„Unterschreiben Sie das oder Ihnen wird gekündigt"
- Widerrechtliche Drohung beim Aufhebungsvertrag –
- Widerrechtliche Drohung beim Aufhebungsvertrag –
Der Sachverhalt
Strittig war u. A. die Wirksamkeit eines angefochtenen Aufhebungsvertrages und zweier außerordentlicher Kündigungen. Der Kläger war mehr als 20 Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Aufgrund tariflich vereinbarten besonderen Kündigungsschutzes war er ordentlich unkündbar. Bei der Beklagten wurde am 19. Februar 2020 in einem Schließfach, welches auch dem Kläger zur Verfügung stand, in einem Kinderüberraschungsei eine blaue „Pille" – vermutlich Betäubungsmittel i. S. d. BtmG „Ecstasy" – gefunden. Eine Auswertung der betrieblich vereinbarten Videoüberwachung zeigte den Kläger und einen weiteren Arbeitnehmer beim Einlegen und Entnehmen des Überraschungseis. Die Anhörung beider am 6. März 2020 ergab aufgrund der Angaben des Arbeitskollegen, dass dieser vom Kläger gegen Geld mit Ecstasy versorgt worden ist. Der Kläger bestritt dies. Nach der Anhörung des Betriebsrats am 16. März 2020 und dessen Stellungnahme informierte die Personalreferentin den Kläger telefonisch über die beabsichtigte Beendigung des Arbeitsverhältnisses und lud ihn zum Personalgespräch ein. Hier wurde der Kläger vor die Wahl gestellt, entweder eine außerordentliche Kündigung zu erhalten oder den vorgelegten Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Der Kläger unterzeichnete am Ende des Gesprächs den Vertrag, hat diesen aber mit Anwaltsschreiben vom 24. März 2020 wegen widerrechtlicher Drohung angefochten. Am 24. März und 26. März 2020 folgten außerordentliche Kündigungen. Das LAG folgte weitestgehend der Sichtweise des ArbG, welches der Klage stattgab.
Die Entscheidung
Das LAG urteilte, dass weder der Aufhebungsvertrag noch die beiden darauffolgenden Kündigungen das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgelöst haben.
Den Aufhebungsvertrag habe der Kläger berechtigt angefochten, weswegen dieser deshalb von Anfang an nichtig sei. Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung sei widerrechtlich gewesen. Zwar durfte die Beklagte einen außerordentlichen Kündigungsgrund im konkreten Fall annehmen, jedoch konnte angesichts des Ablaufs der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB am 20. März 2020 die Beklagte am 23. März 2020 nicht mehr damit rechnen, dass eine erst zu diesem Zeitpunkt ausgesprochene außerordentliche Kündigung einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung wahrscheinlich standhalten würde. Mit der Anhörung des Klägers und des weiteren Arbeitnehmers war die Aufklärung am 6. März 2020 abgeschlossen.
Den Einwand der Beklagten, dass wegen des Covid-19-Shutdown die Mitarbeiter der Personalabteilung wie auch des Betriebsrats nur erheblich eingeschränkt hätten handeln können, ließ das LAG nicht zu Gunsten der Beklagten gelten. Eine Hemmung der 2-Wochen-Frist könne nur greifen, wenn dem rechtzeitigen Zugang der Kündigung ein Hindernis entgegenstehe, das von dem Kündigenden auch durch größte vernünftigerweise zu erwartende Vorsicht nicht abzuwenden sei.
Praxishinweis
Das Urteil des LAG reiht sich in die Rechtsprechung des BAG zu vergleichbaren Fällen ein. Die Entscheidung untermauert einmal mehr die Bedeutung der zweiwöchigen Frist bei außerordentlichen Kündigungen. Zeitnah, gleich nach dem Anhörungsgespräch, ist, sofern vorhanden, der Betriebsrat anzuhören. Hier hat der Arbeitgeber zu lange gewartet, nämlich zehn Tage. Die Anhörung hätte am selben oder am Folgetag erfolgen können. Ferner helfen Gespräche, die dazu dienen sollen, den Ausspruch einer Kündigung zu vermeiden, häufig nicht, sondern sind eher im Hinblick auf den Zeitablauf riskant. Die Zweiwochenfrist wird nicht gehemmt. Es gilt hier das Prinzip, dass man auch noch nach Ausspruch einer Kündigung verhandeln kann. Jede Zeitverzögerung in diesen Fallkonstellationen ist zu vermeiden.
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