Abstimmung über EU-Richtlinie zur Entgeltgleichheit und Lohntransparenz
Entwicklung
Ob GG, AGG oder EntgTranspG und auf europäischer Ebene die AEUV, den „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“, – es gibt bereits eine Vielzahl an Rechtsgrundlagen, die dazu dienen sollen, den Entgeltgleichheitsgrundsatz zwischen Männern und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchzusetzen. Verändert hat sich gleichwohl, so die Europäische Kommission, wenig.Vor allem die praktische Bedeutung des EntgTranspG war und ist gering. Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission im März 2021 einen Vorschlag für eine Richtlinie „zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Lohntransparenz und Durchsetzungsmechanismen“ vorgelegt.
Der bereits zwei Jahre alte Entwurf der Europäischen Kommission mit dem Aktenzeichen 2021/0050 (COD) ist Teil der Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025 der EU. Deren weitere Bearbeitung übernahmen die beiden Komitees des Europäischen Parlaments für „Frauenrechte und Gleichstellung der Geschlechter“ und für „Arbeit und Soziale Angelegenheiten“. Im April 2022 beschloss das Europäische Parlament, den Entwurf weiter im Rahmen des Trilog-Verfahrens mit der Kommission und dem Europäischen Rat zu verhandeln. Die vorläufige Einigung darüber fand schließlich am 15. Dezember 2022 statt. Deutschland enthielt sich bei dieser Abstimmung nach Angaben der Bundesfrauenministerin allerdings aufgrund von Unstimmigkeiten in der Bundesregierung. Die abschließende Abstimmung des Europäischen Parlaments über den Erlass der Richtlinie findet am 30. März 2023 statt. Bevor deren Inhalte allerdings auf nationaler Ebene gelten, müssen diese innerhalb von drei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden.
Inhalte
Der vollständige Name der geplanten Richtlinie lautet „Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Lohntransparenz und Durchsetzungsmechanismen“. Diese Richtlinie soll nach ihrer nationalen Umsetzung umfangreiche Konsequenzen für Arbeitgeber – anders als das EntgTranspG – gleich welcher Größe haben.
Die Richtlinie ist sowohl auf den öffentlichen als auch den privaten Sektor anwendbar und gilt auch im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens. So sollen bereits Bewerber vor dem Bewerbungsgespräch Informationen über das Einstiegsgehalt bzw. dessen Spanne erhalten. Gleichzeitig soll es künftigen Arbeitgebern untersagt sein, die Bewerber nach ihrem bisherigen Gehalt zu fragen.
Arbeitnehmern wird ein umfassenderes Auskunftsrecht als in § 10 ff. EntgTranspG zugesprochen. So sollen sie künftig ohne Benennung von Kollegen des anderen Geschlechts einen Auskunftsanspruch hinsichtlich des Durchschnittsgehalts von Kolleginnen und Kollegen haben, welche eine gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten. Darüber hinaus werden Arbeitgeber mit mindestens 100 Beschäftigten dazu verpflichtet, Informationen über geschlechtsspezifische Lohngefälle regelmäßig einem noch einzurichtenden Kontrollorgan mitzuteilen. Die Regelmäßigkeit und der Beginn der Mitteilungspflicht hängen von der Größe des jeweiligen Unternehmens ab. Beispielsweise müssen Arbeitgeber mit mindestens 250 Beschäftigten diese Informationen bereits ein Jahr nach Umsetzung der Richtlinie und anschließend jährlich mitteilen.
In Fällen, in denen das Lohngefälle 5% übersteigt, und Arbeitgeber dieses nicht anhand von geschlechtsneutralen und objektiven Kriterien begründen können, müssen Arbeitgeber gemeinsam mit Arbeitnehmervertretern eine sog. Entgeltbewertung vornehmen. Diese soll u.a. dazu dienen, Entgeltungleichheiten zu identifizieren und durch konkrete Maßnahmen zu beheben und verhindern. Deren Ergebnis soll zudem dem Kontrollorgan mitgeteilt und Arbeitnehmern zugänglich gemacht werden.
Gleichzeitig soll auch die Durchsetzung der Entgeltgleichheit und die Entschädigung in Fällen von Lohndiskriminierung verbessert werden. Besonders hervorzuheben ist dabei die geplante Beweislastumkehr zu Lasten des Arbeitgebers. Dieser hat künftig zu beweisen, dass keine Lohndiskriminierung vorliegt. Auch soll Gerichten und zuständigen Behörden die Möglichkeit gegeben werden, anzuordnen, dass der Arbeitgeber relevante, auch vertrauliche Umstände in Bezug auf eine Lohndiskriminierung, offenzulegen hat. Wird eine Lohndiskriminierung festgestellt, räumt die neue Richtlinie Arbeitnehmern die Möglichkeit ein, für diese eine Entschädigung zu verlangen. Dazu gehören die vollständige Nachzahlung entgangener Entgelte und damit verbundener Boni oder Sachleistungen sowie die Entschädigung für entgangene Chancen und immateriellen Schaden.
Verstöße gegen die Entgeltgleichheit sollen künftig durch die Mitgliedstaaten in Form von bspw. Bußgeldern sanktioniert werden. Schließlich sollen sowohl Arbeitnehmervertreter als auch Gleichbehandlungsstellen Arbeitnehmer vor Gericht vertreten und Sammelklagen zu Gunsten von Entgeltgleichheit führen können.
Praxishinweis
Auch wenn es bereits Stimmen gibt, welche die Wirksamkeit der neuen EU-Richtlinie als Instrument zur Schaffung von Entgeltgleichheit- und Transparenz in Frage stellen, so steht dennoch fest, dass die nationale Umsetzung unterschiedliche Konsequenzen für Arbeitgeber haben wird. Der Auskunftsanspruch, aber auch die Berichtspflichten, werden insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen einen enormen Bürokratieaufwand bedeuten. Es gilt nach der Verabschiedung der Richtlinie und der nationalen Gesetzgebung sich auf die veränderte Rechtslage einzustellen. So weit noch nicht geschehen, sollte aber bereits heute bei nach wie vor – aus sachlich gerechtfertigten Gründen zulässigen Gründen – Sorgfalt in der Begründung angewandt werden, Gründe auch dokumentiert werden.
Artikel als PDF speichern