Rückzahlung von Fortbildungskosten II
Sachverhalt
Die beklagte Arbeitnehmerin absolviert bei der Arbeitgeberin aus dem öffentlichen Dienst ein duales Studium, welches mit einer beruflichen Ausbildung verknüpft ist. Hierzu schlossen die Parteien einen Ausbildungs- und Studienvertrag. § 9 Abs. 2 lit b) des Vertrages sieht eine Rückzahlungspflicht der Beklagten mit folgendem Wortlaut vor:
„Der vom Ausbildenden bezahlte Gesamtbetrag (…) ist von den Studierenden oder den ehemals Studierenden zurückzuerstatten (…) bei Beendigung des ausbildungsintegrierten dualen Studiums durch Kündigung vom Auszubildenden aus einem von der Studierenden zu vertretenem Grund oder durch eine Eigenkündigung der Studierenden, die nicht durch einen wichtigen Grund gemäß § 626 BGB gerechtfertigt ist.“
Nachdem die Beklagte die Ausbildung beendet hatte, kündigte sie im August 2021 den Ausbildungs- und Studienvertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Sie führte an, ihre „Interessen und Ziele hätten sich weg vom öffentlichen Dienst entwickelt“. Die Klägerin verlangte daraufhin die Rückzahlung von übernommenen Studienkosten in Höhe von EUR 8.122,14. Sie stützt den Anspruch auf § 9 Abs. 2 lit b). Die dort geregelte Rückzahlungsverpflichtung sei eingetreten, da eine Eigenkündigung der Beklagten vorliege und diese nicht durch einen wichtigen Grund nach § 626 BGB gerechtfertigt sei.
Das Arbeitsgericht (ArbG) Koblenz wies die Klage ab, da die Rückzahlungsklausel – im Übrigen auch die Ausgestaltung der Vereinbarung in vielen anderen Punkten – die Beklagte unangemessen benachteilige und unwirksam sei, u. a. auch wegen der unzulässigen Vereinbarung. Nach Auffassung des ArbG war die Klausel auch bereits deshalb unwirksam, weil sich die Klägerin in dem Ausbildungs- und Studienvertrag gegenüber der Beklagten hätte verpflichten müssen, die Beklagte nach dem Abschluss der Ausbildung in unmittelbarem Anschluss an die Ausbildung weiter zu beschäftigen. Dies hatte die Klägerin nur vage formuliert.
Die Klägerin verfolgt weiterhin einen Anspruch auf Rückzahlung der Studienkosten und legte beim LAG Berufung gegen das Urteil des ArbG Koblenz ein.
Entscheidung
Das LAG kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Klausel unwirksam ist. Das Gericht ordnet die einschlägige Klausel als AGB im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB ein und misst diese dementsprechend an den §§ 307 ff. BGB. Zur Unwirksamkeit gelangt das Gericht schließlich, indem es zu dem Schluss kommen, die Klausel stelle eine unangemessene Benachteiligung der Arbeitnehmerin im Sinne des § 307 Abs.1 S. 1 BGB dar.
Wie auch das BAG wenige Tage zuvor, macht das LAG deutlich, dass Vereinbarungen und Klauseln, nach denen sich Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen haben, grundsätzlich zulässig sind und den Arbeitnehmer nicht per se unangemessen benachteiligen.
Nach sorgfältiger Auslegung der in Rede stehenden Klausel gelangt das LAG jedoch zu dem Ergebnis, dass die Klausel nicht hinreichend zwischen den Gründen für eine Eigenkündigung der Arbeitnehmerin differenziere: Nach § 9 Abs. 2 lit b) treffe die Beklagte immer dann eine Rückzahlungspflicht, wenn sie das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung beende und hierbei kein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB vorliegt. Den einzigen Ausnahmetatbestand der Rückzahlungspflicht bildet damit das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB. § 626 BGB meint Gründe, aus denen es dem Kündigenden unter keinen Umständen zugemutet werden kann, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen, also den Fall der fristlosen Kündigung. Diese Ausnahme greife aber zu kurz: Denn es sind auch Konstellationen denkbar, in denen die Gründe für eine Eigenkündigung der Arbeitnehmerin aus der Sphäre des Arbeitgebers herrühren, welche nicht die Schwelle eines „wichtigen Grunds“ im Sinne des § 626 BGB erreichen und dennoch die Arbeitnehmerin zur Kündigung veranlassen. Bei dem Anspruch auf Rückzahlung müsse strikt danach differenziert werden, ob die Gründe für die Eigenkündigung allein in der Sphäre des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers liegen, bzw. auch wenn hier die beiden Parteien diesen Grund zu vertreten hätten. In den beiden letzteren Fällen seien Rückzahlungsforderungen nicht möglich, da sonst das Recht des Arbeitnehmers in Hinblick auf seine Rechte an Art. 12 GG unzulässig eingeschränkt werden. Die Beschränkung des Ausschlusses aus diesem wichtigen Grund werde dem nicht gerecht. Das Gericht gibt sogar eine Gestaltungsempfehlung, wenn es ausführt, es empfehle sich eine Klausel, die enumerativ die Rückforderungsgründe aufliste.
Auf Grund der Unwirksamkeit der konkreten Klausel, die sich alleine aus ihrer abstrakten Formulierung ergibt, also nicht einer spezifischen Fallkonstellation, scheiterte hier der Rückforderungsanspruch. Eine geltungseinhaltende Reduktion der Klausel, also eine Reduzierung auf einen wirksamen Inhalt, kommt auch hier – entsprechend allgemeinen Grundsätzen im AGB Recht – nicht in Betracht.
Praxishinweis
Übereinstimmend mit dem wenige Tage zuvor verkündeten Urteil des BAG (ebenfalls in diesem Newsletter besprochen) erklärt das LAG Rheinland-Pfalz eine Klausel zur Rückzahlungsverpflichtung für unwirksam. Es mag zunächst überraschen, dass beide Urteile zu den konkreten Fehlverhalten der Arbeitgeber schweigen, die die Arbeitnehmerinnen zur Eigenkündigung (mit) veranlasst haben sollen. Dies zeigt deutlich auf, dass Klauseln in AGB immer nur auf ihre abstrakte Unangemessenheit hin überprüft werden und dass eine solche abstrakte Unangemessenheit bereits genügt, um dem Anspruchsbegehren des klagenden Arbeitgebers die Grundlage zu entziehen. Auf die konkreten Umstände kommt es hierbei nicht an, da die §§ 307 ff. BGB bereits das Stellen einer unangemessenen Klausel missbilligen, auch wenn – wie hier – bei unwirksamer Gestaltung des Anspruchs auf Rückzahlung sicher gerechtfertigt gewesen wäre.
Das wirft umso mehr die Frage auf, wie Arbeitgeber etwaige Klauseln gestalten sollten: Zunächst dürfte klar sein, dass insbesondere die Rückzahlungspflicht für den Fall einer durch den Arbeitgeber (mit) veranlassten Eigenkündigung des Arbeitnehmers eigens geregelt werden sollte. Weiterhin hilfreich ist der Grundsatz, dass der Auslöser einer Rückzahlungspflicht nur ein Ereignis sein darf, dass ausschließlich in die Verantwortungs- und Risikosphäre des Arbeitnehmers fällt. Hierauf aufbauend sollte bei der Klauselgestaltung eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers immer positiv formuliert werden, sodass sie nur, wie auch das LAG empfiehlt, in abschließend aufgezählten Fällen geleistet werden muss, die allesamt eindeutig der Verantwortungs- und Risikosphäre des Arbeitnehmers zuzurechnen sind.
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