Vergütung von Reisezeit bei Geschäftsreisen
Die Frage, ob Reisezeit zu vergüten ist, gehört seit vielen Jahren zu den komplexesten Themen des Arbeitsrechts.
Nach bisheriger Rechtslage ist für den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers für Reisezeiten insbesondere danach zu differenzieren, ob die Dienstreise während der betriebsüblichen Arbeitszeit stattfindet oder über diese hinausgeht. Dienstreisen, die während der üblichen Arbeitszeit stattfinden, sind mit dem üblichen Lohn zu vergüten, soweit kollektiv- oder individualvertraglich nichts Abweichendes vereinbart ist. Bezüglich Reisezeiten, die außerhalb der üblichen Arbeitszeit liegen, entschieden die Gerichte bis vor wenigen Jahren wesentlich arbeitgeberfreundlicher. Je nach Reiseart und -umständen ist zu entscheiden ob diese Zeiten als Arbeitszeit zu vergüten sind.
Bis zuletzt vertritt das Bundesarbeitsgericht durchgängig die Auffassung, dass die vom Arbeitgeber angeordnete Fahrtzeit vom Betrieb zu einer auswärtigen Arbeitsstelle grundsätzlich vergütet werden muss. Das solle auch bei Mitarbeitern, bei denen Reisen nicht Hauptpflicht oder zur Erfüllung der Hauptpflicht nötig ist, gelten. Das BAG stellte jedoch auch klar, dass durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Fahrten vom Betrieb zur auswärtigen Arbeitsstelle getroffen werden könne (BAG, Urt. v. 12. Dezember 2012 – 5 AZR 355/12). Existiert keine tarifliche oder vertragliche Regelung, kommt es für die Vergütung der Reisezeit darauf an, ob i.S.d. § 612 Abs. 1 BGB „die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist".
In seinem Urteil vom 17. Oktober 2018 nahm sich das BAG der Frage an, in welchem Umfang Reisezeit zu vergüten war. Hier ging es um die Frage, ob eine aufgrund der Wahl des Reisewegs, hier nach Wahl des Arbeitnehmers, verlängerte Reisezeit als Arbeitszeit zu vergüten war (BAG, Urteil vom 17. Oktober 2018 – 5 AZR 553/17).
Sachverhalt
Der Kläger ist technischer Mitarbeiter eines Bauunternehmens und wird auf wechselnden Baustellen im In- und Ausland eingesetzt. Im Jahr 2015 entsandte ihn sein Arbeitgeber, die Beklagte, auf eine Baustelle nach China. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Rahmentarifvertrag für die Angestellten und Poliere des Baugewerbes (RTV-Bau) Anwendung. Nach § 7 Nr. 4 RTV-Bau hat der Arbeitnehmer bei einem Einsatz an einer Arbeitsstelle ohne tägliche Heimfahrt für die erforderliche An- und Abreisezeit Anspruch auf seinen Gesamttarifstundenlohn ohne jeden Zuschlag.
Die Beklagte hatte auf Wunsch des Klägers statt Direktflügen in der Economy-Class, den Hin- und Rückflüge in der Business Class mit Zwischenstopp in Dubai gebucht. Der Kläger war dadurch auf der Hin- und Rückreise insgesamt 4 Tage unterwegs. Wie lange er mit einem Flug in der Economy-Class unterwegs gewesen wäre, hatten die Vorinstanzen nicht festgestellt. Für die Reisetage zahlte die Beklagte die Vergütung von 8 Stunden pro Tag. Daraufhin machte der Kläger die Vergütung inklusive Überstundenzuschlag von 15 Stunden für die Hinreise und 22 Stunden für die Rückreise geltend.
Das vorinstanzlich befasste LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 13. Juli 2017 – 2 Sa 468/16) hatte entschieden, dass der Kläger nach § 7 Nr. 4 RTV-Bau einen Anspruch auf Vergütung der erforderlichen Reisezeiten habe, die für seinen Auslandseinsatz über die von der Beklagten bereits vergüteten 8 Stunden pro Arbeitstag hinaus aufgewandt worden sei. Ihm stünde danach eine Vergütung für die insgesamt 37 überobligatorisch geleisteten Arbeitsstunden zu. Durch die Beschränkung des Anspruchs auf die erforderliche Reisezeit würden nur sachlich nicht nachvollziehbare Umwege ausgeschlossen. Da die Beklagte sich auf den Wunsch des Klägers nach einem Flug in der Business Class einließ, stelle der Zwischenstopp in Dubai und die dadurch längere Reisezeit einen solchen nicht nachvollziehbaren Umweg aber gerade nicht dar. Es komme daher nur auf die tatsächliche Reisezeit des Klägers an.
