Neupositionierung des BAG bei Ausschlussklauseln
Ausschlussklauseln, oder auch „Verfallsklauseln", sind Gegenstand einer Vielzahl von Arbeitsverträgen. Sie sollen für Rechtssicherheit sorgen, indem sie die gesetzlichen Verjährungsregelungen erheblich verkürzen und modifizieren. Inhaltlich können sie sich dabei grundsätzlich auf alle wechselseitigen Ansprüche zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erstrecken. Allerdings unterliegen solche Klauseln regelmäßig - auch bei einmaliger Verwendung - einer AGB-Kontrolle nach den §§305 ff. BGB.
Sachverhalt
In einem Arbeitsvertrag hieß es unter anderem:
„§ 13 Verfallsfristen
Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind binnen einer Ausschlussfrist von [...] nach Fälligkeit [...] geltend zu machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Ausschlussfrist von [...] einzuklagen."
Eine Mitarbeiterin der Finanzbuchhaltung, die spätere Klägerin, erledigte Zahlungsvorgänge auf Anweisung der Geschäftsführung, zu der auch ihr damaliger Ehemann gehörte. Nachdem auffiel, dass dieser Geschäftsführer verschiedene Privatrechnungen mit Firmengeldern beglichen hatte, gab die Mitarbeiterin an, von ihrem inzwischen geschiedenen Ehemann dazu gezwungen worden zu sein. Im Anschluss wurde sie aus „betriebsbedingten" Gründen entlassen. Nachdem sie gegen die Kündigung geklagt hatte, machte die Arbeitgeberin nun ihrerseits Schadensersatz in Höhe von zirka EUR 100.000 wegen der Buchungen geltend.
Die Mitarbeiterin unterlag in den beiden ersten Instanzen mit ihrem Argument, die Verfallsfrist sei von der Arbeitgeberin nicht eingehalten worden. Nach Auffassung der Instanzgerichte ergab nämlich die Auslegung, dass die Parteien gerade nicht „alle Ansprüche" inklusive Schadensersatzansprüchen wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung von der Ausschlussfrist erfasst sein lassen wollten. Solche Schadensersatzansprüche seien vom Regelungsgehalt einer solchen Ausschlussklausel vielmehr nicht umfasst. Mit dieser Aussage war die Klausel nicht insgesamt unwirksam, sondern erfasste nur diesen Fall der vorsätzlichen Schädigung nicht, wurde also nur einschränkend ausgelegt.
Die Entscheidung
Das BAG sah dies anders und entschied, in Abkehr seiner früheren Rechtsprechung (Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 AZR 280/12), dass solche formularvertraglichen Klauseln getreu ihres Wortlauts auszulegen sind und sich daher auf „jegliche Art von Ansprüchen" erstrecken. Umfasst sind laut des 8. Senats des BAG demnach auch vom Wortlaut her Ansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung und aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung. Das Gericht sah für eine einschränkende Auslegung keinen Raum. Damit sei die Klausel wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB insgesamt nichtig. Die Vorschrift des § 202 BGB untersagt den Vertragsparteien die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes im Voraus durch Rechtsgeschäft zu erleichtern, also insbesondere gesetzliche Fristen zu verkürzen.
Den Vertragsparteien könne nicht pauschalisierend unterstellt werden, sich mit ihren Regelungen stets im Rahmen dessen zu halten, was nach den geltenden Gesetzen zulässig ist, was eine einschränkende Auslegung auf das rechtlich zulässige ermöglichen würde. Eine solche Annahme ließe sich auch nicht aus dem Regelungsgehalt von §306 BGB herleiten. Nach dieser Vorschrift bleibt ein Vertrag auch dann wirksam, wenn eine AGB Klausel als solche unwirksam ist . Eine geltungserhaltende Reduktion, mit der eine einheitliche und damit auch einer einheitlichen AGB-Kontrolle unterliegende Klausel durch das Gericht in einen zulässigen und einen unzulässigen Teil getrennt und in ihrem rechtlich nicht zu beanstandenden Teil aufrechterhalten werde, sei im Rechtsfolgensystem des § 306 BGB jedoch gerade nicht vorgesehen.
Praxishinweis
Bei der Verwendung von Verfallsklauseln in Arbeits- oder Aufhebungsverträgen ist Vorsicht ratsam. Die dargestellte Entscheidung des BAG ist nur eine von Vielen, die sich mit der inhaltsbedingten Wirksamkeit von Verfallsklauseln auseinandersetzt. Einfache gehaltene Verfallsklauseln, die ihrer Formulierung nach die Geltendmachung „aller Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben" an eine Frist binden, dürften durch die Neupositionierung des BAG generell unwirksam sein. Es greift sodann die allgemeine dreijährige Verjährungsfrist.
Arbeitgeber, die Formulararbeitsverträge nutzen, sollten aufgrund dieser Entscheidung ihre Muster prüfen und ggf. anpassen. Entsprechende Klauseln in Formulararbeitsverträgen sollten Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung oder vorsätzlicher unerlaubter Handlung sowie weitere gesetzlich zwingende Ansprüche, wie zum Beispiel Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz, ausdrücklich ausnehmen, um die Wirksamkeit der Klausel für andere Fälle zu sichern. Die Nichtausdifferenzierung des Klauselwortlauts führt zur Gesamtunwirksamkeit, was natürlich dazu führt, dass die Klausel auch für Konstellationen entfällt, in denen sie an sich greift.
Die Vertragsparteien sollten sich also nicht, das gilt auch allgemein für das Arbeitsvertragsrecht, unbedingt auf den reinen Wortlaut der Klausel verlassen. In diesem Fall war es die Arbeitnehmerin, die nicht den Schutz in der Klausel fand, den sie sich erhoffte.
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