„Ab morgen bin ich krank"
- Außerordentliche Kündigung wegen Drohung mit Krankschreibung -
- Außerordentliche Kündigung wegen Drohung mit Krankschreibung -
Sachverhalt
Die klagende Mitarbeiterin einer Bäckereikette hatte ihre Vorgesetzte im Rahmen der Schichteinteilung für den Juli, die im Juni erfolgte, gebeten, sie in einer bestimmten Woche im Juli 2020 nicht in der Spätschicht einzuteilen. Nachdem diesem Wunsch nicht entsprochen wurde, versuchte die Klägerin sodann, die Filialleiterin in einem Telefongespräch von einer Änderung des Dienstplanes zu überzeugen. Nachdem auch dies keinen Erfolg hatte, teilte die Klägerin ihrer Vorgesetzten per „WhatsApp" mit, sich in der Woche ab dem 20. Juli krankzumelden. Gleichzeitig, nachdem sich keine Änderung ergab, kündigte sie am 22. Juni zum Ende Juli und sie erwirkte ihre Krankschreibung am 29. Juni für eine Woche.
Der Arbeitgeber kündigte ihr wegen der Androhung der Krankschreibung mit der „WhatsApp"-Nachricht am 22. Juni fristlos, wogegen sich die Klage richtet.
Die Klägerin hat im Prozess dargelegt, tatsächlich arbeitsunfähig gewesen zu sein. Außerdem sei die fristlose Kündigung unverhältnismäßig. Sie verwies hier unter anderem auf das seit 2010 bestehende Arbeitsverhältnis, das beanstandungslos verlaufen sei. Ferner schilderte sie erhebliche Konflikte in ihrer Einsatzfiliale.
Die beklagte Arbeitgeberin hingegen war der Ansicht, aufgrund der versuchten Nötigung durch Androhung der Krankschreibung sei das Vertrauensverhältnis zur Klägerin massiv beeinträchtigt, weshalb der Beklagten eine Beschäftigung bis zum Datum der Eigenkündigung, dem 31. Juli, nicht mehr zuzumuten sei.
Entscheidung
Wie das Arbeitsgericht Schwerin zuvor (Az. 4 Ca 904/20) hielt auch das LAG Mecklenburg-Vorpommern die fristlose Kündigung für unwirksam und wies die Berufung der Beklagten dementsprechend zurück.
An sich berechtige das Verhalten der Klägerin zur außerordentlichen Kündigung. Versucht der Arbeitnehmer, einen ihm nicht zustehenden Vorteil durch eine unzulässige Drohung zu erreichen, so würde er bereits hierdurch seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verletzen. Diese verbiete es, die andere Seite unzulässig unter Druck zu setzen.
Die Pflichtwidrigkeit der Ankündigung einer Krankschreibung bei objektiv nicht bestehender Erkrankung im Zeitpunkt der Ankündigung liege in erster Linie darin, dass der Arbeitnehmer mit einer solchen Erklärung zum Ausdruck bringen würde, er sei notfalls bereit, seine Rechte aus dem Entgeltfortzahlungsrecht zu missbrauchen, um sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen. Dabei spiele es keine Rolle, ob der Arbeitnehmer tatsächlich später in dem Zeitraum erkrankte.
Allerdings sei die fristlose Kündigung unverhältnismäßig. Denn es wäre der Beklagten unter Abwägung der wechselseitigen Interessen zumutbar, das Arbeitsverhältnis noch rund einen Monat bis zum Datum der Eigenkündigung, dem 31. Juli, durch die Klägerin fortzusetzen.
Die Klägerin habe zwar eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen. Diese Pflichtverletzung stelle sich jedoch - zumindest auch - als Reaktion auf die Spannungen hinsichtlich der Schichtverteilung dar. Aus dieser Situation heraus hatte die Klägerin sodann von sich aus die Konsequenz gezogen, ihr langjähriges Arbeitsverhältnis aufzugeben und den - auch gesundheitlich belastenden - Spannungen in der Filiale dadurch aus dem Weg zu gehen. Damit sei der Konflikt gelöst bzw. eine Lösung in greifbarer Nähe gerückt, sodass eine Wiederholungsgefahr nicht mehr oder nur noch eingeschränkt bestünde.
Mit Störungen des Betriebsfriedens oder erheblichen Beeinträchtigungen der betrieblichen Abläufe, denen die Beklagte nur mit einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses hätte begegnen können, sei in der verbleibenden Zeit des Arbeitsverhältnisses daher nicht mehr zu rechnen gewesen.
Praxishinweis
Arbeitnehmerseitige Drohungen mit Krankschreibung kommen in der Praxis nicht selten vor. Mit dem Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern wird deutlich, dass ein solches Verhalten des Arbeitnehmers an sich einen wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB darstellt, der grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann. Wichtig ist aber in solchen Fällen, eine sorgfältige Abwägung im Einzelfall vorzunehmen. Auch Umstände, die an sich für den Arbeitnehmer sprechen, wie ein langjähriges Arbeitsverhältnis oder das Umfeld bzw. die Umstände, aus denen die Drohung entstand, sind zu berücksichtigen.
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