Entscheidung des BAG
Die daraufhin von der Beklagten eingelegte Revision zum BAG hatte teilweise Erfolg. Das BAG entschied, dass dem Kläger die erforderliche Reisezeit wie Arbeitszeit zu vergüten sei, denn bei einer Entsendung des Arbeitnehmers ins Ausland erfolge die Reise zur auswärtigen Arbeitsstelle und zurück ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers. Erforderlich sei dabei jedoch grundsätzlich nur die Reisezeit, die bei einem Nonstop-Flug anfalle. Da die Vorinstanz über die erforderliche Zeit um Rahmen eines Direktfluges keine ausreichenden Feststellungen getroffen hat, wurde die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.
Fazit und Praxishinweis
Da bislang nur eine Pressemitteilung vorliegt, wird ein abschließendes Fazit erst möglich sein, wenn das BAG die Urteilsgründe veröffentlicht. Einen grundlegenden Wandel seiner bisherigen Rechtsprechung stellt das Urteil, trotz zum Teil anderslautender Pressemitteilungen, nach bisherigem Stand jedoch nicht dar. Letztlich bestätigt das Urteil den bisherigen Grundsatz, wonach Reisezeit zu vergüten ist und dass ohne klare kollektiv- oder individualarbeitsrechtlicher Regelungen die konkrete Vergütungshöhe oft unklar ist. Korrektiv ist dabei die „Erforderlichkeit" der Reisezeit. Anders als das LAG sah das BAG im vorliegenden Fall nicht die tatsächliche Reisezeit, sondern die Reisezeit, die bei einem Nonstop-Flug angefallen wäre, als erforderlich an.
Falls es keinen Tarifvertrag und keine Betriebsvereinbarung gibt, der Regelungen zu Reisezeiten und deren Vergütung enthält, ist es ratsam, hierzu Regelungen im Arbeitsvertrag zu treffen. Denn der ansonsten anwendbare und sehr offen formulierte § 612 BGB kann schnell zu Unklarheiten führen. Was insbesondere „erforderlich" ist, hängt vom Einzelfall ab. Bei der vertraglichen Gestaltung besteht ein gewisser Spielraum. Beispielsweise kann vereinbart werden, dass nur ein Teil der Reisezeit vergütet wird (BAG, Urteil vom 3. September 1997 – 5 AZR 519/05). Arbeitgeber sollten aber unbedingt darauf achten, nicht gegen das sog. Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S.2 BGB zu verstoßen. Auch sollte möglichst präzise formuliert und nicht offengelassen werden, was genau als „Reisezeit" zählt. So entschied das BAG (Urteil vom 20. April 2011 ? 5 AZR 200/10), dass eine Klausel, nach der Reisezeiten mit der Bruttomonatsvergütung abgegolten sind, intransparent ist, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag nicht ergibt, welche „Reisetätigkeit" von ihr in welchem Umfang erfasst werden soll. Letzteres dürfte jedoch nur relevant sein, wenn Überstunden nicht ohnehin mit dem Grundgehalt wirksam abgegolten worden sind.
Außerdem darf es durch die vertragliche Regelung nicht zu einer Umgehung des Mindestlohngesetzes kommen. Die in einem Kalendermonat insgesamt geleistete vergütungspflichte Arbeit darf den gesetzlichen Anspruch auf den Mindestlohn nicht unterschreiten (BAG, Urteil vom 25. April 2018 – 5 AZR 424717).
Zuletzt sei darauf hingewiesen, dass die Frage, ob Reisezeit als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes zu werten ist, mit der obigen Vergütungsfrage wenig zu tun hat. Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, liegt vielmehr grundsätzlich nur vor, wenn der Arbeitnehmer auf der Dienstreise arbeitsbezogen tätig wird, wobei auch hier zahlreiche Sonderfälle gelten.
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