Rückzahlung von Fortbildungskosten I
Hintergrund
Die finanzielle Beteiligung des Arbeitgebers an einer Fortbildungsmaßnahme des Arbeitnehmers stellt in der modernen Arbeitswelt keine Seltenheit dar, ist auch ein Weg zur Qualifizierung der Mitarbeitenden und Gewinnung deren Loyalität. Während der Arbeitnehmer seine berufliche Qualifikation verbessern möchte, hat der Arbeitgeber regelmäßig ein Interesse daran, dass der entsprechende Mitarbeiter sein neu erworbenes Know-How langfristig im bestehenden Arbeitsverhältnis einsetzt. Endet jenes Arbeitsverhältnis während oder im Anschluss an die Fortbildungsmaßnahme, wollen Arbeitgeber in der Regel – jedenfalls anteilig – die gezahlten Fortbildungskosten erstattet bekommen, da sich die „Investition“ als für ihn sinnlos erweisen mag. Dies vorab vertraglich wirksam zu regeln, stellt Arbeitgeber häufig vor eine Herausforderung. Entsprechende Rückzahlungsklauseln stellen in der Regel AGB i.S.d. §§ 305 ff. BGB dar, deren Zulässigkeit im Einzelnen durch eine Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen geprägt ist – auch durch das hier besprochene Urteil des BAG.
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt eine Steuerberater und Wirtschaftsprüfungskanzlei, in welcher die Beklagte als Buchhalterin beschäftigt war. Die Beklagte nahm ab August 2017 an einem „Lehrgang zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung 2017/2018“ teil. Im Dezember 2017 schlossen die Parteien einen Fortbildungsvertrag, der vorsah, dass die Klägerin die Beklagte für den Zweck der Vorbereitung auf den Erwerb des „Berufsexamens Steuerberater“ mit einem Gesamtbetrag von bis zu EUR 10.000 fördert. Das Förderbudget soll dazu eingesetzt werden, Vorbereitungs- und Prüfungskosten abzudecken. Weiterhin sieht der Fortbildungsvertrag vor, dass der in Anspruch genommene Förderbetrag an die Klägerin unter anderem dann zurückzuzahlen ist, „wenn die Angestellte das Examen wiederholt nicht ablegt“. Zur Regelung der Rückzahlungsmodalitäten heißt es sodann im Einzelnen:
„Härtefallregelung: Für den Fall, dass der Angestellte das Examen aus einem nicht von ihm zu vertretenden objektiven Grund (bspw. Dauerhafte Erkrankung, Pflege von Angehörigen) nicht ablegen kann, ist er verpflichtet, das Examen nach Beendigung des Verhinderungsgrundes wieder aufzunehmen und abzuschließen. Falls aufgrund eines zu großen Zeitablaufs oder aufgrund von Bestimmungen der entsprechenden Institutionen eine Wiederaufnahme und Beendigung des Examens nicht möglich sein sollte, ist er nicht zur Rückzahlung der bis dahin geleisteten Förderung verpflichtet.“
In der Folgezeit übernahm die Klägerin Kosten in Höhe von insgesamt EUR 4.083,93. Die Beklagte trat jedoch in den Jahren 2018 bis 2020 nicht zur Steuerberaterprüfung an und kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2020.
Die Parteien streiten schließlich über die Rückzahlung der übernommenen Fortbildungskosten in Höhe von EUR 4.083,93. Das Arbeitsgericht (ArbG) Lingen und das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen sahen den Rückzahlungsanspruch als gegeben an. Die Beklagte legte Revision beim BAG ein.
Entscheidung
Die Revision hatte Erfolg. Das BAG ordnet die Abreden in dem Fortbildungsvertrag als Allgemeine Geschäftsbedingungen ein und misst sie an den §§ 307 ff. BGB. Im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Rückzahlungsklausel die Beklagte „unangemessen benachteilige“ und daher unwirksam sei.
Zunächst hebt das BAG jedoch im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung hervor, dass Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen habe, wenn er die Fortbildung nicht beendet, grundsätzlich zulässig sind. Eine unangemessene Benachteiligung ergäbe sich im vorliegenden Fall jedoch daraus, dass die Klausel ihrem Wortlaut nach auch auf Fälle anwendbar sei, in denen der Arbeitnehmer das Examen nicht ablegt, da ihm das Fortführen des Arbeitsverhältnisses wegen eines arbeitgeberseitigen Fehlverhaltens nicht mehr zugemutet werden könne und er dieses deshalb durch eine Eigenkündigung beende.
Die Klausel differenziere nicht danach, ob die Gründe für das Nichtablegen des Examens letztlich in der Verantwortungssphäre des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers lagen. Diese Differenzierung forderte das BAG bereits in einem Urteil aus dem Jahr 2022. Es machte deutlich, dass eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers derart gestaltet sein muss, dass „praktisch relevante Fallkonstellationen“ erfasst werden, in denen der Arbeitnehmer keine Rückzahlung schuldet. Eine durch ein Fehlverhalten des Arbeitgebers (mit)veranlasste Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer sei im Arbeitsleben keine so fernliegende Fallkonstellation, dass diese nicht in einer Rückzahlungsklausel geregelt werden könne. Die undifferenzierte Ausgestaltung der Rückzahlungspflicht sei dazu geeignet, einen Bleibedruck auf den Arbeitnehmer auszuüben, sodass dieser von einer Kündigung absehe. Hierdurch sei der Arbeitnehmer in seinem Grundrecht auf die freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 GG unzulässig beeinträchtigt.
Die im ersten Satz der Härtefallregelung genannten Gründe befreien den Arbeitnehmer zunächst nur davon, das Examen ablegen zu müssen, nicht aber von der Rückzahlungspflicht. Zudem könne der zweite Satz der Härtefallklausel nicht dahingehend ausgelegt werden, dass dieser sämtliche Tatbestände, bei deren Vorliegen eine Rückzahlungspflicht unangemessen erscheint, umfassen sollte.
Es ist aus dem Urteil auch zu erkennen, dass typische Gründe, die zum Verlust des Rückzahlungsanspruchs führen können, erwähnt sein müssen, nicht in einer „allgemeinen Härtefallregelung“ aufgefangen werden können. Mit dem Fortfall der Klausel fehlte dem Rückzahlungsbegehren der Klägerin die Grundlage.
Praxishinweis
Das Urteil macht wieder einmal deutlich, dass bei der Formulierung von Klauseln zur Rückzahlungspflicht in Rahmen eines Fortbildungsvertrages zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Vorsicht geboten ist, solche Vereinbarungen – wie die Erfahrung zeigt – hohen rechtlichen Risiken ausgesetzt sind. Dennoch hinterlässt das Urteil Unklarheiten: Das Gericht verwendet ein weiteres Mal den Begriff der „praktisch relevante Fallkonstellationen“, die in Rückzahlungsvereinbarungen zu regeln sind. Gerade diese Formulierung lässt viel Spielraum für die gerichtliche Überprüfung von Rückzahlungsklauseln. Nach dieser Rechtsprechung des BAG und des wenige Tage später verkündeten Urteils des LAG Rheinland-Pfalz (ebenfalls in diesem Newsletter besprochen) dürfte klar sein, dass jedenfalls der Fall einer durch den Arbeitgeber (mit) verursachten Eigenkündigung des Arbeitnehmers in der Rückzahlungsvereinbarung eigens geregelt werden sollte.
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