Keine Kündigung wegen verweigertem Home Office
In Zeiten von Digitalisierung und „Arbeiten 4.0" ist das sogenannte „Home Office" in aller Munde. Zahlreiche Vorteile auf beiden Seiten werden von Befürwortern angeführt: Weniger Wegezeiten und Pendelei, mehr Work-Life-Balance, eingesparte Raummieten, um nur einige zu nennen.
Was aber, wenn ein Arbeitnehmer dieses (vermeintlich) attraktive Arbeitsmodell eben nicht ausüben möchte – darf der Arbeitgeber ihn dann dazu zwingen? Denn nicht jedem mag die „Entgrenzung" von Freizeit und Arbeit zusagen. Eingeschränkter Kontakt zum Betrieb und Kollegen kann auch von Nachteil sein.
Darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigen, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit aus dem Home Office ablehnt? Hierzu urteilte das LAG Berlin-Brandenburg im Oktober 2018, Urt. v. 14. November 2018, Az. 17 Sa 562/18).
Sachverhalt
Der 63- jährige Kläger war seit 34 Jahren als Ingenieur bei der Beklagten, einem Unternehmen aus dem Bereich der Telekommunikations-Infrastruktur beschäftigt. Regelungen zu einer Änderung des Arbeitsortes enthielt sein Arbeitsvertrag nicht. Aufgrund einer konzernweiten Umstrukturierung und daraus resultierendem Interessenausgleich gliederte der Arbeitgeber den Bereich aus, in dem der Kläger tätig war. Er schlug ihm jedoch vor, künftig seine Tätigkeit ausschließlich vom Home Office aus zu verrichten.
Da der Kläger dies – ebenso wie das Angebot, gegen die Zahlung einer Abfindung das Unternehmen zu verlassen – ablehnte, sprach der Arbeitgeber zunächst eine Abmahnung und zuletzt eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung mit der Begründung „Beharrliche Arbeitsverweigerung" aus.
Der Arbeitnehmer klagte gegen Abmahnung und Kündigung vor dem Arbeitsgericht Berlin und hatte Erfolg (Az. 6 Ca 10310/17, Urt. v. 23. Februar 2018). Der Arbeitgeber legte gegen das Urteil Berufung ein, welche das LAG Berlin-Brandenburg jedoch zurückwies.
Hintergrund
Eine beharrliche Arbeitsverweigerung ist nach Ansicht des LAG zwar grundsätzlich ein berechtigter Grund für eine außerordentliche Kündigung, jedoch habe der Arbeitnehmer im vorliegenden Fall nicht gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen. Weder gäbe es eine einzelvertragliche Abrede, noch eine Betriebsvereinbarung, auf die sich der Arbeitgeber im Prozess gestützt hatte, nach welcher der Kläger zur Telearbeit verpflichtet sei. Die bei der Beklagten geltende Betriebsvereinbarung habe lediglich eine vorübergehende Tätigkeit im Home Office vorgesehen, jedoch ohne eine Verpflichtung, ein solches Angebot auch tatsächlich anzunehmen.
Auch im Rahmen des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts (§106 S.1 GewO ) sei eine solche Anweisung zur (dauerhaften) Ausübung von Telearbeit nicht wirksam. Zum einen ergebe sich dies bereits daraus, dass die Beklagte ausdrücklich um die Zustimmung des Klägers zur Home Office Tätigkeit gebeten habe. Zum anderen, so das LAG, seien die Umstände der ausschließlichen Arbeit im Home Office mit denen in einer Betriebsstätte nicht vergleichbar: Der Arbeitnehmer verliere den unmittelbaren Kontakt zu seinen Kollegen und die Möglichkeit des Austauschs, die Grenzen von Arbeit und Freizeit verschwämmen und der Arbeitnehmer sei für betriebliche Interessensvertretungen schwerer erreichbar.
Praxishinweis
Die Tatsache, dass viele Arbeitnehmer mittlerweile ein erhöhtes Interesse an Telearbeit und der damit verbundenen besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie haben, führt also nicht zu einer Erweiterung des Weisungsrechts des Arbeitgebers, aber auch nicht zu einem rechtlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf Ermöglichung der Arbeit im Home Office.
Gibt es also für Telearbeit keine Rechtsgrundlage in Form eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung, so bedarf es einer ausdrücklichen arbeitsvertraglichen Vereinbarung, welche idealerweise in einer Zusatzvereinbarung zum eigentlichen Arbeitsvertrag getroffen werden sollte. Sollte auch diese nicht bestehen, so ist die Erbringung der Arbeitsleistung im Home Office nur möglich, wenn sich die Arbeitsvertragsparteien entsprechend einigen.
Sollten Arbeitgeber eine Home Office Tätigkeit trotzdem einseitig durchsetzen wollen, so ist zu empfehlen, dem Arbeitnehmer das Home Office zunächst anzubieten und nach Ablehnung dann betriebsbedingt eine Änderungskündigung auszusprechen, die jedoch – um auf Arbeitgeberseite Erfolg zu haben – „sozial gerechtfertigt" sein muss.
Autorin: Claudia Eichler
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