„Keine Arbeit, kein Urlaub"
- Berechnung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit -
- Berechnung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit -
Rechtlicher Hintergrund
Der gesetzliche Urlaubsmindestanspruch beläuft sich gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG auf 24 Werktage bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche. Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, ist die Anzahl der Urlaubstage grundsätzlich unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus zu berechnen, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten (24 Werktage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage). Dies gilt entsprechend für den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien für die Berechnung des Urlaubsanspruchs keine von § 3 Abs. 1 BUrlG abweichende Vereinbarung getroffen haben.
Aufgrund des in der Corona-Krise in vielen Branchen stark eingeschränkten Beschäftigungsbedarfs haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer weitreichend von der in den §§95 ff. SGB III geregelten Möglichkeit Gebrauch gemacht, den geschuldeten Arbeitsumfang gegen die Zahlung von Kurzarbeitergeld zu reduzieren. Viele Arbeitnehmer waren dabei sogar gänzlich von der Erbringung ihrer Arbeitsleistung befreit (sog. „Kurzarbeit Null").
Das BAG entschied nun, wie sich die Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien über „Kurzarbeit Null" auf den jährlichen Urlaubsanspruch auswirkt.
Sachverhalt
Ausgangspunkt des Rechtsstreits war, dass die Arbeitgeberin den Urlaubsanspruch auf Grund „Kurzarbeit Null" anteilig kürzte, womit die Arbeitnehmerin nicht einverstanden war, die gegen diese Kürzung Klage erhob. Dabei konnte sie sich von der Position des DGB in dieser Frage unterstützt sehen, wonach eine Kürzung bei Kurzarbeit Null unzulässig sei.
Die Klägerin war seit dem 1. März 2011 bei der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Vereinbart war eine Arbeitszeit von drei Tagen pro Woche. Arbeitsvertraglich stand ihr ein jährlicher Urlaubsanspruch von 28 Werktagen zu. Als Folge der Covid-19-Pandemie musste im Betrieb der Beklagten Kurzarbeit eingeführt werden. Diese wurde mit den jeweiligen Mitarbeiter/innen – so auch mit der Klägerin – vereinbart. In den Monaten April und Mai 2020 wurde der Klägerin zunächst bestehender Resturlaub aus Vorjahren gewährt. Anschließend befand sie sich – in den Monaten Juni und Juli 2020 durchgehend – in „Kurzarbeit Null". In der Zeit vom 1. August 2020 bis 8. August 2020 und vom 1. September 2020 bis zum 18. September 2020 erhielt sie Urlaub. Für die Urlaubszeit ist die Klägerin aus der Kurzarbeit herausgenommen worden. Im gesamten Monat Oktober 2020 galt vereinbarungsgemäß wiederum durchgehend Kurzarbeit Null. Im November und Dezember 2020 hat sie an insgesamt fünf Tagen gearbeitet.
Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, ihr stünde für das Jahr 2020 ein ungekürzter Urlaubsanspruch im Umfang von 28 Werktagen zu, was umgerechnet auf die vereinbarte Drei-Tage-Woche 14 Urlaubstage ergebe. Die Kurzarbeit könne nicht zur Reduzierung des Urlaubsanspruchs führen.
Die Beklagte, also die Arbeitgeberin, war der Auffassung, der Urlaubsanspruch könne für die Zeiten einer „Kurzarbeit Null" gekürzt werden. Für jeden vollen Monat der Kurzarbeit sei eine Kürzung um 1/12 vorzunehmen, was monatlich 2,33 Werktagen entspreche. Zur Begründung verwies die Beklagte darauf, dass Kurzarbeiter mit Teilzeitbeschäftigten vergleichbar seien. Die Leistungspflichten während der Kurzarbeit seinen suspendiert; bei fehlender Arbeitspflicht entstünden keine Urlaubsansprüche.
Die Klage wurde durch das Arbeitsgericht Essen und das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in den Vorinstanzen abgewiesen.
Die Entscheidung
Das BAG teilte die Einschätzung der Vorinstanz und wies die Revision der Klägerin zurück.
Diese habe in den Monaten Juni, Juli und Oktober, in denen Kurzarbeit Null vereinbart war, keine Urlaubsansprüche nach §3 BurlG erworben. Die Vorschrift bestimme die Zahl der Urlaubstage ausgehend vom Erholungszweck des gesetzlichen Mindesturlaubs in Abhängigkeit von der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht. Für die Ermittlung des Urlaubsanspruchs sei daher auf die für das gesamte Urlaubsjahr arbeitsvertraglich vorgesehene Verteilung der Arbeitszeit bezogen auf die Wochentage abzustellen. Dies gelte auch, wenn für einzelne Zeiträume eine Befreiung von der Arbeitsverpflichtung, also eine Arbeitszeit „Null" vereinbart wurde. Dies stehe auch mit Unionsrecht im Einklang, da nach dem EuGH der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub (Art. 7 der RL 2003/88/EG) auf der Prämisse beruhe, dass der Arbeitnehmer im Laufe des Referenzzeitraums tatsächlich gearbeitet hat. Dies gelte auch für andere Fallgestaltungen, in denen die Arbeitspflicht suspendiert ist, z.B. beim bezahlten Sonderurlaub.
Praxishinweis
Insbesondere im Hinblick auf die große Bedeutung der Kurzarbeit bei der Bekämpfung der pandemiebedingten Folgen für die Wirtschaft und die Vielzahl hiervon betroffener Arbeitnehmer ist die praktische Relevanz dieser Entscheidung erheblich. Dies gilt insbesondere bei „Kurzarbeit Null", was im Hinblick auf den langen Lockdown im Einzelhandel gerade diese Branche betrifft. Die Entscheidung kommt zur rechten Zeit, wenn am Jahresende Urlaubskonten berechnet werden müssen.
Allerdings ist eine Urlaubskürzung wegen Kurzarbeit nur möglich, wenn die Kurzarbeit auch rechtlich wirksam eingeführt worden ist. Die Anforderungen hierbei sind hoch: Ist in der entsprechenden Vereinbarung zur Kurzarbeit nicht die zeitliche Dauer genannt und fehlen Regelungen zum Umfang der Kurzarbeit, besteht ein hohes Unwirksamkeitsrisiko.
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