Auch SARS-CoV 2 kann daran nichts ändern: Keine Kurzarbeit ohne wirksame Vereinbarung!
Kurzarbeit dürfte bei vielen Arbeitgebern vor allem letztes Jahr das Mittel der Wahl gewesen sein, um angesichts des pandemiebedingten Arbeitsausfalls Kündigungen zu vermeiden. Nach einer aktuellen Studie des Ifo-Instituts wird in jedem dritten Unternehmen nach wie vor kurzgearbeitet. Nur wenige Arbeitgeber dürften sich in den Jahren zuvor mit dem Thema Kurzarbeit näher beschäftigt, und z.B. ihre Arbeitsvertragsmuster um entsprechende Klauseln ergänzt haben, um auf dieser Grundlage Kurzarbeit einzuführen. Stets gilt: Keine Kurzarbeit ohne wirksame Vereinbarung! Dies stellte jüngst auch das ArbG Siegburg in seinem Urteil vom 11. November 2020 – Az. 4 Ca 1240/20 wieder fest:
Sachverhalt
Der Kläger war bei der Beklagten als Busfahrer zu einem monatlichen Bruttogehalt von EUR 2.100 beschäftigt. Einen Betriebsrat gibt es nicht. Mit Schreiben vom 16. März 2020 mahnte die Beklagte den Kläger wegen „negativer Beeinflussung von Kollegen" ab und setzte ihn gleichzeitig darüber in Kenntnis, dass Kurzarbeit in verschiedenen Bereichen des Betriebes angemeldet werden müsse und, dass er „zunächst in der Woche vom 23.03. bis zum 28.03.2020" für Kurzarbeit vorgesehen sei. Eine konkrete Vereinbarung über Kurzarbeit wurde nicht geschlossen. Der Kläger bot seine Arbeitsleistung an, während die Beklagte ab März 2020 das Gehalt kürzte und die Zahlung in der entsprechenden Abrechnung als „Kurzarbeitergeld" bezeichnete. Mit seiner Klage begehrte der Kläger u.a. sein volles Gehalt – mit vollem Erfolg.
Entscheidung
Das Gericht gab dem Kläger recht. Kurzarbeit sei nicht wirksam vereinbart worden. Einseitig dürfe Kurzarbeit nur angeordnet werden, wenn dies individualvertraglich, aufgrund einer Betriebsvereinbarung oder tarifvertraglich zulässig sei. Bei einer Anordnung ohne rechtliche Grundlage bestehe kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld und Arbeitnehmer behalten ihren vollen Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber wegen Annahmeverzugs.
Vorliegend gab es keine entsprechende Vereinbarung, mittels derer Kurzarbeit wirksam vereinbart worden war. Die Auffassung der Beklagten, dass die Mitteilung über die Kurzarbeit in dem Abmahnschreiben eine wirksame Vereinbarung der Kurzarbeit gewesen sei, teilte das Gericht nicht. Dies sei lediglich eine einseitige Mitteilung über eine „voraussichtliche Kurzarbeit" an einigen Tagen im März und stelle keine Vereinbarung über Kurzarbeit für die Monate März bis Juni 2020 dar.
Praxishinweis
Keine Kurzarbeit ohne wirksame Vereinbarung! Daran kann auch ein Virus nicht rütteln, auch wenn es unerwartet auftritt, und Arbeitgeber und Arbeitnehmer in eine nie dagewesene Situation bringt, in der schnell und kurzfristig Entscheidungen getroffen werden müssen, um in einer wirtschaftlich angespannten Situation Arbeitsplätze zu sichern. Besteht bislang keine rechtliche Grundlage zur Anordnung von Kurzarbeit und existiert ein Betriebsrat, hat dieser hinsichtlich der Einführung von Kurzarbeit zwingend mitzubestimmen. Kommt es zu keiner Einigung, kann die Einigungsstelle angerufen werden. Zukünftig sollte also bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen stets darauf geachtet werden, dass Kurzarbeitsklauseln in das „Standardrepertoire" arbeitsvertraglicher Klauseln aufgenommen werden, um im Bedarfsfall flexibler agieren zu können.
Gibt es weder eine arbeitsvertragliche Regelungen noch eine Betriebsvereinbarung oder eine einschlägige tarifvertragliche Regelung und weigert sich ein Arbeitnehmer einer Vertragsänderung zuzustimmen, bleibt dem Arbeitgeber nur der Weg über eine Änderungskündigung, gegebenenfalls auch außerordentliche Änderungskündigung. Ob in der jeweiligen Situation eine außerordentliche Änderungskündigung zulässig ist, da der Ablauf der Kündigungsfrist für den Arbeitgeber unzumutbar ist, ist eine Frage des Einzelfalls aber erscheint möglich (dazu in diesem Newsletter Arbeitsgericht Stuttgart vom 22. Oktober 2020).
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