Angemessene Dauer einer Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen
Sachverhalt
Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung. Die Arbeitnehmerin war seit dem 22. August 2022 im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war auf ein Jahr befristet. Im Arbeitsvertrag war eine Probezeit von vier Monaten vorgesehen, während deren Dauer beide Parteien das Arbeitsverhältnis durch Kündigung mit einer Frist von zwei Wochen beendigen konnten. Die Probezeit sollte sich in drei Phasen unterteilen: ein dreiwöchiges theoretisches Training, ein vierwöchiges „Nesting Training“ und eine neunwöchige „Non-Tenure-Phase“. Nach Ablauf der Probezeit galt die ordentliche Kündigungsfrist unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 622 BGB ein.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2022, also vor Ablauf der Probezeit, kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem Wortlaut „innerhalb der Probezeit ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt“, nach Auffassung der Arbeitgeberin war dies der 28. Dezember 2022.
Gegen diese Kündigung erhob die Arbeitnehmerin eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Berlin. Sie vertrat die Auffassung, dass die vereinbarte viermonatige Probezeit entgegen § 15 Abs. 3 TzBfG unverhältnismäßig lang und die Kündigung damit insgesamt unwirksam sei. Außerdem habe die Arbeitgeberin einen Kündigungsgrund i.S.d. § 1 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nennen müssen. Die sechsmonatige Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG sei nämlich entsprechend einer verhältnismäßigen Probezeit auf eine angemessene Dauer von drei Monaten herabzusetzen. Die Arbeitgeberin rechtfertigte die Probezeit damit, dass eine 16-wöchige Ausbildungszeit erforderlich gewesen sei.
Das ArbG entsprach der Klage insoweit, als dass es die Probezeitvereinbarung für unwirksam erklärte. Im Übrigen wies es die Klage ab und stellte fest, dass durch die Kündigung das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist von vier Wochen gem. § 622 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum 15. Januar 2023 beendet worden sei. Gegen dieses Urteil wandte sich die Arbeitnehmerin mit der Berufung.
Entscheidung
Die Berufung der Arbeitnehmerin als auch die Anschlussberufung der Arbeitgeberin blieb ohne Erfolg. Das LAG bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz, indem es zum Einen die Vereinbarung einer viermonatigen Probezeit für unwirksam ansah, zum Anderen das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 9. Dezember 2022 unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist für wirksam aufgelöst erachtete.
Die viermonatige Probezeitregelung im Arbeitsvertrag stelle eine allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) dar, die gem. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei, da sie bei einer Gesamtbefristungsdauer von nur einem Jahr nicht mit § 15 Abs. 3 TzBfG vereinbar sei und die Arbeitnehmerin unangemessen benachteilige. Grundgedanken des § 15 Abs. 3 TzBfG sei es, dass die Dauer der Befristung und die Dauer der Probezeit aufeinander bezogen sein und relativ in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen müssen. Die Bestimmung zur Kündigung sei somit gänzlich unwirksam. Die Rechtsprechung passt – aus grundsätzlichen Erwägungen – eine Klausel auch nicht insoweit so an, so dass sie wirksam wird.
Zwar legen weder § 15 Abs. 3 TzBfG noch Art. 8 Abs. 2 EU-RL 2019/1152 ein starres Verhältnis von Gesamtbefristung zu der Dauer einer Probezeit fest. Die Dauer der Probezeit richte sich nach dem im Einzelfall bestehenden Zweck der Probezeit zur Überprüfung des Arbeitnehmers. Das LAG führte jedoch an, dass auch allgemeine Quoren gebildet werden können, wonach eine Probezeit regelmäßig angemessen sei, wenn sie bei einer insgesamt einjähriger Befristung weniger als 25 % der Laufzeit ausmache. In begründeten Ausnahmefällen könne eine längere Probezeit vereinbart werden, wenn der Verwender darlege, dass die Erprobung des Arbeitnehmers in dem konkreten Einzelfall länger dauern müsse, um dem Überprüfungszweck der Probezeit noch gerecht zu werden. Dies sei der Arbeitgeberin nach Ansicht des LAG nicht gelungen. Die Probezeit betrug vorliegend ein Drittel der Gesamtdauer der Befristung, ohne dass besondere Erfordernisse hierfür ersichtlich waren.
Ungeachtet der Unwirksamkeit der Probezeitregelung war die Befristung des Arbeitsverhältnisses im Übrigen wirksam und aufgrund der Vereinbarung einer ordentlichen Kündigungsfrist auch in der Befristung ordentlich kündbar.
Das Gericht nahm für die Auslegung des Kündigungstermins gem. § 306 Abs. 2 BGB einen Rückgriff auf die Regelung des § 622 Abs. 1 BGB vor. Die Nichtigkeit der Probezeitregelung hatte nach Auffassung des LAG zur Folge, dass für die ausgesprochene Kündigung auch die für die Probezeit geltende zweiwöchige gesetzliche Kündigungsfrist gem. § 622 Abs. 3 BGB nicht anwendbar ist. Die gem. § 1 Abs. 1 KSchG für die Erlangung des Kündigungsschutzes erforderliche sechsmonatige Wartezeit, welche von der vertraglichen Probezeitregelung zu unterscheiden ist, war jedoch noch nicht verstrichen. Das LAG sah auch keinen Willen des europäischen Normengebers, mit Art. 8 Abs. 2 EU-RL 2019/1152 eine Vorverlegung des Kündigungsschutzes gemäß § 1 Abs. 1 KSchG anzustreben. Somit war die Kündigung letztendlich wirksam.
Ausblick und Praxishinweis
Die Frage nach der angemessenen Dauer einer Probezeit wurde von Arbeitsgerichten bislang nicht einheitlich beantwortet. So hielt etwa das LAG Schleswig-Holstein mit seinem Urteil vom 18.10.2023 (Az.: 3 Sa 81/23) im letzten Jahr pauschal eine Probezeit für angemessen, welche die Hälfte der Befristungsdauer (also das Doppelte der hier vertretenen 25%) ausmacht. Die bestehende Rechtsunsicherheit dürfte jedoch bald beseitigt werden: In beiden Verfahren wurde die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen, welche in beiden Verfahren eingelegt wurde und gegenwärtig auf die eine Entscheidung warte. Das oben diskutierte Urteil zeigt jedoch, dass es Arbeitgebern bis dahin geraten sei, zur Sicherheit eine kürzere Probezeit von lediglich 25% der Gesamtbefristungsdauer zu vereinbaren, es sei denn, eine längere Erprobungsphase lässt sich nachvollziehbar begründen.
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