Verweigerung PCR-Test: kein Annahmeverzug und somit auch kein Lohn?
Rechtlicher Hintergrund
Im Arbeitsverhältnis gilt der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn", d.h. unterbleibt die Arbeitsleistung entfällt auch der Lohnanspruch. Bietet der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung jedoch an und wird diese vom Arbeitgeber ohne Berechtigung zurückgewiesen, entfällt der Lohnanspruch des Arbeitnehmers nicht. Der Arbeitgeber ist für diesen Zeitraum zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet, der sogenannte „Annahmeverzugslohn".
Sachverhalt
Die Klägerin ist als Flötistin im Orchester der Bayerischen Staatsoper beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern Anwendung. Dieser sieht vor, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei gegebener Veranlassung durch einen Vertrauensarzt oder das Gesundheitsamt auf seine Arbeitsfähigkeit oder das Fehlen von ansteckenden Krankheiten hin untersuchen lassen darf. Die Beklagte stellte für die Spielzeit 2020/2021 ein Hygienekonzept auf, nach dem alle Mitarbeiter regelmäßig einen negativen PCR-Test für Proben und Aufführungen vorweisen müssen. Die Testungen wurden durch die Beklagte in gesonderten Räumlichkeiten im Umfeld der Beklagten kostenfrei für die Mitarbeiter organisiert. Dabei wurden Nasen-Rachen-Abstriche durch medizinisch geschultes Personal durchgeführt. Es stand den Mitarbeitern zudem frei, selbst Testbefunde vorzulegen, wenn der Zeitpunkt des Abstrichs maximal vier Tage vor dem ersten Einsatz lag.
Die Klägerin verweigerte jedoch jegliche Testung. Sie begründete dies damit, dass sie sich weder während ihres Urlaubs in einem Risikogebiet aufgehalten habe, noch Anzeichen einer Corona-Erkrankung bei ihr bestünden.
Daraufhin wurde die Klägerin nicht beschäftigt und nicht bezahlt.
Die Klägerin lehnte die Testung auch in der Folgezeit ab. Sie berief sich darauf, dass die Beklagte zur Anordnung der Testungen nicht berechtigt gewesen sei. Es gäbe keine rechtliche Grundlage für anlasslose, allgemeine PCR-Tests für Orchestermusiker. Ein solcher PCR-Test stelle einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar. Bei der Teststrategie würde weder Datenschutz noch Arztgeheimnis gewahrt. Die Einwilligung in die Übermittlung der Daten an den Testausschuss erfolge nicht freiwillig und nehme auf medizinische Besonderheiten Einzelner keine Rücksicht.
Die Klage blieb erstinstanzlich erfolglos.
Entscheidung
Auch vor dem LAG hatte die Flötistin keinen Erfolg. Ein Annahmeverzug habe nicht bestanden. Die Beklagte müsse die Flötistin weder beschäftigen, noch habe diese einen Anspruch auf Vergütung. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Münchens wurde damit bestätigt.
Seine Entscheidung, die vor Einführung der „3G-Regelung" am Arbeitsplatz erging, begründete das Gericht damit, dass ein Tarifvertrag bestehe, nach dem der Arbeitgeber berechtigt sei, die Testung der Mitarbeiter unabhängig von Symptomen zu verlangen. Das Corona-Virus sei eine ansteckende Krankheit im Sinne der Tarifnorm. Die Krankheit könne auch symptomfrei übertragen werden und führe zu schwerwiegenden Folgen bei den Erkrankten.
Die Testpflicht sei insbesondere verhältnismäßig, da der Schutz der Orchesterkollegen vor einer Ansteckung gerade bei der Tätigkeit als Flötistin, da das Tragen einer Maske nicht angeordnet werden könne, anderweitig nicht möglich sei. Zudem habe der Arbeitgeber den Mitarbeitern die Möglichkeit eingeräumt, die PCR-Testung bei einem Arzt oder einer Teststelle ihres Vertrauens durchzuführen. Durch den Test würde das körperliche Wohlbefinden nur für einen sehr kurzen Zeitraum (wenige Sekunden) und ohne Folgen beeinträchtigt.
