Verstoß gegen § 3 ArbZG führt zur Nichtigkeit des zuletzt abgeschlossenen Arbeitsvertrags
Etwa 3,5 Millionen Deutsche gehen laut Bundesagentur für Arbeit einer Nebenbeschäftigung nach. Doch was gilt eigentlich, wenn Arbeitnehmer hierdurch die zulässige Höchstarbeitszeit überschreiten? Das LAG Nürnberg hatte sich in seinem Urteil vom 19. Mai 2020, Az. 7 Sa 11/19, mit dieser Frage zu beschäftigen.
Der Sachverhalt
Der Kläger war bei der Beklagten als Wasserwart mit einer monatlichen Arbeitszeit von 60,5 Stunden beschäftigt. Im Zusammenhang mit Eil- und Notfällen fielen in den Jahren 2012 – 2017 weitere 300 Arbeitsstunden an. Bereits bei Aufnahme der Tätigkeit übte der Kläger ein anderes Arbeitsverhältnis aus, zuletzt im Umfang von 40 Wochenstunden. Im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses kam es zwischen den Parteien zu Unstimmigkeiten, infolge derer die Beklagte zu der Ansicht gelangte, dass für die Arbeit als Wasserwart monatlich lediglich 40 Stunden erforderlich seien. Im weiteren Verlauf kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis und machte u.a. die Nichtigkeit des Arbeitsvertrages wegen Überschreitung der zulässigen wöchentlichen Höchstarbeitszeit geltend. Der Kläger wandte sich mit Feststellungsklage gegen die Geltendmachung der Nichtigkeit des Arbeitsverhältnisses. Das erstinstanzliche Gericht wies die Klage ab, da eine erhebliche Überschreitung der gesetzlich zulässigen wöchentlichen Höchstarbeitszeit durch die zwei Arbeitsverhältnisse des Klägers vorläge und daher das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis nichtig sei. Eine geltungserhaltende Reduktion der Arbeitszeit im Arbeitsverhältnis der Parteien wurde mangels entsprechenden feststellbaren Willens des Beklagten abgelehnt. Hiergegen wandte sich der Kläger im Wege der Berufung an das LAG Nürnberg.
Die Entscheidung des LAG
Das LAG Nürnberg wies die Berufung zurück und bestätigte das Urteil der ersten Instanz. Zwischen den Parteien bestehe ein fehlerhaftes Arbeitsverhältnis. Die wöchentliche Gesamtarbeitszeit sei erheblich überschritten worden. Das Arbeitsverhältnis als Wasserwart verstoße gegen § 3 ArbZG. Danach dürfe die werktägliche Arbeitszeit 8 Stunden nicht überschreiten und könne auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 6 Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Damit ergebe sich eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 60 Stunden, wenn innerhalb des Ausgleichszeitraums im Durchschnitt 48 Stunden in der Woche nicht überschritten werden. Beziehe man das Hauptarbeitsverhältnis des Klägers ein, ergebe sich jedoch eine dauerhafte Überschreitung der gesetzlich vorgegebenen wöchentlichen Höchstarbeitszeit.
§ 3 ArbZG stelle als eine nicht disponible öffentlich-rechtliche Schutzvorschrift ein Verbotsgesetz gem. § 134 BGB dar. Dies hat zur Folge, dass ein Verstoß gegen eine solche Norm grundsätzlich zur Nichtigkeit des Vertrages führt. Für die Frage, welches Arbeitsverhältnis von der Nichtigkeitsfolge getroffen werde, sei das Prioritätsprinzip entscheidend. Demnach sei der zeitlich zuletzt geschlossene Arbeitsvertrag nichtig.
Zu beachten sei allerdings, dass der gesetzliche Schutzzweck des Arbeitnehmerschutzrechts nicht dadurch gewährleistet werde, dass der Arbeitsvertrag „vollnichtig" sei, sondern durch Anpassung des Vertrages an das geltende Recht. Werde nur ein Arbeitsvertrag geschlossen der eine die Höchstarbeitszeit überschreitende Arbeitszeit vorsieht, sei der Vertrag nur insoweit unwirksam. Bei zwei abgeschlossenen Arbeitsverträgen hingegen käme es zu einer geltungserhaltenden Reduktion, wenn der zeitlich nachfolgende Vertrag eine die gesetzlichen Höchstgrenzen überschreitende Arbeitszeit vorsieht. Dann sei grundsätzlich in Betracht zu ziehen, die Vereinbarung in einen unwirksamen und einen wirksamen Teil aufzuspalten. Hierzu müsse aber angenommen werden können, dass die Vertragsparteien bei Kenntnis der teilweisen Rechtswidrigkeit ihrer vertraglichen Vereinbarung eine Regelung getroffen hätten, die sich auf das Ausschöpfen des zulässigen gesetzlichen Rahmens beschränkt. Einen solchen eindeutigen hypothetischen Parteiwillen habe das Gericht auf Seiten der Beklagten nicht erkennen können.
Fazit
Ein zweites Arbeitsverhältnis ist grundsätzlich zulässig, wenn kein Wettbewerb betrieben wird und der Hauptarbeitgeber der Tätigkeit zustimmt. Sofern keine erheblichen Gründe gegen eine Nebentätigkeit sprechen, kann ein Arbeitgeber seine Zustimmung nicht verweigern. Solche Gründe können zum Beispiel darin liegen, dass zu befürchten steht, dass durch die Ausübung der Nebentätigkeit die Ausübung der Haupttätigkeit beeinträchtigt wird. Die hiesige Entscheidung des LAG Nürnberg verdeutlicht, dass stets der Umfang der im jeweiligen Arbeitsverhältnis zu leistenden Wochenarbeitszeit im Auge behalten werden muss. Dies gilt für den Arbeitnehmer wie den Arbeitgeber, der den Arbeitnehmer für eine ihn erkennbare bzw. offenbare weitere Tätigkeit einstellt. Der Arbeitnehmer muss ein Interesse daran haben, die Arbeitszeit einzuhalten, da ein Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz dazu führen kann, dass ein Arbeitgeber sich von einem Arbeitsvertrag umgehend lossagen kann. In diesem Zusammenhang sei auch der Hinweis gestattet, dass die immer wieder anzutreffende Klausel „der Arbeitnehmer widmet seine ganze Arbeitskraft dem Unternehmen" oder ähnlich vor dem Hintergrund der Berufsfreiheit so nicht wirksam ist. Allerdings gibt es eben auch bezüglich des Umfangs der Nebentätigkeiten Grenzen, nämlich solche, die in dem hier besprochenen Urteil gezogen wurden.
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