Informationspflicht des Arbeitgebers über Verfall von Urlaubsansprüchen bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern
Mit Urteil vom 24. Juli 2019 (Az. 5 Sa 676/19) hat das LAG Hamm entschieden, dass bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern die Pflicht des Arbeitgebers zur Belehrung des Arbeitnehmers dahingehendend, dass Urlaubsansprüche bei Nichtinanspruchnahme am Ende des Kalenderjahres oder bis zum 31. März des Folgejahres erlöschen, nicht besteht.
Sachverhalt
Die Parteien streiten über das Bestehen von Urlaubsansprüchen der Klägerin aus dem Jahre 2017. Die Klägerin ist bei der Beklagten in einem Krankenhaus beschäftigt und seit dem Jahre 2017 durchgehend krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Folglich konnte sie im Jahr 2017 14 Tage ihres Urlaubsanspruchs nicht nehmen. Die Klägerin forderte die Beklagte im November 2018 zur Abgeltung des Urlaubsanspruchs für das Jahr 2017 auf. Da die Beklagte dieser Forderung nicht nachkam, erhob die Klägerin im Dezember 2018 Klage. Die Klägerin war der Auffassung, dass der restliche Urlaubsanspruch aus dem Jahre 2017 nicht verfallen sei. Sie verwies auf die Entscheidung des BAG vom 19. Februar 2019 (Az. 9 AZR 541/15), wonach Arbeitgeber dazu verpflichtet sind, Arbeitnehmer rechtzeitig auf den drohenden Verfall des Urlaubs zum Ende eines Kalenderjahres hinzuweisen. Dieser Hinweispflicht sei die Beklagte nicht nachgekommen.
Das Arbeitsgericht Paderborn wies die Klage ab. Die Berufung vor dem LAG Hamm hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das LAG Hamm hat die Revision nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
Die Urlaubsansprüche der Klägerin aus dem Jahre 2017 waren erloschen. Die Beklagte war auch nicht dazu verpflichtet, die Klägerin auf einen möglichen Verfall hinzuweisen. Dies gilt auf Grund der weiterhin fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), wonach – zumindest gesetzlich – Urlaubsansprüche grundsätzlich 15 Monate nach Ende des jeweiligen Urlaubsjahres verfallen. Mithin sei der Urlaubsanspruch der Klägerin bereits am 31. März 2019 erloschen.
Die Hinweispflicht sei bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern in der Erkrankungsphase nicht von Bedeutung, da diese den Anspruch auf Grund der Erkrankung nicht wahrnehmen könnten, der Arbeitgeber ihn somit nicht ermöglichen könne. Erst bei Gesundung und Rückkehr lebe diese Pflicht auf.
Die Klägerin machte in der Berufung geltend, dass hierdurch arbeitsunfähige Arbeitnehmer schlechter gestellt würden als arbeitsfähige Arbeitnehmer. Das Berufungsgericht folgte dieser Auffassung nicht. Die Klägerin habe verkannt, dass es sich bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern und arbeitsfähigen Arbeitnehmern, um zwei im Hinblick auf die Urlaubsverteilung nicht vergleichbare Personen handle. Aus der unterschiedlichen Behandlung ergebe sich noch keine Ungleichbehandlung oder Schlechterstellung, sondern vielmehr eine an den unterschiedlichen Lebenssachverhalten ausgerichtete Behandlung. Ferner folgte das LAG der Begründung des Arbeitsgerichts. Die Beklagte könne die vom BAG mit Urteil vom 19. Februar 2019 (Az. 9 AZR 541/15) im Fall des Bestehens von Urlaubsansprüchen verlangte Belehrung auch nicht erteilen. Die Belehrung im Hinblick darauf, dass bestehende Urlaubsansprüche erlöschen, wenn diese nicht zum Ende des Kalenderjahres beansprucht werden, wäre bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern nicht zielführend, da der Urlaubsanspruch krankheitsbedingt nicht hätte realisiert werden können. Eine Belehrung wäre zudem falsch, da bei langzeiterkrankten kein Verfall zum 31.12, sondern laut EuGH erst nach Ablauf von 15 Monaten nach dem Ablauf des Kalenderjahres, aus dem sie resultieren, eintrete. Die Frage nach dem früheren Erlöschen hätte sich somit erst wieder nach Genesung der Klägerin gestellt und eine Belehrung der Beklagten erfordert. Hierzu ist es auf Grund der anhaltenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht gekommen.
Praxishinweis
Die Belehrungspflicht der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern im Hinblick auf den Verfall von Urlaubsansprüchen soll gewährleisten, dass Arbeitnehmer dazu angehalten werden, den ihnen für das jeweilige Kalenderjahr zustehende Erholungsurlaub auch tatsächlich in natura in dem relevanten Zeitraum zu nehmen. Während der langdauernden Arbeitsunfähigkeit ist dies jedoch nicht möglich.
Arbeitgeber sind bereits auf Grund der Entscheidung des BAG vom 19. Februar 2019 dazu angehalten, einen Prozess zu etablieren, der sicherstellt, dass die Arbeitnehmer über den möglichen Verfall ihrer Urlaubsansprüche zum Ende des Kalenderjahres informiert werden. Langzeiterkrankte Arbeitnehmer müssen in diesem Prozess nicht berücksichtigt werden, wenn mit einer Wiederbestellung der Arbeitsunfähigkeit bis zum 31. Dezember nicht zu rechnen ist. Sollte der Arbeitnehmer innerhalb von 15 Monaten bis Ende des relevanten Urlaubsjahres zurückkehren, so wäre jedoch in der Belehrung aufzunehmen, dass noch Urlaubsansprüche aus der Phase bestehen, in der der Arbeitnehmer erkrankt war. Die Belehrung über den möglichen Verfall der Urlaubsansprüche sollte somit außerhalb des regelmäßigen Turnus unverzüglich nachgeholt werden, sobald die Arbeitsunfähigkeit – jedoch innerhalb von 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres – endet.
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