Stopp der Betriebsratswahl durch „einstweilige Verfügung"
Kommt es im Vorfeld von Betriebsratswahlen zu Verfahrensfehlern, ist es vor allem für den Arbeitgeber wichtig zu wissen, ob die Betriebsratswahl rechtmäßig und wirksam ist. Gerade hinsichtlich zukünftiger Betriebsvereinbarungen und sonstiger Beschlüsse muss klar sein, ob der Betriebsrat legitimiert ist, wirksam zu handeln. Das LAG Düsseldorf hatte sich in seinem Beschluss vom 25. März 2020, Az.: 7 TaBVGa 2/20, mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Abbruch der Wahl per einstweiliger Verfügung möglich ist, wenn sich bei Abhaltung einer Versammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes nur wenige Mitarbeiter im Betrieb befinden. Fehlte damit dieser Versammlung offensichtlich die demokratische Legitimation?
Der Sachverhalt
Ende 2019 teilten drei Mitarbeiter und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten der Arbeitgeberin mit, dass sie zunächst am 11. Januar 2020, anschließend am 13. Januar 2020 eine Betriebsversammlung zur Bestellung eines Wahlvorstandes für eine Betriebsratswahl abhalten wollten. Die Arbeitgeberin wies darauf hin, dass aufgrund urlaubs- und ferienbedingter Abwesenheiten nicht alle Arbeitnehmer des Betriebs die Möglichkeit hätten, von einer Einladung zu einer Wahlversammlung rechtzeitig Kenntnis zu nehmen. Sie teilte mit, dass zum damaligen Zeitpunkt nur knapp 50% der Mitarbeiter im Betrieb tätig gewesen seien und die Anwesenheit erfahrungsgemäß bis Ende des Monats auf über 90% steige. Sie regte an, die Wahlversammlung frühestens Ende Januar 2020 stattfinden zu lassen. Dennoch erfolgte die Einladung zur Betriebsversammlung für den 27. Januar 2020 mit Schreiben vom 16. Januar 2020, welches im Betrieb am 18. Januar 2020 ausgehängt wurde. Zudem wurde die Einladung in einer WhatsApp-Gruppe geteilt sowie in einer Betriebsgruppe bei Facebook eingestellt. An der Betriebsversammlung, in der ein Wahlvorstand gewählt wurde, nahmen nur ca. 6% der Belegschaft teil. Der Wahlvorstand terminierte die Betriebsratswahl auf den 2. April 2020. Die Arbeitgeberin war der Ansicht, dass dem Wahlvorstand die Durchführung der Betriebsratswahl zu untersagen sei. Im Zeitraum von der Einladung bis zur Wahlversammlung seien 185 Mitarbeiter durchgängig nicht im Betrieb anwesend gewesen. Dies sei mit dem Grundsatz einer allgemeinen Wahl nicht vereinbar. Der Wahlvorstand hielt die Einladung zur Wahlversammlung jedoch für ordnungsgemäß. Mit seinem Antrag vor dem LAG Düsseldorf begehrte die Arbeitgeberin per einstweiliger Verfügung, dem Wahlvorstand die Durchführung der Wahl zu untersagen.
Der Beschluss des LAG
Das LAG sah keinen Grund die Durchführung der Betriebsratswahl zu untersagen. Dies sei – so auch die ständige Rechtspraxis – nur möglich, wenn die vom Wahlvorstand eingeleitete Betriebsratswahl nichtig sei, was nur in Ausnahmefällen anzunehmen sei. Hierfür müsse gegen allgemeine Grundsätze einer ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden sein, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliege. Dafür müsse der Mangel so offenkundig sein, dass ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl nicht gewährt werden könne. Die Wahl müsse „den Stempel der Nichtigkeit" auf der Stirn tragen. Eine bloße Anfechtbarkeit der Wahl wegen eines Wahlfehlers genüge nicht. Von Nichtigkeit sei nach Ansicht des LAG nicht auszugehen. Auch wenn Teile der Belegschaft von der Einladung zur Wahlversammlung keine Kenntnis genommen hätten, führe eine etwaige zu kurze Einladungsfrist nicht zur Nichtigkeit der Bestellung des Wahlvorstands. Die Tatsache dass in einem betriebsratslosen Betrieb der Gesamtbetriebsrat einen Wahlvorstand bestellen könne, führe zu der Wertung, dass ein Wahlvorstand generell auch ohne Beteiligung der Mehrheit der Arbeitnehmer bestellt werden könne. Auch liege kein Fall vor, in dem die Einladung zur Wahlversammlung überhaupt nicht ausgehängt wurde. Die kurze Einladungsfrist sei auch nicht rechtsmissbräuchlich und aus nicht rein „machttaktischen" Gründen gewählt worden. Zudem spreche gegen einen Wahlabbruch, dass schon umstritten sei, ob eine etwaige fehlerhafte Bestellung des Wahlvorstands überhaupt zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl führen könne.
Über eine Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl musste das LAG nicht entscheiden. Selbst eine sichere Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl genüge nicht, um diese im einstweiligen Verfügungsverfahren abzubrechen.
Fazit
Der Beschluss des LAG verdeutlicht, dass der Abbruch einer Betriebsratswahl im Eilverfahren nur in Ausnahmefällen durchgesetzt werden kann. Im Vorfeld eines solchen Antrags muss daher besondere Sorgfalt auf die Glaubhaftmachung des Sachverhalts verwendet werden. Nur wenn das Arbeitsgericht „nach Aktenlage" von schwerwiegenden und unheilbaren Wahlfehlern überzeugt wird, kommt eine Abbruchverfügung in Betracht. Da eine „nachträgliche" Anfechtung aber häufig dennoch erfolgreich ist, sollte diese Möglichkeit von Arbeitgebern in derartigen Fällen stets geprüft werden. Im vorliegenden Fall hatte das LAG über die Anfechtbarkeit nicht entscheiden müssen, weil selbst eine sichere Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl nicht ausreicht, um diese im einstweiligen Verfügungsverfahren abzubrechen.
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