Tarifverträge können jährliche Sonderzahlungen vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. März des Folgejahres abhängig machen
Sachverhalt
Der Beklagte arbeitete als Busfahrer in einem Verkehrsunternehmen. Auf sein Arbeitsverhältnis fand aufgrund Verweisklausel ein Tarifvertrag Anwendung, welcher eine Sonderzahlung – auch als Vergütung für geleistete Arbeit – vorsieht. Dort heißt es, scheidet der Arbeitnehmer bis zum 31. März des Folgejahres „aus eigenem Verschulden" oder „auf eigenen Wunsch" hin aus, so sei die Sonderzahlung zurückzuzahlen.
Der Beklagte kündigte sein Arbeitsverhältnis im Oktober 2015 zum Januar 2016, erhielt allerdings, wie üblich, im November 2015 die Sonderzahlung. Die Arbeitgeberin forderte sodann diese Sonderzahlung von dem Beklagten zurück, was dieser jedoch ablehnte, da dies seines Erachtens gegen das Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoße und eine unverhältnismäßige Kündigungsbeschränkung darstelle.
Das LAG Baden-Württemberg gab der Klägerin, der Arbeitgeberin, Recht (Az. 9a Sa 12/17) und auch die Revision des Beklagten vor dem BAG hatte keinen Erfolg.
Die Rückzahlungsverpflichtung wäre unwirksam, wenn sie als arbeitsvertragliche AGB den Vertragspartner unangemessen benachteiligen würde. Arbeitsvertraglich in ihrer Gesamtheit einbezogene Tarifverträge unterliegen jedoch keiner solchen Inhaltskontrolle.
Die Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten, die sich aus der tarifvertraglichen Stichtagsregelung ergibt, verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Sie verletzt insbesondere nicht Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichberechtigung) und Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit), so das BAG. Denn die Rückzahlungsregelung greife zwar in die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers ein – da sie ihm die Kündigung durch den Verlust der Sonderzahlung erschwere – diese Einschränkung sei jedoch „noch" verhältnismäßig.
Tarifvertragsparteien stehen – anders als Parteien eines Arbeitsvertrags, aber auch denen einer Betriebsvereinbarung – bei Bestands- bzw. Stichtagsregelungen aufgrund Tarifautonomie ein Beurteilungs-, Ermessens- und Gestaltungsspielraum zu; sie sind jedenfalls nicht verpflichtet, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu finden. Im vorliegenden Fall wurden die Grenzen des Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien somit nicht überschritten, so das BAG. Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber annimmt, dass Tarifvertragsparteien sich auf gleicher Ebene gegenüberstehen, der Arbeitnehmer im Arbeitsvertragsverhandlungen eher eine unterlegene Stellung habe, also in anderem Umfang schutzbedürftig ist.
Dass hier ein Mischcharakter der Sonderzuwendung vorliegt – nicht nur Betriebstreue werde honoriert, sondern auch geleistete Arbeit – habe hierbei keinerlei Relevanz. Denn den Zweck der Sonderzahlung, Mitarbeiter auch für die Zukunft zu engagierter Mitarbeit zu motivieren, könne sie bei bereits ausgeschiedenen Mitarbeitern nicht erfüllen. Gerade dieser Punkt wird in individualvertraglichen Regelungen anders gesehen. Gerade der Mischcharakter, der auch Vergütung für geleistete Arbeit vorsieht, schließt die Rückforderung aus, wenn das Ausscheiden nach dem Bezugszeitraum erfolgt.
Fazit
Die tarifliche – nicht die arbeitsvertragliche – Rückzahlungsforderung von Sonder- zahlungen bei Eigenkündigung des Arbeitnehmers bis zum 31. März des Folgejahres ist daher – aufgrund einer tarifvertraglichen Einbeziehung – rechtswirksam.
Hier zeigt sich einmal, dass die Stellung des Arbeitgebers auch etwas stärker sein kann, wenn er Ansprüche tarifvertraglich verankern konnte.
Autorin: Claudia Eichler, Claudia.Eichler@kallan-legal.de
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