Arbeitnehmer verweigert Schnelltest, was nun?
Sachverhalt ArbG Hamburg
Die Arbeitgeberin ist Dienstleister im Bereich der Personenbeförderung und beschäftigte mehr als zehn Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer war seit dem 15. Juni 2019 als Fahrer beschäftigt. Nach seinem Arbeitsvertrag hatte der Kläger u.a. die Vorgaben des sogenannten Fahrer-Handbuchs der Beklagten „strengstens" zu befolgen. In Kalenderwoche 16/2021 ergänzte die Beklagte im Hinblick auf die Corona Pandemie das Fahrer-Handbuch wie folgt: „Wir führen bereits für alle Mitarbeiter*innen (...) regelmäßige Corona-Tests durch."
Um die Vorgaben umzusetzen gab die Beklagte sogenannte – medizinisch anerkannte – Schnelltests aus. Der Kläger verweigerte die Durchführung der zur Verfügung gestellten Schnelltests. Er wurde daraufhin nach Hause geschickt und unbezahlt freigestellt. Auch am zweiten und dritten Tag brachte er weder ein aktuelles Testergebnis mit, noch führte er den Test unter Aufsicht aus.
Mit Schreiben vom 8. Juni 2021 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 15. Juli 2021. Der Kläger erhob daraufhin Kündigungsschutzklage.
Die Entscheidung
Das ArbG Hamburg gab der Klage statt. Nach Auffassung des Gerichts war die verhaltensbedingte Kündigung nicht gerechtfertigt. Es stellte fest, dass die Anordnung der Durchführung von zur Verfügung gestellten Corona-Schnelltests am Arbeitsplatz grundsätzlich rechtmäßig sei. Die Anordnung eines solchen Tests sei unabhängig von einer behördlichen Verpflichtung vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 GewO gedeckt. Die Weigerung eines Arbeitnehmers, einer vom Arbeitgeber angeordneten Corona-Testpflicht nachzukommen, stelle daher einen schuldhaften Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten dar.
Die Kündigung könne aber erst nach einer Abmahnung ausgesprochen werden. Die Abmahnung sei als milderes Mittel geeignet und ausreichend, den Kläger zu künftiger Vertragstreue anzuhalten. Die Abmahnung sei im Einzelfall auch nicht entbehrlich, da es möglich wäre, dass eine solche in diesem Fall den Arbeitnehmer zu einem Umdenken motiviert hätte. Das Gericht ließ jedoch ausdrücklich offen, ob diese Frage anders zu beurteilen sei, sofern der Arbeitnehmer von Anfang an deutlich mache, sich nicht an die Regeln halten zu wollen.
Sachverhalt ArbG Bielefeld
Der Arbeitnehmer war seit 1998 bei der Beklagten, einem Lebensmittelhersteller mit mehr als 1.000 Mitarbeitern, beschäftigt. Ein Betriebsrat besteht.
Im Rahmen der Pandemie stellte die Beklagte eine Arbeitsschutzverordnung auf. Die Beklagte selbst bot keine Beschäftigtentestungen an. Die Arbeitnehmer konnten jedoch gegenüber des Haupteingangs des Betriebsgeländes bei einem externen Anbieter einen kostenfreien Bürgertest durchführen lassen. Im Juli 2021 erließ das Land NRW eine Corona-Schutzverordnung (Schutz-VO), in der es u.a. hieß: „Beschäftigte, die nach dem 1. Juli 2021 mindestens fünf Werktage hintereinander aufgrund von Urlaub und vergleichbaren Dienst- und Arbeitsbefreiungen nicht gearbeitet haben, müssen am ersten Arbeitstag nach dieser Arbeitsunterbrechung den Arbeitgeber einen Negativtestnachweis (Bürgertestung oder Einrichtungstestung) bzw. höchstens 48 Stunden zurückliegende Einreisetestung vorlegen oder vor oder bei Beginn der Arbeitsaufnahme am ersten Arbeitstag einen dokumentierten beaufsichtigten Test durchführen (...)."
Der Kläger wollte seine Arbeit ohne den erforderlichen Negativtest beginnen. Auf die Nachfrage des Vorgesetzten nach einem Test entgegnete er, dass er gesund sei und sich nicht testen lasse. Nach einem Mitarbeitergespräch wurde der Kläger mit Schreiben vom gleichen Tag abgemahnt. An den darauffolgenden Tagen blieb er der Arbeit aufgrund Krankheit unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung fern. Nach seiner Genesung erschien er erneut ohne Testnachweis bei seinem Vorgesetzten und betonte sich nicht testen lassen zu wollen. Am gleichen Tag mahnte die Beklagte den Kläger erneut ab.
