Vorgabe der Arbeitskleidung: Bei der Wahl der Farbe hat der Arbeitgeber die Hosen an
Sachverhalt
Der Kläger war seit 2014 bei der Beklagten im Betriebsbereich Montage beschäftigt. Mit einer im September 2023 veröffentlichten Hausordnung regelte die Beklagte unter anderem, dass die Arbeitnehmer im Produktionsbereich und damit auch in der Montage einerseits aus Gründen der Arbeitssicherheit und andererseits zur Stärkung der „Corporate Identity“ bestimmte Arbeitskleidung zu tragen haben. Diese auf Kosten der Beklagten angeschaffte Arbeitskleidung besteht unter anderem aus einer roten Arbeitshose, die den Farbton des Firmenschriftzugs aufgreift. Das Tragen eben dieser roten Hosen war bereits vor der Einführung der Hausordnung im September 2023 praktisch durch alle Arbeitnehmer umgesetzt worden – so auch durch den Kläger. Dennoch erschien der Kläger Anfang Oktober 2023, kurz nach der Bekanntmachung der Hausordnung, in einer dunklen Arbeitshose am Arbeitsplatz. Hieran hielt der Kläger weiter fest, selbst nachdem die Beklagte eine weitere Aufforderung zum Tragen der roten Hose ausgesprochen hatte und mit ihm diesbezüglich ein Personalgespräch geführt wurde. Am 3. November 2023 wurde der Kläger hierfür abgemahnt. Nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub, sowie nach einer weiteren Abmahnung am 23. November 2023, erschien der Kläger weiterhin und zuletzt auch am 24. November 2023 in dunkler Arbeitshose. Daraufhin erklärte die Beklagte am 27. November 2023 die ordentliche und fristgerechte Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 29. Februar 2024.
Der Kläger erhob gegen diese Kündigung eine Kündigungsschutzklage. Er war der Auffassung, dass die Beklagte kein Recht habe, ihm die Weisung zu erteilen, eine rote Hose zu tragen. Hiermit blieb er vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Solingen erfolglos. Mit der Berufung beim LAG Düsseldorf verfolgt der Kläger sein Ziel weiter.
Entscheidung
Das LAG bestätigte die Entscheidung des ArbG. Die Kammer hatte zu beurteilen, ob die durch die Beklagte ausgesprochene verhaltensbedingte Kündigung vom 27. November 2023 das Arbeitsverhältnis wirksam beendet hat. Hierfür war zu ermitteln, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Dies kann unter anderem dann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer sich derart beharrlich weigert, arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen, sodass der Arbeitgeber in der Zukunft nicht mehr damit rechnen kann, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten ändern wird.
Die Weisung zum Tragen einer roten Arbeitshose ist nach Ansicht des LAG vom Weisungsrecht der Beklagten aus § 106 GewO gedeckt, da sie hiermit die Arbeitsleistung konkretisiert und insbesondere auch die Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb regelt. Das Weisungsrecht der Beklagten hat jedoch auch seine Grenzen. Eine Weisung muss auf Grundlage einer rechtmäßigen Ermessensentscheidung erfolgen, welche insbesondere die im Grundgesetz (GG) festgehaltenen Grundrechte der Arbeitnehmer berücksichtigen. Konkret bedeutet dies, dass eine Weisung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer dessen Grundrechte nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen darf.
