Letzte Ausflucht Homeoffice?
Sachverhalt
Die Beklagte vertreibt verschiedene Produkte im Bereich Reinigung, Folien und Aluminiumverpackungsmittel. Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 2001 als Leiterin der Finanzbuchhaltung beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien ist als Arbeitsort ein Verkaufsbüro vorgesehen.
Die Gesellschafter sowie die Geschäftsführer der Beklagten beschlossen am 20. Oktober 2020 die vollständige Verlagerung des (einzigen) Betriebs der Beklagten ab dem 1. August 2021. Der neue Betriebssitz liegt ca. 150 Kilometer und ca. 1,5 Fahrtstunden (einfache Strecke) mit dem Auto entfernt vom bisherigen Betriebssitz. Vom Wohnort der Klägerin ist die Entfernung noch weiter, so dass diese bei täglichem Fahren zusätzlich drei Stunden Reisezeit kalkulieren muss.
Die Beklagte begann, die unternehmerische Entscheidung umzusetzen. Sie sprach gegenüber sämtlichen Mitarbeitern Änderungskündigungen zum 31. Juli 2021 aus. Gleichzeitig bot sie (auch) der Klägerin an, das Arbeitsverhältnis ab dem 1. August 2021 zu geänderten Bedingungen bezüglich des Arbeitsorts am neuen Betriebssitz fortzusetzen.
Die Klägerin nahm das Änderungsangebot der Beklagten unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung fristgemäß an. Zugleich erhob sie am 20. November 2020 Änderungsschutzklage.
Die Klägerin hielt die ausgesprochene Kündigung für sozial ungerechtfertigt. Sie bestritt das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse. Die Änderungskündigung sei unverhältnismäßig, als milderes Mittel hätte die Beklagte nach Ansicht der Klägerin dieser ein Änderungsangebot unterbreiten müssen, das lediglich teilweise eine Tätigkeit am neuen Betriebssitz und auch eine teilweise Tätigkeitsmöglichkeit im Homeoffice oder Mobile Office vorsieht.
Die Entscheidung
Die 8. Kammer des Arbeitsgerichts Köln beurteilte dies anders und wies die Klage in einem ausführlich begründeten Urteil ab.
Die Kündigung sei als betriebsbedingte ordentliche Änderungskündigung sozial gerechtfertigt. Mit der Verlagerung der Betriebsstätte sei eine unternehmerische Entscheidung getroffen worden, die zu einem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs der Klägerin am ursprünglichen Arbeitsort führe. Dabei reiche es für die Wirksamkeit der Kündigung, wenn der Wegfall dieses Bedarfs zum Zeitpunkt der Kündigung absehbar sei, also bereits auch durch konkrete Umsetzungsschritte konkrete Formen angenommen habe.
Unternehmerische Entscheidungen unterliegen lediglich eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Gerichte prüfen diese grundsätzlich nicht auf Sachmäßigkeit oder Wirtschaftlichkeit. Lediglich eine offensichtlich sachwidrige Veranlassung mag die Unwirksamkeit zu begründen. Als Leiterin der Finanzbuchhaltung konnte die Klägerin auch nicht pauschal das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse mit Nichtwissen bestreiten, was hier aber erfolgte.
Die Kündigung sei auch nicht unverhältnismäßig. Die Änderung des Arbeitsortes sei nicht von Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst, nach welchem dieser den Arbeitsort grundsätzlich nach billigem Ermessen näher bestimmen darf. Eine Änderungskündigung war demnach ein geeignetes Mittel zur Erreichung dieses Ziels. Ein Anspruch eines Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung im Homeoffice oder im Wege mobiler Arbeit zu erbringen, bestand gesetzlich zum hier entscheidungserheblichen Kündigungszeitpunkt gerade nicht.
Bei Klagestattgabe würde man jedoch im Rahmen einer Änderungskündigung einen „Anspruch auf Homeoffice durch die Hintertür" schaffen. Wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der bisher keinen Anspruch auf Homeoffice bzw. Mobile Office hat, sondern einen festen zugewiesenen Arbeitsort, im Rahmen einer Änderungskündigung nunmehr unter Verhältnismäßigkeitsgründen bei einer Änderungskündigung im Zusammenhang mit einer Betriebsverlagerung einen Homeoffice-Arbeitsplatz bzw. mobiles Arbeiten anzubieten hätte, würde der Arbeitnehmer durch die Änderungskündigung letztlich besser gestellt als zuvor, als er einen durchsetzbaren Anspruch auf Homeoffice oder Mobiles Arbeiten ja gerade noch nicht hatte.
Eine derartige Verbesserung des arbeitsvertraglichen Status sei nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen zur Änderungskündigung. Ferner wies das Gericht darauf hin, dass eine solche Kündigung sich damit nicht auf die Änderung des Arbeitsortes beschränken könne, sondern auch die Bedingungen der Arbeit im Home Office oder Mobile Office konkret ausgestalten müsse.
Praxishinweis
Die Entscheidung bestätigt erneut, dass auch die Arbeitsgerichte keinen allgemeinen Anspruch auf Homeoffice oder Mobile Arbeit zubilligen. Es gelten die jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen.
Etwaige Bestrebungen des Gesetzgebers dies zu ändern, scheiterten bislang an Differenzen zwischen den Regierungsparteien. Vor dem Hintergrund der anstehenden Parlamentswahl und der pandemisch bedingten Entwicklung bleibt die Thematik jedoch spannend.
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