Es folgte eine erneute Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Nach seiner Rückkehr legte er eine Testbescheinigung einer nicht anerkannten Teststelle vor, woraufhin ihn der Arbeitgeber zunächst arbeiten ließ. Als die Vornahme des Tests durch die nichtautorisierte Stelle herauskam, wurde der Kläger von der weiteren Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt und die Annahme seiner Arbeitsleistung abgelehnt. Auch als der Kläger einen Tag später mit dem Attest einer zertifizierten Stelle seine Arbeitsleistung anbot, hielt die Beklagte an seiner Freistellung fest. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos aus wichtigem Grund, nämlich der Vorlage eines Testergebnisses einer nicht autorisierten Stelle, nachdem sie zuvor den Betriebsrat zur Kündigung angehört hatte.
Entscheidung
Das ArbG Bielefeld wies die Klage ab. Vorliegend hatte der Arbeitgeber zunächst den Arbeitnehmer abgemahnt und danach die Kündigung ausgesprochen.
Zur Begründung führte das Gericht an, dass ein nachhaltiger Verstoß des Arbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers, nämlich die Anordnung der Testung, eine Vertragspflichtverletzung darstelle, die eine Kündigung zu rechtfertigen vermag. Dies rechtfertige die Abmahnung und im Wiederholungsfall auch die verhaltensbedingte Kündigung. Bei beharrlicher Verweigerung sei möglicherweise auch die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB gerechtfertigt.
Die Beklagte habe die mangelnde Einhaltung der Vorgaben der SchutzVO nach Rückkehr aus dem Urlaub des Klägers zweimal einschlägig abgemahnt. Der Kläger habe sich diese Abmahnungen nicht zur Warnung dienen lassen und sei bei seinem Arbeitsantritt erneut nicht der Aufforderung der Beklagten gefolgt, ein Negativtestat einer anerkannten Stelle vorzulegen. Vielmehr habe er sich mit einem Attest, das diese Anforderungen nicht erfüllt, durch Täuschung seines Vorgesetzten den Zutritt erschlichen. Das Erschleichen des Zugangs zu der Arbeitsstelle habe das Vertrauen der Beklagten in den Kläger nachhaltig erschüttert. Das Vertrauen sei auch nicht durch die spätere Vorlage eines Attests einer autorisierten Stelle wiederherstellbar. Aufgrund der gezeigten kriminellen Energie, mit der der Kläger seine Interessen durchzusetzen versuchte, sei es der Beklagten nicht zuzumuten, den Kläger bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen.
Praxishinweis
Die beiden Entscheidungen zeigen, dass die Verweigerung eines betrieblich vorgeschriebenen Corona-Schnelltests grundsätzlich die Kündigung, sowohl die ordentliche als auch – unter besonderen Umständen – die außerordentliche Kündigung zur Folge haben können. Voraussetzung ist in der Regel jedoch, dass die Abmahnung ausgesprochen worden ist, sofern nicht besondere Umstände gegeben sind. Dabei wird festgestellt, dass derzeit grundsätzlich die Anordnung eines Schnelltests durch den Arbeitgeber von dessen Weisungsrecht gedeckt ist.
Zuletzt bestand für Arbeitgeber in Bezug auf die Anordnung einer Testpflicht durch § 28b Infektionsschutzgesetz, in dem die 3G-Regelung am Arbeitsplatz vorgeschrieben wurde, mehr Klarheit. Der Arbeitgeber durfte die Vorlage eines Testergebnisses von nicht genesenen oder geimpften Arbeitnehmern verlangen. Diese Regelung galt in ganz Deutschland bis zum 19. März 2022. Vor dem Hintergrund der derzeit hohen Infektionszahlen haben einzelne Bundesländer, u.a. Hessen, nunmehr von der Verlängerung der Maßnahmen bis zum 2. April 2022 Gebrauch gemacht. Zudem werden weitere ländereigene Regelungen über den 2. April hinaus diskutiert. Es zeichnet sich aber ab, dass es in den nächsten Wochen zu einem „Flickenteppich" von Regelungen zum Schutz am Arbeitsplatz kommen kann.
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