Durch Quarantäneanordnung „durchkreuzter" Urlaub
Sachverhalt
Der Kläger erhielt für den Zeitraum 23. - 31. Dezember 2020 sechs Tage Urlaub genehmigt. Wegen Kontaktes zu einem Coronaverdachtsfall wurde der Kläger anschließend, also nach Genehmigung des Urlaubs, durch das Gesundheitsamt mit einer Anordnung über Quarantäne im Zeitraum 21. Dezember 2020 bis 4. Januar 2021 belegt. Damit stand der Kläger unter der Beobachtung durch das zuständige Gesundheitsamt. Die häusliche Absonderung bzw. Quarantäne wurde dahin konkretisiert, dass der Kläger seine Wohnung ohne ausdrückliche Zustimmung der Behörde nicht verlassen durfte und den Empfang von Besuch auf das notwendigste zu beschränken hatte.
Der Kläger ist der Ansicht, dass der Urlaubsanspruch in Höhe von sechs Tagen aus dem Jahre 2020 fortbestehe, weil § 9 BUrlG mindestens analog anzuwenden sei. Ähnlich wie bei Arbeitsunfähigkeit während bereits gewährten Urlaubs sei es vorliegend so, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers wegfalle und damit die Befreiung durch den Arbeitgeber von der Leistungspflicht nachträglich unmöglich werde. Insoweit liege eine planwidrige Regelungslücke vor. Dies ergebe sich insbesondere aus der vorliegenden Konstellation der außergewöhnlichen gesamtgesellschaftlichen Besonderheiten der Corona-Pandemie. Eine freie und selbst gewählte Urlaubsgestaltung sei für den Kläger nicht möglich.
Entscheidung
Das Arbeitsgericht Neunmünster sah dies anders und wies die Klage ab.
§ 9 BUrlG sei nicht auf den Fall der Anordnung einer häuslichen Absonderung bzw. Quarantäne analog anzuwenden. Nach § 9 BurlG werden, wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubs erkrankt, die durch ärztliches Attest nachgewiesenen Krankheitstage nicht auf den Urlaub angerechnet.
Es fehle insoweit schon an einer planwidrigen Regelungslücke. Bei der Schaffung von § 9 BurlG seien Unterscheidungen zwischen Krankheit und bloßer seuchenbezogener Risiken, die zu einer Quarantäneanordnung führen konnten, bekannt gewesen. Auch wenn seinerzeit kein derartig großer Seuchenzug, wie im Moment durch die Corona-Pandemie mit weitreichenden gesellschaftlichen Auswirkungen vorläge, könne ein Problem wie das vorliegende jederzeit auftreten und trat auch sicherlich in vielfältigen Einzelfällen tatsächlich auf. Soweit der Kläger darauf abstelle, dass es nun bei der Corona-Pandemie um eine besondere gesamtgesellschaftliche Situation gehe, habe er zwar insoweit recht, dass es eine solche Situation gibt, ein besonderer Unterschied sei hieraus aber nicht zu ermitteln.
Das Bundesarbeitsgericht habe zudem in verschiedenen Entscheidungen ausgeführt, dass § 9 BUrlG eng auszulegen sei. Bei der Regelung handele es sich um eine nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmevorschrift; eine entsprechende Anwendung auf andere urlaubsstörende Ereignisse oder Tatbestände, aus denen sich eine Beseitigung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers ergibt, komme grundsätzlich nicht in Betracht.
Praxishinweis
Die Mehrzahl der mit dieser Frage bereits befassten Instanzgerichte beurteilen die Rechtslage wie das Arbeitsgericht Neunmünster.
Virusinfektionen und damit einhergehende Quarantäneanordnungen dürften auch in Zukunft zum Arbeitsalltag der Gesundheitsbehörden gehören.
Arbeitgeber sollten sich insoweit stets vergewissern, ob die Quarantänepflicht auf einer Eigen- oder Fremdinfektion beruht. Ist letzteres der Fall, hat der Arbeitnehmer in der Regel keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung und - im Falle gewährten Urlaubs - keinen Anspruch auf Nichtanrechnung des Urlaubs.
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