Auf der Seite des Klägers sieht die Kammer das sog. Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG betroffen. Durch dieses weit gefasste Grundrecht soll unter anderem gewährleistet werden, dass jede Person selbst bestimmen kann, wie sie sich in ihrem sozialen Umfeld – hierzu zählt grundsätzlich auch der Arbeitsplatz – darstellen und daher auch kleiden möchte. Allerdings ist auch die Beklagte in ihrem Handeln durch das Grundgesetz nicht schutzlos gestellt: Das Erteilen einer Weisung im Betrieb ist von der unternehmerischen Betätigungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG umfasst und gewährleistet das Recht, den Inhalt und die Umstände der Erbringung der Arbeitsleistung im Einzelfall konkretisieren zu dürfen. Die betroffenen Grundrechtspositionen des Klägers und der Beklagten stehen im Widerspruch zueinander und müssen daher in einen Ausgleich gebracht werden. Durch die Weisung der Beklagten sieht das LAG das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers zwar betroffen, jedoch nicht in einer unverhältnismäßigen Weise eingeschränkt. Hierfür sprechen vor allem drei Argumente:
Zunächst spreche für die Beklagte, dass die Weisung zum Tragen einer roten Hose kein Akt reiner Willkür war, sondern legitimen Gründen beruhte: einerseits die Stärkung der Corporate Identity und andererseits die Steigerung der Arbeitssicherheit im Bereich der Produktion. Für letzteres Ziel sehen die Richter die rote Hose auch als ein geeignetes Mittel an, da durch diese die Sichtbarkeit der Mitarbeiter tatsächlich erhöht wird und Unfälle mit Gabelstaplerfahrern vorgebeugt werden können. Zudem ist die Intensität des Eingriffs in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Sicht des LAG als eher gering einzustufen. Durch den Farbton der Hose werde lediglich die Farbe des Firmenschriftzuges aufgegriffen und die Arbeitnehmer nicht als „menschliche Werbetafeln“ ausgestaltet. Schließlich falle besonders ins Gewicht, dass der Kläger vor der Einführung der Hausordnung die in Rede stehende Hose beanstandungslos getragen hatte.
Die Abwägung entschied das LAG daher zugunsten der Beklagten. Die Weisung zum Tragen einer roten Hose sei durch die Weisung wirksam zu einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis geworden. Dass der Kläger diese dennoch bewusst und nachhaltig nicht erfüllte, indiziert, dass eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist und eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Insbesondere das Festhalten an seiner Weigerung trotz einschlägiger Abmahnungen indiziert eine besonders beharrliche Verweigerung des Klägers. Zuletzt stellte das Gericht noch klar, dass das Fehlen jeglicher Begründung seitens des Klägers, weswegen er die rote Hose ablehnte, anzeige, dass er es offenbar „aus Prinzip“ auf die Eskalation mit der Beklagten angelegt habe. Durch dieses Verhalten lasse der Kläger der Beklagten, sofern diese die Betriebsdisziplin nicht völlig aus der Hand geben wollte, letztlich gar keine andere Wahl als das Arbeitsverhältnis mit ihm zu beenden.
Ausblick und Praxishinweis
Diese Entscheidung des LAG ist aus Arbeitgebersicht zu begrüßen. Arbeitgeber sollten bei der Ausgestaltung einzelner dienstlicher Weisungen beachten, dass die hierdurch verfolgten (legitimen) Zwecke der Weisung – bestenfalls bereits im Wortlaut – deutlich werden. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass einer Weisung im Nachgang nicht der Vorwurf der Willkür entgegengehalten werden kann. Erfreulich ist, dass die Kammer auch die Stärkung einer Corporate Identity durch ein einheitliches Erscheinungsbild als legitimen Zweck des Arbeitgebers anerkannt hat. Die Entscheidung macht deutlich, dass eine derartige beharrliche Weigerung auf eine Arbeitgeberweisung praktisch nur in eine Kündigung münden kann. Für Fälle, in denen ein ansonsten beanstandungsloses und langjähriges Arbeitsverhältnis besteht, kann das im Einzelfall und je nach Gewicht der Verweigerung ein jähes Ende darstellen. Diese für beide Parteien unangenehme Konsequenz kann vermieden werden, indem der Arbeitnehmer die unliebsame Weisung zunächst ausführt und parallel hierzu anwaltlich bzw. gerichtlich deren Rechtmäßigkeit prüfen lässt. So riskiert er jedenfalls keine Abmahnungen oder gar Kündigungen und erhält dennoch Rechtssicherheit.
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Jonas Anders, LL.M.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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