Auch einen Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen konnte das Gericht nicht erkennen. Zwar handle es sich Testdaten um sensible Daten im Sinne des Art. 9 Abs.1 DSGVO. Dies mache die Durchführung der Tests aber nicht unzulässig. Art. 9 Abs. 2 DSGVO gestatte die Erhebung und Verarbeitung von Daten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DSGVO durch den Arbeitgeber um Pflichten aus dem Recht der Arbeit, der sozialen Sicherheit sowie der Kollektivvereinbarungen zu erfüllen. Hier erhebe die Beklagte die Daten über die Tests auf Grundlage des Tarifvertrages und damit auf einer kollektivrechtlichen Grundlage.
Die Revision zum BAG wurde in dem Urteil nicht zugelassen.
Praxishinweis
In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte (ArbG) zeichnet sich ab, dass arbeitgeberseitige Anordnungen von Testpflichten wirksam sein können. Arbeitgeber können über gesetzliche Vorgaben hinaus – gerade im Rahmen der Erforderlichkeiten des Arbeitsplatzes – Maßnahmen zum Gesundheitsschutz im Unternehmen anordnen.
Bei der Übertragung des Urteils auf andere Arbeitsverhältnisse ist aber Vorsicht geboten, da die besprochene Entscheidung des Gerichts einen Fall betraf, in dem der Anordnung der Testpflicht ein Tarifvertrag zu Grunde lag, der Untersuchungen durch einen Arzt bei gegebener Veranlassung vorsieht.
Ohne tarifvertragliche Regelung ist die Berechtigung zur Anordnung von PCR-Testungen anders als bei Antigentestungen weiterhin nicht vollständig geklärt. Tarifvertraglichen Regelungen kommt zwischen den Tarifgebundenen nahezu „Gesetzeswirkung" zu, da sie – so die Annahme – zwischen gleichstarken Parteien ausgehandelt sind. Die Sonderstellung tarifvertraglicher Regelungen ergibt sich nicht zuletzt aus § 310 Abs. 4 BGB, der Tarifverträge explizit der Kontrolle der §§ 305 ff BGB entzieht.
Ob die Anordnung einer PCR-Testung auch im Wege einer Betriebsvereinbarung möglich ist, ist durch die Rechtsprechung bisher nicht geklärt. Das ArbG Offenbach hielt in einer Entscheidung vom 3. Juni 2021- 4 Ga 1/21 eine Betriebsvereinbarung über Antigen-Testungen jedenfalls nicht für offensichtlich unwirksam. Betriebsvereinbarungen können grundsätzlich über Fragen geschlossen werden, in denen der Betriebsrat ein „zwingendes" gesetzliches Mitbestimmungsrecht hat. Bezüglich des Gesundheitsschutzes ergibt sich ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Dabei erfordert der wirksame Abschluss einer Betriebsvereinbarung bezüglich anlassloser Corona-Testpflichten aber die Durchführung einer Interessenabwägung nach der eine solche Anordnung angemessen ist, also insbesondere das Arbeitsumfeld diesen Test gebietet.
Existieren keine Regelungen zu ärztlichen Untersuchungen zwischen den Parteien – auch nicht arbeitsvertraglich – kann die Anordnung einer verdachtsunabhängigen PCR-Testung nur auf das Direktionsrecht des Arbeitgebers gestützt werden. Die Wirksamkeit einer solchen Anordnung hängt dann von einer Einzelfallabwägung der widerstreitenden Interessen ab, bei der das verfolgte Ziel nicht durch mildere Mittel erreichbar sein darf. In der Abwägung stehen sich die Schutzinteressen des Arbeitgebers am Funktionieren des Betriebs, der Schutz der übrigen Mitarbeiter und die individuellen Arbeitnehmerinteressen gegenüber.
Nach alledem wird deutlich, dass dem Gesundheitsschutz in der Interessenabwägung besonderes Gewicht zukommt. Arbeitgeber haben sich nicht nur im Rahmen der praktischen Umsetzung von Schutzmaßnahmen mit der Testpflicht auseinanderzusetzen, sondern sind im Falle des Bestehens eines Betriebsrates auch zur Beachtung des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates verpflichtet. Arbeitnehmer müssen beachten, dass die Verweigerung der Befolgung von Testpflichten am Arbeitsplatz schwerwiegende arbeitsrechtliche Sanktionen zur Folge haben können.
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