Unwirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung eines Stammarbeitnehmers bei ständigem Einsatz von Leiharbeitnehmern
Sachverhalt
Der Kläger war seit 2015 für die Beklagte, eine Automobilzulieferin, tätig. Diese beschäftigte im Juni 2019 neben 106 Arbeitnehmern auch acht Leiharbeitnehmer, die in den knapp zwei Jahren vor Ausspruch der Kündigung fortlaufend mit nur wenigen Unterbrechungen (Jahresende, Werksferien etc.) in dem Betrieb eingesetzt wurden. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem langjährig beschäftigten Kläger und weiteren Kollegen, allesamt Stammarbeiternehmer, aus betriebsbedingten Gründen. Zur Begründung führte sie aus, ihr Auftraggeber, die Ford AG, habe das Tagesvolumen der produzierten Autos reduziert. Angesichts der Reduzierung des Auftragsvolumens benötige sie jetzt weniger Arbeitnehmer. Erforderlich sei der Abbau von sechs von insgesamt 74 Stammarbeitsplätzen. Sie verfüge über keine freien Arbeitsplätze, sodass eine Weiterbeschäftigung des Klägers nicht möglich sei. Die im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmer würden als Personalreserve nur in Vertretungsfällen, z.B. Krankheit eingesetzt werden. Der Betriebsrat hatte der Kündigung widersprochen, weil in dem Betrieb dauerhaft sechs Leiharbeitskräfte eingesetzt würden.
Der Kläger vertrat die Ansicht, dass die Kündigung unwirksam sei und erhob Kündigungsschutzklage. Die Beklagte sei weiterhin in der Lage ihn auf einem freien Arbeitsplatz zu beschäftigen und zwar mindestens auf einem solchen, auf dem sie bisher Leiharbeitnehmer beschäftige. Die Leiharbeitnehmer würden weder nur zur Vertretung noch lediglich als Personalreserve eingesetzt. Vielmehr handele es sich um ständige eingerichtete Arbeitsplätze, in diesem Sinne freie Arbeitsplätze.
Das ArbG Köln gab der Klage statt. Das LAG Köln bestätigte diese Entscheidung im Berufungsverfahren und wies die Berufung der Arbeitgeberin zurück (LAG Köln v. 2.9.2020 - 5 Sa 295/20). Die Revision wurde zugelassen.
Gründe
Das Gericht folgte der Ansicht des Klägers, dass er auf einem der Arbeitsplätzen der Leiharbeitnehmer hätte weiterbeschäftigt werden können. Zwar stellte das LAG Köln unter Verweis auf die Rechtsprechung des BAG (vgl. Urteil v. 15.12.2011, 2 AZR 42/10) zunächst heraus, dass eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG dann nicht vorliege, wenn Leiharbeitnehmer lediglich zur Abdeckung von Auftragsspitzen eingesetzt würden. Der Arbeitgeber könne in diesem Fall nicht typischerweise davon ausgehen, dass er für die Auftragsabwicklung dauerhaft Personal benötige. Es könne ihm daher regelmäßig nicht zugemutet werden, entsprechendes Stammpersonal vorzuhalten.
Dies sei jedoch im vorliegenden Fall gerade nicht gegeben. Die Arbeitsplätze der Leiharbeitnehmer seien hier als freie Arbeitsplätze anzusehen. Fortlaufend beschäftigte Leiharbeitnehmer seien laut LAG nicht als Personalreserve zur Abdeckung von Vertretungsbedarf im Unternehmen zu qualifizieren. Wenn immer wieder (unterschiedliche) Arbeitnehmer in einem absehbaren Umfang ausfallen, sei kein schwankendes, sondern ein dauerhaft vorhandenes „(Sockel-) Arbeitsvolumen" vorhanden. Damit gebe es eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz. Das LAG verwies zudem darauf, dass laut Rechtsprechung des BAG auch der Sachgrund der Vertretung gerade nicht vorliege, wenn der Arbeitgeber mit der befristeten Beschäftigung eines Arbeitnehmers einen dauerhaften Bedarf abdecke. Dies gelte selbst dann, wenn Leiharbeitnehmer nur zum Einsatz während eines ständigen Vertretungsbedarfs – auch auf wechselnden Stellen – beschäftigt seien. Ein zeitweiser Personalüberhang ändere daran nichts.
Fazit
Es bleibt spannend, ob das BAG Gelegenheit erhält, sich mit dieser, aus Sicht des LAG Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auseinanderzusetzen. Da das LAG in seiner Begründung nahe an der BAG Rechtsprechung zur Frage der Kettenbefristung argumentiert hatte, erscheint eine abweichende Beurteilung jedoch nicht wahrscheinlich. Falls Leiharbeitnehmer beschäftigt werden, werden Arbeitgeber bei Kündigungsentscheidungen eingehend prüfen müssen, ob hier wirklich nur gelegentliche Auftragsspitzen abgedeckt werden oder ob eine Kontinuität des Einsatzes zu verzeichnen ist. Dabei ist nicht entscheidend, ob die Personen der eingesetzten Leiharbeitnehmer regelmäßig wechseln sondern maßgeblich ist, ob für gewisse Zwecke bzw. Funktionen dauerhaft Leiharbeitnehmer im Betrieb beschäftigt werden. Auch eine Personalreserve wegen ständigen, aber wechselnden Vertretungsbedarfs, kann den dauerhaften Einsatz dokumentieren.
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