noch nicht vom Bundesarbeitsgericht entschieden. Somit läge eine ungeklärte Rechtslage und damit keine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle vor. Eine Einigungsstelle sei einzusetzen, die dann in eigener Kompetenz ihre Zuständigkeit zu klären habe.
Fazit
Anzumerken bleibt, dass, da das Gericht nur die offensichtliche Unzuständigkeit prüft, es der Einigungsstelle überlassen bleibt, bzgl. ihrer Zuständigkeit zu entscheiden. Dies kann durch Mehrheitsbeschluss geschehen, wobei der anderen Partei dann der Rechtsweg offensteht. An der Effektivität dieses Gesamtverfahrens bestehen somit erhebliche Zweifel, insbesondere, weil damit evtl. Verfahren durch einen weniger kooperativen Betriebsrat erheblich verzögert werden können. So muss auch das Arbeitsgericht letztendlich diese Fragen entscheiden.
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