„Gelber Schein - alles gut?"
- Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung -
- Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung -
Rechtlicher Hintergrund
Ist ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt an seiner Arbeitsleistung verhindert, hat er gegen den Arbeitgeber bis zu einer Dauer von sechs Wochen regelmäßig einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung (§3 Abs.1 EFZG). Ist vertraglich nichts anderes vereinbart, hat der Arbeitnehmer am 4. Tag seiner Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung (sog. „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung", umgangssprachlich „gelber Schein") über diese vorzulegen (§5 Abs.1 EFZG). Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Entgeltfortzahlung von der Vorlage der Bescheinigung abhängig zu machen (§7 Abs.1 Nr.1 EFZG)
Sachverhalt
Die Klägerin war bei der Beklagten seit Ende August 2018 als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Am 8. Februar 2019 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis zum 22. Februar 2019 und legte der Beklagten eine auf den 8. Februar 2019 datierte, als Erstbescheinigung gekennzeichnete Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, die bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses lief. Die Beklagte verweigerte die Entgeltfortzahlung. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei erschüttert, weil diese genau die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses nach der Eigenkündigung der Klägerin abdecke. Die Klägerin hat demgegenüber geltend gemacht, sie sei ordnungsgemäß krankgeschrieben gewesen, da sie vor einem Burn-Out gestanden habe.
Die Vorinstanzen haben der auf Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 8. Februar bis zum 22. Februar 2019 gerichteten Zahlungsklage stattgegeben.
Die Entscheidung
Das BAG bewertete dies anders und wies die Klage ab. Es wies darauf hin, dass nach allgemeinen Grundsätzen der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG trage. Der Beweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit werde in der Regel durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG geführt. Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und habe daher einen hohen Beweiswert.
Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründe jedoch keine gesetzliche Vermutung einer tatsächlich bestehenden Arbeitsunfähigkeit mit der Folge, dass nur der Beweis des Gegenteils zulässig wäre, um diese Vermutung zu erschüttern. Ebenso wenig könne der Arbeitgeber jedoch die Arbeitsunfähigkeit durch bloßes „Nichtwissen" bestreiten, wenn eine ordnungsgemäß ausgestellte Bescheinigung vorliegt. Der Arbeitgeber könne den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dadurch aber erschüttern, dass er tatsächliche Umstände darlegt, die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers ergeben. Da der Arbeitgeber regelmäßig jedoch keine Kenntnis von den Krankheitsursachen des Arbeitnehmers habe, dürften an den Vortrag des Arbeitgebers keine überhöhten Anforderungen gestellt werden.
Unter Heranziehung dieser Grundsätze wies das BAG darauf hin, habe der Arbeitgeber hier Umstände dargelegt, die den Beweiswert der Bescheinigung erschüttern könnten. Aufgrund der zeitlichen Koinzidenz zwischen bescheinigter Arbeitsunfähigkeit sowie Beginn und Ende der Kündigungsfrist bestünden hier in diesem konkrete ernsthafte Zweifel am Bestehen der Arbeitsunfähigkeit. Auf Grundlage des festgestellten Sachverhalts sei deshalb davon auszugehen, dass der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert sei.
In der Folge trage die Klägerin (wieder) die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Entgeltfortzahlungsanspruchs. Dieser konnte sie durch ihren pauschalen Vortrag, „es bestünde ein psychosomatischer Hintergrund", nicht nachkommen.
Praxishinweis
Die prozessuale Beweislast über die Arbeitsunfähigkeit sowie der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sind ständig wiederkehrende Inhalte arbeitsgerichtlicher Verfahren.
Es bleibt dabei, dass Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein sehr hoher Beweiswert für das tatsächliche Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit zukommt. Wie die Entscheidung zeigt, kann es sich für Arbeitgeber im Einzelfall dennoch auszahlen, die Richtigkeit von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen anzuzweifeln. Dazu bedarf es aber der Darlegung von Umständen, die spezifisch annehmen lassen, dass eine Arbeitsunfähigkeit nicht vorliege. Allgemeines pauschales oder gar Bestreiten mit Nichtwissen reicht hier nicht aus.
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