BVerfG hebt BAG auf: Vorbeschäftigung führt grundsätzlich zur Unwirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung
Nach Beschluss des höchsten deutschen Gerichts ist eine sachgrundlose Befristung grundsätzlich nur einmal und nur bei der erstmaligen Einstellung bei demselben Arbeitgeber möglich, für eine Karenzperiode lasse das Gesetz keinen Raum.
Die Voraussetzungen zur Befristung eines Arbeitsverhältnisses sind in § 14 TzBfG geregelt. Gem. § 14 Abs. 2 S.1 TzBfG darf ein Arbeitsverhältnis höchstens für die Dauer von zwei Jahren sachgrundlos befristet und die Befristungsabrede höchstens drei Mal verlängert werden. Nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist eine sachgrundlose Befristung jedoch unzulässig, „wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat" (sog. Vorbeschäftigungsverbot). Hierzu können auch zeitlich zurückliegende Arbeitsverhältnisse gehören, was gerade bei großen Arbeitgebern kaum nachhaltbar sein mag, vor Allem wenn auch der Arbeitgeber lediglich den damaligen Vorarbeitgeber juristisch nachgefolgt ist, z.B. bei einer Verschmelzung.
Unwirksamkeit der zeitlichen Beschränkung des Vorbeschäftigungsverbots
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte seit 2011 das Vorbeschäftigungsverbot dahingehend ausgelegt, dass eine sachgrundlose Befristung eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich auch dann wieder möglich sei, wenn ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber mehr als drei Jahre zurückliege. Hier sollte den praktischen Schwierigkeiten der Erkennbarkeit einer Vorbeschäftigung vorgebeugt werden, aber auch vor längerer Zeit Vorbeschäftigten kein „juristischer Stein" in den Weg gelegt werden, wieder beschäftigt zu werden. Dies schien gerade sachgerecht, wenn die Vorbeschäftigung in keinem sachlichen Zusammenhang zu der neuen Beschäftigung steht. Warum soll eine Anstellung in der Division C eines Großkonzerns durch eine Vorbeschäftigung in der Division A verhindert werden?
Diese Auslegung ist jedoch nach Ansicht des BVerfG mit dem Willen des Gesetzgebers aus verschiedenen Gründen nicht vereinbar. Das Vorbeschäftigungsverbot folge einer gesetzgeberischen Grundentscheidung, nach der eine sachgrundlose Befristung nur bei der erstmaligen Einstellung zulässig sein soll. Damit habe sich der Gesetzgeber gegen eine zeitliche Begrenzung des Verbots entschieden. Dies ergebe auch die Auswertung der Begründung des Gesetzentwurfs zum TzBfG sowie der Stellungnahme der Bundesregierung und des Bundesrats.
Sinn und Zweck des Vorbeschäftigungsverbots sei es zudem, u. a. die unbefristete Tätigkeit als primäre Beschäftigungsform anzuerkennen und (weiter) zu etablieren. Dadurch sollen Arbeitnehmer vor sog. Kettenbefristungen bewahrt werden. Eine Regelung, die es den Arbeitsvertragsparteien erlaube, nach einem gewissen Zeitraum (dem BAG zufolge drei Jahre) erneut eine sachgrundlose Befristung zu vereinbaren, erreiche diese Ziele des Gesetzgebers nicht in gleicher Weise wie eine Begrenzung der Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung auf ein einziges Mal. Eine Kettenbefristung werde damit ermöglicht.
Auch könne man dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 S.1 TzBfG „[...] Befristung nicht zulässig, wenn [...] zuvor ein [...] Arbeitsverhältnis bestanden hat" nicht entnehmen, ob jede oder nur die in zeitlichem Zusammenhang stehende Vorbeschäftigung einer sachgrundlosen Befristung entgegenstehe. Die richterliche Rechtsfortbildung (so wie dies durch die Auslegung der Norm durch das BAG erfolgt ist) dürfe den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen und durch ein eigenes Regelungsmodell ersetzen. Die Grenze der Auslegung ist der Wortlaut.
Ausnahmen sind möglich
Nach Ansicht des BVerfG soll eine sachgrundlose Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber jedoch dann möglich sein, soweit keine Gefahr einer Kettenbefristung vorliegt und unbefristete Beschäftigungsverhältnisse die Regel seien. Folglich seien Ausnahmen denkbar, wenn eine Vorbeschäftigung „sehr lang zurückliege", „ganz anders geartet" oder „nur von sehr kurzer Dauer" gewesen sei. Dies könne z.B. der Fall sein bei einer geringfügigen Nebenbeschäftigung während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung oder bei einer Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergehe. Die Fachgerichte seien insoweit aufgefordert, in „derartigen Fällen" durch verfassungskonforme Auslegung §14 Abs.2 S.2 TzBfG einzuschränken.
Konsequenzen für die Praxis
Die Entscheidung des BVerfG bringt erhebliche Konsequenzen für die Praxis mit sich. Grundsätzlich sollte von nun an erstmal davon ausgegangen werden, dass jede Vorbeschäftigung beim selben Arbeitgeber dazu führt, dass eine sachgrundlose Befristung unwirksam ist mit der Konsequenz, dass das abgeschlossene sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis zu einem unbefristeten wird. Zwar hat das BVerfG Ausnahmen von diesem Grundsatz formuliert. Allerdings sind diese in Bezug auf Dauer und Umfang nicht konkret gefasst, so dass derzeit Rechtsunsicherheit dahingehend besteht, wann genau und in welchem Umfang diese Ausnahmen tatsächlich greifen. Es bleibt also abzuwarten, wie die Gerichte im Einzelfall entscheiden werden.
Die Arbeitgeber sind mehr denn je auf verlässliche Dokumentationen von vormaligen Beschäftigungen angewiesen, bzw. – darauf weist das BVerfG hin – sollten diesbezüglich auch ihr Fragerecht ausüben.
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